„Wir müssen über Atomenergie reden“

Ein Mann mit leichtem Bart um die Mitte 40 mit einem dunklen kurzärmligen Polohemd
Foto: Marc Friedrich
Marc Friedrich, Friedrich & Partner Vermögenssicherung

Im Interview kritisiert Marc Friedrich, Friedrich & Partner Vermögenssicherung, die Politik der Regierung im Ukraine-Krieg scharf. Friedrich würde nicht mit Diktaturen verhandeln, dafür aber alte Denkmuster aufbrechen. Dabei spielt auch Atomenergie eine Rolle.


Die Pandemie und jetzt der Krieg wirken wie ein Brennglas für die Probleme unserer Gesellschaft. Was sehen Sie?

Wir sehen jetzt wie krisenanfällig unsere Just-in-Time-Globalisierungswelt ist. Der Deutsche hat im Schnitt für zwei Tage Lebensmittel im Haus. Und plötzlich merken alle: Wir müssen Klopapier lagern und wir brauchen Mehl und Konservendosen.

Sie sind ja dafür bekannt, unbequeme Standpunkte einzunehmen. Wie sehen Sie die Politik der Bundesregierung im Ukraine-Krieg. Kann Deutschland es aus Ihrer Sicht schaffen, Putin wirklich unter Druck zu setzen?

Man könnte Putin jetzt ruhig mal drei Monate die Pistole auf die Brust setzen und dann den Worten auch Taten folgen lassen. Dafür müssen wir auch über die Atomenergie reden. Wir haben hier funktionierende und sichere Atomkraftwerke in Deutschland, die könnte man wieder hochfahren. Doch das ist nicht gewollt, weil die Politik sich ideologisch verrannt hat. Wenn wir wirklich CO2-neutral Energie produzieren möchten, die grundlastfähig ist und die auch weiterhin den Wettbewerb zum Industriestandort Deutschland aufrechterhält, dann brauchen wir Atomenergie. Es ist eine Zeitenwende, ein Paradigmenwechsel – und da müssen wir einfach neu denken.


Atomenergie scheint nicht der Kurs der aktuellen Regierung zu sein. Sie verhandelt nun mit Staaten wie Katar oder den Arabischen Emiraten.

Ist das nicht absolut unglaublich, dass man jetzt andere Diktaturen unterstützt? Ich meine, wir haben nichts gelernt. Es zeigt, wie fragil unser System gerade ist, und in was für historischen Zeiten wir leben. Links ist rechts, rechts ist links. Oben ist unten.

Und in welche Richtung könnte sich eine neue Ordnung entwickeln? Könnte China davon profitieren?

Also ich war schon immer ein Gegner von Diktaturen, und ich habe zum Beispiel auch in der Honorarberatung nie China-Aktien empfohlen. Ich will keine Diktaturen unterstützen, Punkt. Und ich finde, man sollte mit Diktaturen oder mit menschenfeindlichen Regimen keine Geschäft machen. China wird irgendwann wahrscheinlich Taiwan übernehmen. Und weil sie sich das alles gerade genau angucken, werden sie natürlich besser vorbereitet sein.

In Ihrem Buch sprechen Sie auch immer von „Cui bono?“ Also wem nützt das, was gerade passiert?

Die Amerikaner freuen sich, dass sie uns teures LNG-Gas und Fracking-Öl verkaufen können. Und wenn es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommt, dann findet die in Europa statt und nicht eben im Vorhof der USA. Man möchte natürlich Russland und China schwächen, und wenn das auf Kosten anderer Nationen passiert, ist es denen gerade recht, weil sie sind der lachende Dritte. Ich meine, wer verkauft denn die Waffen? Das sind Lockheed Martin, Raytheon und Boeing. Diese Firmen haben die Kriegsdrohnen und so weiter erstellt. Da haben sie die Profiteure.

Wir in Deutschland spüren den Krieg, wenn wir ehrlich sind, ja vor allem aufgrund einer ordentlichen Teuerungsrate im Moment. Glauben Sie, dass die Politik beziehungsweise die EZB gegensteuern sollte?

Ja, aber die Inflation war auch schon davor bei über fünf Prozent. Wir wissen, dass die offizielle Inflation viel niedriger ist als die wahre Inflation. Schauen Sie sich Ihre Heizrechnung und Ihre Stromrechnung an. Die wahre Inflation ist bei über zehn Prozent. 2020 lag die offizielle Inflation noch bei 0,5 Prozent, also fast schon deflationär und die wahre Inflation bei 13,7 Prozent. Und für 2021 waren es auch schon wieder 10,7 Prozent. Und man wird nichts dagegen tun, weil was soll die Notenbank machen? Die EZB kann die Zinsen nicht erhöhen. Die hat sich selbst in eine Sackgasse manövriert. Würde sie die Zinsen massiv erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen, dann würden ganze Zombieunternehmen umkippen aber auch ganze Zombieländer wie Italien, Frankreich und so weiter.

Wie wirken sich diese unruhigen Zeiten auf die Anleger aus. Müssen sie ihre Strategien verändern?

Die Zeit des passiven Investierens, also „Buy and Hold“ – ich kaufe mir einen breit gestreuten MSCI ETF und lasse ihn einfach liegen, die ist vorbei. Die Volatilität ist da und wie eine Achterbahnfahrt – mal fünf Prozent runter, zehn Prozent hoch. Und ich glaube generell, dass man langfristig umsteigen muss: Raus aus Growth-Aktien wie zum Beispiel Tech-Aktien, denn diese laufen seit 15 Jahre durch die billige Notenbankpresse immer gut. Jetzt geht es Richtung Value.

Die Anleger sollten also in Richtung Sachwerte denken?

Ja, das Zeitalter der Sachwerte hat jetzt begonnen und man muss in durch die Natur und durch die Mathematik (Bitcoin) limitierte Werte investieren. Aus meiner Sicht beginnt ein Rohstoff-Superzyklus. Denn das Fundament für die Digitalisierung sind natürlich Rohstoffe. Ohne Nickel, Kupfer, Zinn oder Silber gibt es kein iPhone oder keinen Tesla. Ich investiere dann lieber in die Schaufelhersteller, als selber im Goldloch nach Gold zu buddeln und habe eine sichere Rendite. Deswegen erwarte ich große Verwerfungen am Kapitalmarkt. Eine Rezession steht uns vor der Türe. Die Zinskurve der zehn- und zweijährigen US-Staatsanleihen ist jetzt invers. Das heißt, dass wir vielleicht Ende des Jahres schon eine Rezession sehen aber sicherlich in zwölf bis 24 Monaten. Denn so war es in den letzten 70 Jahren immer wenn dies geschehen ist.

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