Die von uns Anfang des Jahres erwartete Trendwende im Güterzyklus wird bislang durch die Daten bestätigt. Die Produktion des verarbeitenden Gewerbes in den asiatischen Volkswirtschaften hat die Erwartungen in den letzten Monaten im Allgemeinen übertroffen, und auch die Exporte aus der Region haben sich erholt.
Frühindikatoren deuten unvermindert auf eine weitere Verbesserung der asiatischen Exporte bis Mitte 2024 hin. So blieb beispielsweise der jüngste ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe in den USA mit 47,4 im Dezember im Kontraktionsbereich, während die Neuaufträge abzüglich der Unterkomponente Lagerbestände weiterhin einem Wachstum der nominalen Exporte in China entsprachen, das sich bis Mitte 2024 zudem auf 10 % im Jahresvergleich beschleunigen dürfte.
Chinas Exporte dürften sich bis Mitte 2024 beschleunigen
Quelle – LSEG Datastream, Schroders
Die Daten legen nahe, dass die Hersteller Preisnachlässe gewähren müssen
Während sich die chinesischen Exporte in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres erholten, gibt es auch Anzeichen dafür, dass Unternehmen in einigen Sektoren gezwungen waren, Preisnachlässe zu gewähren, um freie Kapazitäten abzubauen. So nahm das nominale Exportwachstum nur allmählich wieder zu. Dagegen sind die Exporte volumenmäßig rasch gestiegen – unseren Schätzungen zufolge im November um 15–20 % zum Vorjahr.
Der Wert der chinesischen Exporte bleibt weit hinter dem Volumenwachstum zurück
Quelle – LSEG Datastream, Schroders
Ein Teil der Diskrepanz zwischen den Volumina und dem Wert der Exporte ist offenbar den Rohstoffpreisen zuzuschreiben. Wie die nachstehende Grafik zeigt, korrelierten die chinesischen Exportpreise in der Vergangenheit stark mit den Rohstoffpreisen, insbesondere den Energiepreisen. Das macht Sinn, denn China ist in großem Maße von Rohstoffimporten abhängig, die einen wichtigen Einfluss auf die Produktionskosten haben. Ebenso eng fällt die Beziehung zum Produzentenpreisindex (PPI) aus.
Die Lücke zwischen Exporten und Rohstoffpreisen deutet auf Preisnachlässe hin
Quelle – LSEG Datastream, Schroders
Sollten die Rohstoffpreise auf dem derzeitigen Niveau verharren, werden sich die chinesischen Exportpreise in den kommenden Monaten erholen, da die Basiseffekte nicht mehr greifen. Allerdings besteht derzeit eine ungewöhnlich große Diskrepanz zwischen den Rohstoff- und den Exportpreisen, d. h. die Hersteller sind gezwungen, angesichts einer unzureichenden Inlandsnachfrage Preisnachlässe zu gewähren, um genügend Auslandsnachfrage zu generieren, mit der das Überangebot absorbiert werden kann.
Die stärksten Preisnachlässe sind in Sektoren wie der Stahlindustrie zu verzeichnen, nachdem der anhaltende Einbruch auf dem Wohnungsmarkt für eine rückläufige Inlandsnachfrage sorgte. Allerdings müssen andere Sektoren unter Umständen aggressivere Preisnachlässe gewähren, sollte sich das globale Wachstum tatsächlich verlangsamen.
Prognosen eines trägen Wachstums in den nächsten beiden Jahren deuten darauf hin, dass eventuell mehr Unternehmen ihre Preise senken müssen. Wir gehen von einem nur trägen BIP-Wachstum weltweit von 2,2 % sowohl 2024 als auch 2025 aus, da die Deflation in der globalen Wirtschaft anhält und die Industrieländer größtenteils stagnieren. Die „Deflation zu exportieren“ würde helfen, die Güterpreisinflation weltweit zu verankern, was der Weltwirtschaft zugutekommen könnte, da sich die Zentralbanken in den kommenden Monaten auf Zinssenkungen einstellen.
Das Wiederaufleben der Güterpreisinflation unmittelbar nach der Covid-19-Pandemie entsprach einer Zeitenwende. Damit wurden die Grundlagen für etwas zementiert, was wir heute als ein neues wirtschaftliches System mit anhaltendem Inflationsdruck erachten.
Preisnachlässe von Exporteuren könnten für China negativ sein
Preisnachlässe seitens der chinesischen Exporteure könnten zwar den großen globalen Zentralbanken im Kampf um die Wiederherstellung der Preisstabilität etwas Erleichterung verschaffen, aber langfristig könnten sie auch nach hinten losgehen. Denn letztlich werden die Preisnachlässe zum Abbau von Überkapazitäten die Gewinnspannen der chinesischen Unternehmen chronisch unter Druck setzen und die Aktienrenditen belasten.
Wenn außerdem immer mehr Unternehmen dazu gezwungen sind, billige Waren auf den globalen Exportmärkten zu verkaufen, dann dürfte dies die Anti-China-Stimmung während des US-Wahlkampfs anheizen und den Faktor Deglobalisierung im Rahmen der Entwicklung, die wir als „3D Reset“ umschreiben, beschleunigen.
Der Deglobalisierung kommt unter den 3Ds unseres Erachtens möglicherweise eine zentrale Rolle zu, wenn es um die Neuordnung des Wirtschaftssystems geht (bei den anderen beiden „Ds“ handelt es sich um Demografie und Dekarbonisierung). Infolge des zunehmenden Protektionismus stellen Rück- und Nahverlagerung das globalisierte Modell der erweiterten Lieferketten derzeit in Frage.
Das verarbeitende Gewerbe von „China Inc.“ ist das Herzstück dieses Modells und hatte in der Vergangenheit für langfristig niedrige Güterpreise gesorgt. Dies war während eines Großteils der letzten drei Jahrzehnte der Fall und führte zur „NICE-Ära“ (Non-Inflationary Consistently Expansionary) in der Weltwirtschaft, also einem nicht inflationären, aber konstant expansiven Umfeld.