Wirecard meldet Insolvenz an. Das hat der Vorstand des Zahlungsdienstleisters entschieden. Die Aktien wurde vom Handel ausgesetzt. Ein schneller Abschied aus dem Dax ist allerdings unwahrscheinlich. Die Wirecard Bank AG wurde dagegen aus dem Insolvenzverfahren herausgenommen.
Dem Zahlungsdienstleister Wirecard droht wegen seines Bilanzskandals die Insolvenz. Der Vorstand habe entschieden, beim Amtsgericht München die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen, teilte der Dax-Konzern am Donnerstag in Aschheim bei München mit.
Als Gründe nannte er eine drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Es werde geprüft, ob auch Insolvenzanträge für Tochtergesellschaften der Wirecard-Gruppe gestellt werden müssten.
An der Börse war zunächst keine Kursreaktion möglich. Wenige Minuten vor der Mitteilung war die Aktie vom Handel ausgesetzt worden. Zuvor war das Papier erstmals seit 2011 unter die Marke von 10 Euro abgesackt und lag nach den herben Kursverlusten der vergangenen Tage zuletzt mit 12,66 Prozent im Minus bei 10,744 Euro. Der Handel soll um 11.20 Uhr mit einer Auktion wieder aufgenommen werden.
Wirecard steckt spätestens seit dem Bekanntwerden mutmaßlicher Luftbuchungen in Milliardenhöhe vor einer Woche in einem Bilanzskandal. Das Geld ist bisher unauffindbar. Der langjährige Wirecard-Chef Markus Braun ist zurückgetreten und hat sich nach einem Haftbefehl der Staatsanwaltschaft gestellt. Gegen Zahlung einer Kaution in Millionenhöhe ist er wieder auf freiem Fuß.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hatte ihr Testat für den Jahresabschluss für 2019 verweigert, weil sie keine ausreichenden Nachweise für die Existenz angeblicher Guthaben auf Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Milliarden Euro auf den Philippinen finden konnte. Wirecard räumte inzwischen ein, dass das Geld „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ überhaupt nicht existiert.
Im Zentrum des Bilanzskandals stehen der ehemalige Wirecard-Finanzchef in Südostasien und ein Treuhänder, der bis Ende 2019 für Wirecard aktiv war und das – wie sich nun herausgestellt hat – in großen Teilen wahrscheinlich gar nicht existente – Geschäft mit den Drittpartnern betreute.
Die konzerneigene Bank will Wirecard vom angekündigten Insolvenzantrag ausnehmen. Die Bank sei „nicht Teil des Insolvenzverfahrens der Wirecard AG“, erklärte der Konzernvorstand am Donnerstag.
„Die BaFin hat für die Wirecard Bank AG bereits einen Sonderbeauftragten eingesetzt.“ Demnach wird die Wirecard-Bank organisatorisch und finanziell vom Mutterkonzern abgekoppelt: „Die Freigabeprozesse für alle Zahlungen der Bank werden zukünftig ausschließlich innerhalb der Bank und nicht mehr auf Gruppenebene liegen.“
Die Wirecard AG als Muttergesellschaft hingegen sieht wegen fehlenden Gelds derzeit keine Möglichkeit, den Betrieb nach dem 1. Juli ordnungsgemäß weiterzuführen:
„Ohne eine Einigung mit den Kreditgebern bestand die Wahrscheinlichkeit der Kündigung und des Auslaufens von Krediten mit einem Volumen von 800 Millionen Euro zum 30. Juni 2020 und 500 Millionen Euro zum 1. Juli 2020“, hieß es in der Mitteilung. Die Fortführbarkeit des Unternehmens sei „nicht sichergestellt“.
Gleichwohl droht dem Zahlungsabwickler auch nach dem Insolvenzantrag wohl erst einmal kein schneller Dax-Abschied. Nur im Falle einer Abwicklung oder falls der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen wird, muss ein Unternehmen laut den Regeln der Deutschen Börse aus einem Auswahlindex „umgehend“ herausgenommen werden.
Dass die Börse ein Sanktionsverfahren prüft, hat ebenfalls keine direkte Auswirkung auf die Dax-Mitgliedschaft. Und so schnell wird einem Unternehmen auch die Mitgliedschaft im Prime Standard, der wegen umfangreicher Transparenzvorschriften eine hohe Qualität garantieren soll, nicht entzogen.
Als Nachfolger beim aktuell indes so gut wie sicheren Abschied bei der regulären Indexüberprüfung im September gelten der Online-Essenslieferant Delivery Hero und der Aromen- und Duftstoffhersteller Symrise. (dpa-AFX) & dr
Foto: dpa