Wo geht die Reise für Unternehmensanleihen hin?

In den vergangenen vier Monaten verzeichneten Unternehmensanleihen aus dem Investment Grade-Segment weltweit erfreuliche Zuwächse. Hintergrund hierfür war hauptsächlich die geldpolitische Wende der US-Notenbank Fed. Das fundamentale Umfeld sollte weiter für Unterstützung sorgen. Ein Gastbeitrag von Marc Herres, Union Investment

Marc Herres, Union Investment: „Mit Blick auf die Markttechnik bieten Corporate Bonds aus dem Investment Grade-Bereich weiterhin Chancen, auch wenn die größten Zuwächse erst einmal hinter uns liegen sollten.“

Die geldpolitische Wende der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), die im Januar ihren bisherigen Zinserhöhungskurs beendete, war einer der Hauptgründe für die gute Entwicklung der Unternehmensanleihen. Hinzu kommt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) angesichts schwacher Wachstumsdaten in der Eurozone sowieso an ihrer lockeren Geldpolitik festhält. Somit ist das Renditeniveau an den Staatsanleihenmärkten generell deutlich zurückgekommen. Darüber hinaus profitieren Unternehmensanleihen von der soliden fundamentalen Verfassung des Unternehmenssektors.

Aktienrückkauf in den USA beliebter als in Europa

In Europa und den USA sind die Unternehmen nach wie vor gut aufgestellt. Zwar ist deren Verschuldung in den letzten Jahren gestiegen, doch haben die Gewinne ebenfalls zugelegt. In Europa ist das Verhältnis von Nettoverschuldung und operativem Ergebnis (EBITDA) weitgehend stabil geblieben, während es bei US-Gesellschaften stieg. Doch hierfür gibt es eine plausible Erklärung: Die dortigen Firmen haben das günstige Zinsniveau genutzt, um eigene Aktien zurückzukaufen, Dividenden zu erhöhen oder Akquisitionen zu tätigen. Besonders der Aktienrückkauf ist bei US-Unternehmen aktuell viel beliebter als in Europa. Dies liegt nicht zuletzt an steuerlichen Vorteilen. Mit der Verringerung des Eigenkapitals können die Firmen ihre Kapitalkosten reduzieren, denn Eigenkapital ist teurer zu finanzieren als Fremdkapital. Zudem erhöht sich die Eigenkapitalrendite.

Beim Thema Neuemissionen zeigt sich, dass sich in Europa weit weniger Gesellschaften zur Ausgabe neuer Anleihen entschieden haben, da sie generell vorsichtiger mit Verschuldungsthemen umgehen. Wahrscheinlich konnten sie auch weniger interessante Übernahmeziele finden, für die sich eine Schuldenaufnahme lohnen würde. Zudem erinnern sich viele europäische Firmen noch schmerzhaft an die Jahre 2008/2009, als Firmen wie BMW oder Metro für ihre Anleihen Kupons von rund acht Prozent zahlen mussten. Kein Wunder, dass die hiesigen Unternehmen vergleichsweise hohe Kassebestände halten.

Liquiditätsquote weiterhin hoch

Ein weiterer wichtiger Bewertungsfaktor für Unternehmensanleihen ist die Liquiditätsquote, also die Kassebestände (Cash und near-Cash), die zu den Fälligkeiten der nächsten zwölf Monate in Verhältnis gesetzt werden. Mit einem Durchschnittswert von 2,0 sind die US-Unternehmen hier weiterhin gut aufgestellt. In den Vereinigten Staaten verfügt ein vergleichsweise großer Teil der Unternehmen lediglich über ein BBB-Rating. Damit befinden sie sich im unteren Bereich des Investment Grade. Laut einer Credit Default-Studie der amerikanischen Ratingagentur Standard & Poor’s lagen die Zahlungsausfälle im BBB-Segment, die über die Anzahl von Unternehmensinsolvenzen innerhalb von zwölf Monaten berechnet werden, in den vergangenen 40 Jahren stets unterhalb von einem Prozent, Krisenjahre wie 2008/2009 mit einbezogen.

Das Umfeld für Unternehmensanleihen bleibt ansprechend

Mit Blick auf die Markttechnik bieten Corporate Bonds aus dem Investment Grade-Bereich weiterhin Chancen, auch wenn die größten Zuwächse erst einmal hinter uns liegen sollten. Positiv zu werten ist, dass wir uns noch für längere Zeit in einem globalen Niedrigzinsumfeld befinden werden. In den USA ist der Zinserhöhungszyklus der Fed definitiv beendet und in Europa fallen Wachstum und Inflationserwartungen weiterhin so niedrig aus, dass die EZB eher wieder über Maßnahmen zur geldpolitischen Lockerung als über Zinserhöhungen nachdenkt. Damit bleibt das Renditeniveau in dem als sicher erachteten Segment der Euro-Kernanleihen weiterhin extrem niedrig verankert.

Auch wenn sich das Wirtschaftswachstum rund um den Globus abgeschwächt hat, bleiben die Wachstumsraten nach wie vor positiv. Es gibt zurzeit keinerlei Anzeichen für eine Rezession. Damit setzt sich der nun schon seit fast zehn Jahren anhaltende Konjunkturzyklus fort, auch wenn wir uns in einer spätzyklischen Phase befinden. Dieses Umfeld ist sehr günstig für Unternehmensanleihen, da sowohl von der Zins- als auch von der Wachstumsseite die Ampeln auf grün stehen. Das bedeutet: Solange die Rendite von Bundesanleihen rund um die Null-Prozent-Marke schwankt, das Wirtschaftswachstum aber positiv bleibt, werden die Investoren auf der Suche nach Rendite auch zu höherverzinslichen Anlageklassen greifen.

Jedoch könnte Störfeuer von der geopolitischen Seite kommen, wie die aktuelle Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China anschaulich beweist. Weitere Problemfelder sehen wir beispielsweise auch in Europa bei der Brexit-Problematik und der italienischen Haushaltspolitik. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Marktlage kontinuierlich zu beobachten und gegebenenfalls rasch zu reagieren.

Autor Marc Herres ist Portfolio Management Fixed Income und Gruppenleiter Credits Non-Cyclical Industries  bei Union Investment.

Foto: Union Investment

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments