Wie würde Deutschland an der Börse bewertet?

 

Für die Deutschland-Aktie kommt es vor allem auf den Ausblick an

Die coronale Pleiten, Pech und Pannen-Politik bringt auch die bislang fehlende Digitalisierung zum Vorschein wie die Ebbe den Unrat im Flussbett. Virtuelle Nachverfolgung von Infektionsherden oder technisch fortschrittliche Ausstattung von Gesundheitsämtern? Fehlanzeige!

Und jetzt mal ehrlich: Warum sollten sich in- und ausländische Firmen für den deutschen Standort entscheiden, wenn die digitale Infrastruktur vielfach schlechter als in Angola ist. Warum nach Germany kommen, wenn wir bei Strompreisen als den Arbeitskosten der industriellen Neuzeit tatsächlich um den Weltmeister-Titel spielen?

Geht nach der Bundestagswahl ein Ruck durch die Deutschland-Aktie?

Hört man auf die aktuellen politischen Töne, ist von Restrukturierung allerdings wenig zu hören. Frühere Reformen sollen sogar rückabgewickelt werden. So mancher Bewerber um ein politisches Spitzenamt, der damals noch die Werbetrommel der Effizienzsteigerung gerührt hat, denkt heute: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“. Der Zeitgeist hat sich geändert. Vielleicht sollte man den Bundesadler durch einen anderen Vogel ersetzen, den Wendehals.  

Es gibt tatsächlich politische Kreise, die wider besseren Wissens behaupten, Deutschland sei zu wenig Sozialstaat und es herrsche ein ungezügelter, inhumaner Kapitalismus vor. Hier haben wir es mit einem Musterbeispiel billigster Polemik und Ideologie zu tun. Wo sind wir unsozial?  

Dennoch werden mit viel Schaum vor dem Mund Enteignungsphantasien gespielt, die Moral, Sitte und Fairness herstellen sollen. Hat irgendwann, irgendwo staatswirtschaftlicher bzw. sozialistischer Dirigismus jemals zu Gerechtigkeit für jene geführt, die nicht zum Führungskader gehörten? War die DDR ein gerechter, moralisch einwandfreier Arbeiter- und Bauernstaat?

Staatswirtschaft ist keine bessere Alternative. Steuererhöhungen, staatliche Unternehmensleitung, Verbotspolitik und Innovationsalarm haben noch nie wirtschaftlichen Erfolg gebracht. Welchen Nutzen hat eine Vermögenssteuer, die ausgerechnet die Basis des deutschen Wirtschaftserfolgs und der Arbeitsplatzsicherung bei eigentümergeführten Firmen des Mittelstands trifft, um den uns die ganze Welt beneidet? Zeigt die Staatswirtschaft ihr hässliches Gesicht, wird der Exodus von Unternehmen und damit Arbeitsplätzen zum neuen deutschen Exportschlager.

Statt Sozialneid zu schüren, dass Reiche über Immobilienbesitz und Aktien noch reicher werden, sollte man möglichst viele Bürger über die Abschaffung von administrativen Bauhemmnissen wie z.B. die Freigabe von Wohnflächen wie das Tempelhofer Feld in Berlin und staatliche Förderung des Aktiensparens Teilhabe ermöglichen. Man könnte auch von Volks-Kapitalismus sprechen.

Wenn sich Leistung nicht mehr lohnt, wird auch keine Leistung mehr erbracht

Das Instrument dazu ist die Soziale Marktwirtschaft, die sich am Leistungsprinzip orientiert. Denn nur so lässt sich eine möglichst starke, technisch innovative und wachsende Wirtschaft erreichen. Und erst diese schafft Arbeitsplätze, Wohlstand und macht soziale Leistungen bezahlbar. Für mich ist das ein fairer Deal, der uns übrigens viele Jahrzehnte oben gehalten hat. Doch selbst Partei-Jünger Ludwig Erhards scheinen Erinnerungslücken zu haben. Viele passen sich einfach dem Mainstream an. Tut mir leid, aber nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. 

Es ist doch eine Schnapsidee, die EZB als Big Spender für moralisch einwandfreie, politisch stets korrekte und hemmungslose Staats- und Sozialausgaben zu missbrauchen. Das soll den Bürgern vorgaukeln, dass es auch ohne Anstrengung geht. Doch das macht eine Wirtschaft auf Dauer behäbig, träge und schwächt sie schließlich gegenüber der brutalen Konkurrenz aus Amerika und Asien. Am Ende stehen Wohlfahrtsverluste und fehlende Arbeitsplätze. Das weiß doch jeder Kassenwart eines Kegelclubs.  

Ebenso muss die ohne jeden Zweifel wichtige grüne Wirtschaftswende mit den Werkzeugen der sozialen Marktwirtschaft umgesetzt werden. Bitte kein befehlender, rein ideeller „Öko-Stalinismus“, der uns alle zum Glück zwingen will. De-Karbonisierung darf nicht De-Industrialisierung bedeuten. An Umweltschutz darf man durchaus verdienen und er muss auch Ersatzarbeitsplätze bieten. Überlassen wir bitte nicht auch noch diese Wachstumspotenziale der Konkurrenz.

Wäre Deutschland als Aktie börsennotiert, wäre sie momentan zwar kein Überflieger. Aber man kann sich ja wieder in Richtung sozialer Marktwirtschaft drehen. Kommt aber nach der Bundestagswahl der konsequente Marsch in die Staatswirtschaft, bekommt der Begriff Aktien-Crash eine ganz neue Bedeutung. Und von Dividende brauchen wir dann erst gar nicht zu sprechen.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash.

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