Exklusiv-Interview mit Oliver Schoeller und Andreas Eurich: „Wir haben eine geniale Idee in die Tat umgesetzt“

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Oliver Schoeller (li.) und Dr. Andreas Eurich sind die Co-CEOs der neuen BarmeniaGothaer und das "Team of the Year 2024" des Cash. Magazins. Die Auszeichnung sei eine wunderbare Bestätigung für all das, was man gemeinsam geschaffen habe, sagte Oliver Schoeller.

Die beiden Co-CEOs der neu gegründeten BarmeniaGothaer, Oliver Schoeller und Dr. Andreas Eurich, wurden von Cash. als Team of the Year 2024 ausgezeichnet. Nach der Ehrung sprachen wir mit ihnen über den Fusionsprozess, die größten organisatorischen Herausforderungen und Chancen sowie über die Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Innovationsfähigkeit.

Sie sind in diesem Jahr als Vorstandsteam von Cash. als „Heads of the year“ ausgezeichnet worden. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?
Schoeller: Es ist eine wunderbare Bestätigung für all das, was wir – gemeinsam mit den vielen Menschen in unseren Unternehmen – in den letzten zwölf Monaten geschafft haben. Ein Zusammenschluss zweier unabhängiger Versicherer in weniger als zwölf Monaten passiert nicht so oft.
Eurich: Und wir haben das alles im laufenden Betrieb gewuppt. Das war sehr anspruchsvoll, denn es war uns ein besonderes Anliegen, den Service für unsere Kundinnen und Kunden sowie für unsere Vertriebspartner sicherzustellen. Denn unsere Maxime war und ist, dass unsere Präsenz im Markt nicht nachlassen darf.

Als Sie seinerzeit bei der Barmenia beziehungsweise der Gothaer anfingen, hätten Sie sich jemals ansatzweise vorstellen können, dass sich beide Unternehmen zusammenschließen und Sie beide Vorstandsvorsitzende dieses neuen Großversicherers würden? Wie fühlt sich das für Sie an?
Eurich: Nein, als ich 2013 CEO wurde, habe ich mir eine solche Zusammenarbeit überhaupt noch nicht vorstellen können. Damals waren wir der Überzeugung, dass wir unseren Weg als Unternehmensgruppe allein gehen werden. Heute bin ich überzeugt, dass wir beide eine geniale Idee in die Tat umgesetzt haben, indem wir unsere beiden Vereine zusammengebracht haben. Ich fühle mich sehr wohl damit.
Schoeller: Ja, das ist ein großartiges Gefühl. Wir sind jetzt einer der Top-Zehn-Versicherer in Deutschland mit rund acht Millionen Kundinnen und Kunden, 7.500 Mitarbeitenden und einem Beitragsaufkommen von rund acht Milliarden Euro.


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Zwischen unserem letzten Interview auf der DKM in Dortmund Ende Oktober 2023 und diesem Interview liegen knapp elf Monate. Wo lagen in dieser Phase die größten Herausforderungen?
Schoeller: Wir waren uns einig, dass sich unsere Unternehmen hervorragend ergänzen. Das war unser Antrieb, den Prozess sehr fokussiert und systematisch anzugehen. Immerhin waren insgesamt drei Vereine involviert, die den Zusammenschluss angestrebt haben. In vielen Abstimmungsrunden mussten Details geklärt werden, und wir haben viel Zeit in den Dialog mit der BaFin investiert. Unser Vorteil war, dass wir die großen Baustellen sofort in Angriff genommen und bei den großen Linien Klarheit geschaffen haben.
Eurich: Ja, wir hatten aber von Anfang an das Gefühl, dass die BaFin unser Ansinnen sehr konstruktiv begleitet. Es war ein sehr offener Dialog. Das hat maßgeblich dazu beigetragen, dass wir den Zusammenschluss in nur einem Jahr über die Bühne bringen konnten. Zudem haben wir unsere Mitarbeitenden laufend über den aktuellen Stand der Dinge informiert und sie so erfolgreich mitgenommen. Das führte letztlich dazu, dass sie den Zusammenschluss auch mittragen und von der strategischen Idee überzeugt sind.

Welche Eigenschaften Ihrer künftigen Vorstandskollegen haben Sie in den Fusionsverhandlungen besonders beeindruckt?
Schoeller: Sehr stark eingebunden waren natürlich unsere Finanz- und Rechtsexperten. Gerade die juristische Begleitung sowie finanzielle und steuerliche Aspekte waren sehr komplexe Themen. Aus dem Vorstandsteam hatte da unser Finanzvorstand Harald Epple eine tragende Rolle, der mit seiner umfassenden Erfahrung und seiner nüchternen und gelassenen Art maßgeblich zum Erfolg des Vorhabens beigetragen hat.
Eurich: Aber genauso haben die Spartenvorstände, Operations und Vertrieb einen ungeheuer wichtigen Betrag geleistet, weil sie dafür gesorgt haben, dass wir auch in diesem Prozess mit uneingeschränkter Kraft für unsere Kundinnen und Kunden sowie Vertriebspartnerinnen und -partner da waren.

Lassen Sie uns zum Post-Merger-Integrationsprozess kommen: Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um eine gemeinsame Unternehmenskultur zu schaffen. Und welchen Zeithorizont veranschlagen Sie hierfür?
Eurich: Dieser Prozess hat viele Facetten und wir sprechen hier nicht von wenigen Monaten, sondern von einem deutlich längeren Zeitraum. Das beginnt bei klaren Strukturen und einem gemeinsamen Führungsverständnis. Aber genauso wichtig ist die Angleichung der Sozialwelten und Arbeitsbedingungen. Unser Ziel ist es ja, ein Unternehmen zu bauen. Hierzu haben wir bereits ein entsprechendes Programm aufgesetzt und können auf den Erfahrungen aus den letzten Monaten aufbauen.
Schoeller: Andererseits geht es aber auch um strukturelle Fragen, wie zum Beispiel die Verschmelzung der beiden Krankenversicherer in der Gruppe. Die Gothaer Krankenversicherung soll ja in den nächsten zwei bis drei Jahren auf die Barmenia Kranken verschmolzen werden. Wir vertrauen darauf, dass wir den konstruktiven Dialog mit der BaFin fortführen können.

Ein Verschmelzen der Gothaer Sachversicherung und der Barmenia Sachversicherung ist bislang nicht geplant. Warum nicht? Und wie wird die BarmeniaGothaer Sach künftig gesteuert?
Schoeller: Nein. Beide Sachversicherer haben völlig unterschiedliche Schwerpunkte. Die Gothaer Allgemeine hat ihren Schwerpunkt im Firmenkundenbereich. Sie ist einer der führenden Partner für den Mittelstand. Die Barmenia Allgemeine verfügt hingegen über ein umfangreiches Angebot für Privatkunden. Beide Risikoträger ergänzen sich also perfekt. Die einheitliche Führung der Sparte Komposit liegt in der Verantwortung von Thomas Bischof.

Die Versicherungsbranche hat sich den vergangenen zehn Jahren deutlich verändert. Stichworte sind hier: Nachhaltigkeit, Regulatorik, Digitalisierung, War for Talents, Zinsen: Wo sehen Sie als neues CEO-Tandem die Herausforderungen in den kommenden fünf bis zehn Jahren?
Eurich: Der Kampf um Talente ist auf jeden Fall eine der größten Herausforderungen. Aber mit dem Zusammenschluss haben wir als Arbeitgeber noch einmal an Attraktivität gewonnen und können den Menschen noch bessere Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Da sehe ich auf jeden Fall einen Vorteil.
Schoeller: Eine weitere Herausforderung sind auf jeden Fall auch der Klimawandel und seine Folgen. Wir haben gerade erst wieder verheerende Überschwemmungen in großen Teilen Europas erlebt. Gleichzeitig hatten wir den wärmsten Sommer seit Beginn der Messungen. Das sind besorgniserregende Entwicklungen, die sich auch auf unser Geschäftsmodell auswirken. Auch deshalb ist es uns ein zentrales Anliegen, einen Beitrag zur nachhaltigen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu leisten. Als Kapitalanleger mit Assets von rund 50 Milliarden Euro under Management haben wir da jetzt einen noch größeren Hebel.

