Grundstückseigentümer müssen bei Schäden, die sie bei einem Nachbarn verursachen, unabhängig von einem Verschulden einen Ausgleich zahlen. Dies gilt auch im Verhältnis von Wohnungseigentümern oder ihren Mietern.
Gastbeitrag von Thorsten Wenning, GTW Rechtsanwälte
Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe nunmehr in einem am 25. Oktober 2013 veröffentlichten Urteil (Az.: V ZR 230/12).
Was war passiert? Im dritten Obergeschoss eines Hauses, das in Wohnungseigentum aufgeteilt war, befand sich ein ambulantes Operationszentrum. In der Nacht löste sich dort eine Schlauchverbindung. Es kam zu einem Wasseraustritt, der erhebliche Schäden in der darunter liegenden Arztpraxis verursachte.
Versicherung verlangt Ausgleich
Die Versicherung des Arztes regulierte diesen Schaden in Höhe eines Betrages von ca. 166.000 Euro, verlangte aber dann von dem Mieter der darüber liegenden Räume einen entsprechenden Ausgleich.
Die Karlsruher Richter bejahten den Anspruch der Versicherungsgesellschaft und stellten grundsätzlich klar, dass eine analoge Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches auch unter Mietern zum Tragen komme, wenn es sich um Wohnungseigentum handele.
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch betrifft nach seinem Wortlaut eigentlich nur Entschädigungen für Emissionen, die der Nachbar nicht abwehren kann, weil sie ortsüblich sind.
Beispiele sind Lärmbelästigungen ausgehend von Sportanlagen, Musikveranstaltungen oder Tieren, Geruchsbelästigungen und unzumutbar viel Laub, sogenannte unwägbare Stoffe.
In seiner früheren Rechtsprechung dehnte der BGH diesen Ausgleichsanspruch auch auf Grobimmissionen aus, also etwa auf Brände, Erschütterungen, Niederschlags- und Leitungswasser.
Verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch
Außerdem reicht es aus, dass der Geschädigte aus besonderen Gründen nicht in der Lage war, den Schaden abzuwehren. In diesen Fällen hat der Geschädigte einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch. Dafür muss er – anders als dies ansonsten im Schadensersatzrecht erforderlich ist – nicht nachweisen, dass der Schädiger schuldhaft gehandelt hat.
In der Begründung zu ihrem Urteil haben die Karlsruher Richter zunächst nochmals deutlich gemacht, dass es im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Eigentümern benachbarter Grundstücke in der Rechtsprechung anerkannt sei, dass dem beeinträchtigten Grundstückseigentümer beziehungsweise dessen Mieter ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch zustehen könne.
Gleiches gelte nach Ansicht des BGH auch im Verhältnis von Sondereigentümern (oder deren Mietern), weil es sich bei dem Sondereigentum um „echtes Eigentum“ handele, das dem Wohnungseigentümer alleine zustehe.
Besonderheit des BGH-Urteils
Der Eigentümer könne mit diesem grundsätzlich nach Belieben verfahren und jeden anderen von Einwirkungen hierauf ausschließen. Da das Sondereigentum als eine Art Ersatzgrundstück fungiere, seien die Wohnungseigentümer insoweit wie Eigentümer benachbarter Grundstücke zu behandeln.
Die Besonderheit des Urteils vom 25. Oktober 2013 ist nunmehr, dass der BGH bisher den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch auf Mieter mit demselben Vermieter im nicht in Wohnungseigentum aufgeteilten Haus nicht anwendet.
Wenn ein Haus nicht in Wohnungseigentum aufgeteilt ist, fehle es nach Ansicht des BGH nämlich an einem von außen kommenden Eingriff in ein fremdes Grundstück. Auch dann, wenn bei Wohnungs- oder Teileigentum ein Schaden vom Gemeinschaftseigentum ausgeht – platzt beispielsweise eine im Gemeinschaftseigentum stehende Wasserleitung und führt dies zu Schäden im Sondereigentum –, kommt es nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht zur Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches.
Für die Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichanspruches, der ohne Verschulden gegeben ist, ist folglich zukünftig unter anderem danach abzugrenzen, ob eine Aufteilung in Wohnungseigentum erfolgt ist oder nicht.
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