Wie würde Deutschland an der Börse bewertet?

Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse der Baader Bank, steht auf einer Empore über dem Parkett der Frankfurter Börse vor der Kurstafel des Dax.
Foto: Baader Bank
Robert Halver, Baader Bank

Man stelle sich vor, Deutschland wäre ein börsennotiertes Unternehmen. Wie würde die Deutschland-Aktie wohl bewertet? Welche (wirtschafts-)politischen Kriterien zöge man für ihre Beurteilung heran? Wie würde die Berichtssaison ausfallen? Und wie sähen die Ausblicke auch im Hinblick auf die Bundestagswahl aus? Robert Halver mit seiner Aktienanalyse.

Bei der Berichtssaison der Deutschland-Aktie würde das bisherige Management der Corona-Krise beurteilt. Na ja, Berlin hätte mit Nachdruck mehrere hundert Millionen Impfdosen bei BioNTech ordern müssen. Das Unternehmen hat doch massiv staatliche Hilfe erhalten. Dem Vorwurf von „Impfnationalismus“ wäre leicht zu begegnen gewesen: Nach Abzug des deutschen Bedarfs hätte Berlin den Großteil nach Europa und in die Welt verschenkt. Diese zunächst große finanzielle Belastung hätte sich mit einer schnellen Durchimpfung und entsprechender Öffnung der Wirtschaft zügig bezahlt gemacht. Denn eine Woche Lockdown kostet Deutschland ca. vier Mrd. Euro.

Außerdem wäre es ein kluger politischer Schachzug gewesen. Deutschland hätte Europa in der Pandemie zusammengehalten. Stattdessen werden nun Ungarn und Tschechien mit Impfstoffen aus China und Russland beliefert. Sie werden sich ihre Leistung mit verstärkter Einflussnahme bezahlen lassen.  

Nicht zuletzt hat die deutsche Politik die Zeit im Sommer 2020, als die Infektionszahlen fielen, nicht Eichhörnchen-ähnlich für die konsequente Beschaffung von Masken und Tests genutzt. Jetzt müssen sich die Politiker von einer Notlösung zur nächsten hangeln. Ein Lockdown jagt den anderen. So wird die Psyche der Menschen mit allen auch gesundheitlichen Folgen zertrümmert und werden unzählige Firmenpleiten in Kauf genommen.

Dagegen verzichtet das Management der Deutschland-Aktie, Politiker und Experten, die uns allabendlich mit ihren „frohen“ Botschaften erheitern, auf keinen Cent. Durch ihren zunehmenden Bekanntheitsgrad ergattern sie sogar schöne Honorarvorträge. Sie sind klare Corona-Gewinner.

Übrigens, die uns vorgegebenen Verhaltensmaßnahmen sind oft genug eine Beleidigung für den gesunden Menschenverstand. So steht man in Bus und U-Bahn eng aneinander wie Sardinen in der Dose, doch an der Bushaltestelle müssen Abstandsregeln eingehalten werden. Urlaub auf Malle ist grundsätzlich möglich, aber nicht in Odenwald und Eifel. Und warum haben unmittelbar vor Ostern die Supermärkte nur Karsamstag auf, was zu Massengedränge führt und Infektionen sicher nicht behindert?  

Immerhin bietet die Deutschland-Aktie in der österlichen „Ruhephase“ eine rudimentäre Dividende: Klopapier ist nicht knapp.

Der Vorstand ist nicht nur verantwortlich für das, was er tut, sondern auch für das, was er nicht tut. Es wird zu viel verwaltet und moderiert, zu wenig gestaltet und regiert. Natürlich könnte aus einem Corona-Verlierer auch ein -Gewinner werden. Würde der Impfturbo eingeschaltet, könnte die Deutschland AG zur rund laufenden US- oder Israel-Aktie aufschließen.

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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