Wirtschaftliche Unsicherheit trifft Industrieversicherung

Safak Okur (li.) und Lukas Nazaruk, beide WTW
Foto: WTW
Safak Okur, Head of Broking in Deutschland und Österreich und Lukas Nazuruk, Head of Corporate Risk & Broking.

Hohe Energiekosten, Handelskonflikte und Investitionsflaute belasten Unternehmen – mit Folgen für den Industrieversicherungsmarkt wie der neue „MarktSpot“ von Willis (WTW) zeigt.

Hohe Energiekosten, drohende Handelskonflikte und rückläufige Investitionen setzen deutsche Unternehmen zunehmend unter Druck – mit spürbaren Auswirkungen auch auf den Industrieversicherungsmarkt. Sowohl Unternehmen als auch Versicherer zeigen sich bei der Risikobewertung zurückhaltender. Diese Entwicklung beleuchtet der neue „MarktSpot“ des Risikoberaters und Großmaklers Willis, ein Geschäftsbereich von WTW.

„Obwohl sich der Versicherungsmarkt für Unternehmen in vielen Bereichen stabilisiert hat, lösen die geopolitischen Entwicklungen der jüngsten Zeit große Verunsicherung aus“, sagt Lukas Nazaruk, Head of Corporate Risk & Broking Deutschland und Österreich bei Willis. Besonders angespannt zeige sich die Lage in der Kreditversicherung, in der Sachsparte sowie im Kfz-Bereich. Dort stünden die Zeichen demnächst oder weiterhin auf Verhärtung. Das bedeutet: steigende Prämien, strengere Bedingungen und eine restriktivere Zeichnungspolitik – ein zusätzlicher Stressfaktor für Unternehmen, die ohnehin unter konjunkturellen Unsicherheiten leiden.

Kreditversicherung: Mögliche Marktverhärtung 2025  

Für 2025 rechne die Branche mit steigenden Insolvenzzahlen und Großinsolvenzen, so WTW. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Absicherung gegen drohende Zahlungsausfälle an Relevanz. Zwar zeigte sich die Kreditversicherung zuletzt robust, nicht zuletzt, weil viele Unternehmen frühzeitig Sanierungsmaßnahmen einleiten und die Ausfälle bislang unter den Erwartungen lagen. Doch die Entwicklung könnte trügen.


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„Wachsende Schadenquoten und möglicherweise zeitverzögert eintretende Effekte könnten in diesem Jahr zu Engpässen führen“, warnt Safak Okur, Head of Broking Deutschland und Österreich bei Willis, einem Geschäftsbereich von WTW. Unternehmen sollten daher frühzeitig gegensteuern. „Zumindest sollten Unternehmen jetzt auf Risikodiversifizierung und umfassende Bonitätsprüfungen ihrer Lieferanten setzen“, so Okur.

Unsicherheit auch in der D&O-Versicherung

Die zunehmende Zahl von Insolvenzen hat auch Auswirkungen auf die D&O-Versicherung. Zwar befindet sich der Markt aktuell in einer weichen Phase mit stabilem Preisniveau – getrieben durch den intensiven Wettbewerb unter den Anbietern. Doch rechtliche Unwägbarkeiten könnten das Bild künftig verändern.

So hat der Bundesgerichtshof die Frage, ob Kartellbußgelder regressfähig sind, an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen. Eine Entscheidung könnte weitreichende Folgen für Versicherer haben. „Werden Manager für Bußgelder haftbar gemacht, müssen Versicherer hohe Schadenquoten befürchten“, erklärt Lukas Nazaruk, Head of Corporate Risk & Broking Deutschland und Österreich bei Willis.

Dennoch erwartet das Unternehmen in den kommenden ein bis zwei Jahren keine unmittelbaren Auswirkungen auf den D&O-Markt – auch wegen der langen Verfahrensdauer. Die Entscheidung des EuGH könnte jedoch künftig zu einem Wendepunkt für Anbieter und Kunden in der Managerhaftpflichtversicherung werden.