Eine ebenso große und finanzielle Herausforderung wird die Zusammenführung der beiden unterschiedlichen IT-Landschaften und der Migration der Bestände sein. Werden Sie ein komplett neues Bestandssystem aufbauen? Von welchem Zeithorizont gehen Sie bei der Migration der Systeme aus? Könnten Sie ihre Digitalisierungsstrategie kurz skizzieren?
Schoeller: Die IT ist natürlich ein zentraler Aspekt einer Fusion. Und eine IT-Strategie muss deshalb sehr gewissenhaft entwickelt werden. In der Lebensversicherung werden wir zunächst in den vorhandenen Bestandsführungssystemen weiterarbeiten. Die Fusionen dieser Systeme sehen wir eher nachgelagert. Wir beginnen jetzt erst einmal mit der Ausrichtung der Gruppe auf den Markt. In einem zweiten Schritt sollen die bestandsführenden Systeme konsolidiert werden.
Eurich: Im Rahmen einer IT-Roadmap werden wir uns dann mit der Entwicklung einer IT-Strategie beschäftigen. Hier beginnen die Gespräche jetzt. Natürlich gibt es Vorüberlegungen und beide Häuser bringen ihre Historie mit. Aber auch hier gilt: Die beste Lösung gewinnt.

Die BarmeniaGothaer rangiert mit rund acht Millionen Kunden unter den Top-Ten der größten deutschen Versicherer und unter den Top Drei-VVaGs. Welche Schritte unternehmen Sie, um sicherzustellen, dass die Kundenerfahrungen und Kundenservices während der Übergangsphase nicht beeinträchtigt werden?
Schoeller: Uns war es von Anfang an sehr wichtig, dass der Service für unsere Stakeholder nicht unter dem Zusammenschluss leidet und wir nicht an vertrieblicher Stärke verlieren. Das ist uns sehr gut gelungen, wir verzeichnen für dieses Jahr ein Wachstum oberhalb des Marktniveaus.
Eurich: Gemeinsam können wir unseren Kundinnen und Kunden eine noch breitere Palette an Produkten und Services anbieten. Wir werden auf der DKM auch schon ein erstes gemeineinsames Produkt lancieren.

Wie stellen Sie sicher, dass BarmeniaGothaer anpassungsfähig und agil in einem sich schnell verändernden Marktumfeld bleibt?
Schoeller: Agilität war in beiden Häusern schon immer ein großes Thema und wird das auch künftig sein. Um zukunftsfähig zu bleiben, erarbeiten wir gerade einen gemeinsamen Ansatz auf der Basis der Erfahrungen, die beide Häuser mitbringen.

Wie planen Sie, Innovationen und Digitalisierung im fusionierten Unternehmen voranzutreiben, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Zumal Ihre Digitalisierungsstrategien sicherlich nicht identisch sind?
Eurich: Wir haben während des Fusionsprozesses gespürt, dass wir imstande sind, Dinge gezielt und schnell voranzutreiben. Das ist auch weiter unser Anspruch. In der neuen Struktur haben wir Bereiche, in denen nun das Know-how und die Innovationskraft der Expertinnen und Experten aus beiden Häusern zusammengeführt worden ist. Das gibt bei den Themen Innovation und Digitalisierung noch einmal einen zusätzlichen Schub.
Schoeller: Wir haben ja eben schon skizziert, dass wir eine IT-Roadmap planen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Märkte bedienen zu können, werden wir auch verstärkt künstliche Intelligenz und neue Technologien einsetzen, sei es in der Marktbedienung, im Schadenmanagement oder im Underwriting. Und das werden wir unserer neuen Aufstellung sicher noch besser abbilden können.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um ihre Marktposition auch im freien Vertrieb weiter zu erhöhen?
Schoeller: Die bisherigen Maklerorganisationen sollen in den kommenden Wochen zusammengeführt werden. Maßgeblich ist dabei die einheitliche Betreuung von Maklern und Kooperationspartnern. Dabei setzen wir auf eine Kombination von einer starken Präsenz in den Regionen über sechs Maklerdirektionen sowie zentralen Service aus Köln und Wuppertal.

Stichwort Brand: Gibt es bereits ein neues Logo? Und verraten Sie uns den neuen Slogan der BarmeniaGothaer? Ab wann werden wir einen einheitlichen Auftritt sehen?
Eurich: Unsere neue Marke haben wir am 8. Oktober vorgestellt. Zum Start bieten wir schon eine gemeinsame Online-Präsenz, bisherige Webseiten werden aber erstmal weiter bestehen. Auf der DKM wollen wir uns dann mit einem großen neuen Stand präsentieren. Sie dürfen gespannt sein! Alles Weitere werden wir dann sukzessive umsetzen.

Die Kapitalanlagen der Gothaer belaufen sich auf rund 32 Milliarden Euro, die der Barmenia auf rund 17 Milliarden. Bis wann werden die beiden Bereiche zusammengeführt und welche finanziellen Vorteile erwarten Sie durch die Fusion. Wie wird dies die finanzielle Stärke des neuen Unternehmens beeinflussen?
Schoeller: Unsere Kapitalanlagebereiche sind bereits mit dem Zusammenschluss zusammengeführt worden. Mit zusammen rund 50 Milliarden Euro Kapitalanlagen haben wir nicht nur beim Thema Nachhaltigkeit einen viel größeren Hebel, sondern gewinnen insgesamt an Gestaltungsspielraum. Was die Finanzkraft des Unternehmens angeht, so hatte S&P ja mit Blick auf den Zusammenschluss kürzlich den Ausblick für die Gothaer angehoben und ein Upgrade des Ratings in Aussicht gestellt. Es wird uns also auch von neutralen Dritten viel zugetraut.

Cash Gala 2024 auf dem Süllberg in Hamburg-Blankenese: Das Team of the Year nach der Preisübergabe: Cash. Vorstand Gerhard Langstein mit den beiden Preisträgern, Oliver Schoeller und Dr. Andreas Eurich (v.li.).

Welche Rolle wird Nachhaltigkeit in Ihrer gemeinsamen Unternehmensstrategie spielen?
Schoeller: Schon heute spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle in Köln und in Wuppertal und ist einer der gemeinsamen Werte, die uns verbinden. Nachhaltigkeit wird auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Wir werden auch hier unsere Stärken bündeln und können nun viel mehr bewegen.

Hinter jeder Position steht immer ein Mensch. Wir würden gerne etwas über die Menschen Oliver Schoeller und Andreas Eurich erfahren? Was sind Ihre Hobbys? Was sind ihre Lieblingsautoren und wo zieht es Sie im Urlaub hin? Welchen Traum möchten Sie noch verwrklichen?
Eurich: Ich bin ein Familienmensch und verbringe meine kostbare und knappe Zeit gerne mit meiner Familie. Wir verbringen unsere Urlaube gerne in den Bergen. Außerdem liebe ich alte Autos und schraube gerne.
Schoeller: Meine Familie bedeutet mir auch sehr viel, gemeinsame Urlaube verbringen wir gern in der Provence oder beim Skifahren. Wenn ich zum Lesen komme, faszinieren mich vor allem Management -Bücher. Gerade erst habe ich „The Why-Axis“ von Uri Gneezy gelesen und war sehr beeindruckt.

Das Interview führte Jörg Droste, Cash.

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