Schwieriges Marktumfeld für die Sachversicherung

Leichte Prämiensteigerungen und strengere Bedingungen müssen Unternehmen in der Sach- und Ertragsausfallversicherung hinnehmen: Die Versicherer haben auf zunehmende Naturgefahren und Großschäden mit einer restriktiven Zeichnungspolitik reagiert, was zu reduzierten Kapazitäten und höheren Selbstbehalten geführt hat. „Risikotransparenz und -qualität entscheiden zunehmend über den Zugang zu Kapazitäten und wettbewerbsfähigen Prämien“, so Okur. „Wir raten daher jedem Unternehmen zu einem proaktiven Risikomanagement und frühen präventiven Maßnahmen, um Risiken zu minimieren.“ 

In der Industrieversicherung sieht Willis weiterhin vielschichtige Herausforderungen – insbesondere in den Sparten Kfz und Haftpflicht zeigen sich altbekannte, aber auch neue Belastungsfaktoren.

So reißt in der Kfz-Versicherung die Negativserie nicht ab: Bereits das zweite Jahr in Folge schloss die Sparte 2024 mit deutlichen Verlusten ab. Auch beim kommenden Renewal-Prozess müssen Unternehmen mit flächendeckenden Prämienanpassungen für ihre Flotten rechnen – und zwar unabhängig vom individuellen Schadenverlauf.

Haftpflicht: USA-Risiken und neue EU-Vorgaben im Fokus

In der Haftpflichtversicherung rücken laut Willis aktuell vor allem Risiken mit US-Bezug in den Vordergrund. Grund sind die weiterhin sehr hohen Schadenersatzzahlungen auf dem amerikanischen Markt. Versicherer reagieren mit wachsender Zurückhaltung und fordern von Unternehmen eine deutlich detailliertere Offenlegung risikorelevanter Informationen.

Gleichzeitig erhöht sich auch der regulatorische Druck in Europa. Die neue EU-Verordnung zur allgemeinen Produktsicherheit (GPSR) und die Reform des Produkthaftungsgesetzes (PLG) weiten die Pflichten für Unternehmen spürbar aus. „Frühzeitige Anpassung an die neuen Anforderungen ist der Schlüssel, um Haftungsrisiken zu minimieren und wettbewerbsfähig zu bleiben“, betont Safak Okur, Head of Broking Deutschland und Österreich bei Willis (WTW).

Versicherer stellen höhere Anforderungen – auch an Mittelständler

Versicherer verschärfen ihre Underwriting-Kriterien zunehmend. Was früher nur für große Konzerne galt, wird inzwischen auch im Mittelstand zum Standard. In besonders anspruchsvollen Sparten wie Sach- oder Cyberversicherung wird es für Unternehmen immer schwieriger, ausreichende Deckung zu bekommen.

„Frühzeitige Absprachen zwischen Kunden, Maklern und Versicherern sind entscheidend“, so Okur. Gleichzeitig brauche es besseren Zugang zu Datenpools und risikoanalytischer Software, um die steigenden Anforderungen erfüllen zu können.

Stabilität mit Vorbehalt – Unternehmen in der Pflicht

Trotz der Herausforderungen geht Willis von einem insgesamt stabilen Jahr für die Industrieversicherung aus – vorausgesetzt, Unternehmen bringen sich aktiv in den Risikodialog ein. „Unternehmen müssen ihren Teil dazu beitragen, dass sie zu akzeptablen Prämien und Bedingungen versicherbar bleiben“, sagt Lukas Nazaruk, Head of Corporate Risk & Broking Deutschland und Österreich bei Willis. Dazu zählten eine umfassende, datenbasierte Risikoanalyse sämtlicher Standorte, Prozesse und Lieferketten sowie die transparente Offenlegung präventiver Maßnahmen.

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