Wohnungsmangel in Deutschland: 10 Maßnahmen zur Lösung des Problems

Tomas Peeters
Foto: Florian Sonntag
Tomas Peeters, Baufi24 und Bilthouse-Gruppe

Es ist ein Desaster mit Ansage: Deutschland fehlt es an bezahlbaren Wohnungen. Gleichzeitig verstärkt die niedrige Eigentumsquote die Altersarmut. Ein Plädoyer von Tomas Peeters, Vorstandsvorsitzender von Baufi24 und CEO der Bilthouse-Gruppe, warum Deutschland dringend eine stärkere Wohneigentumsförderung benötigt und welche Maßnahmen es dafür braucht.

Der Immobilienmarkt erlebt eine Zeitenwende. Nach einer Dekade im Autopilotmodus herrscht seit dem vierten Quartal 2022 ein regelrechter Käuferstreik, der sich als logische Konsequenz aus der geringen Kaufkraft entwickelt hat. Durch eine Vielzahl an negativen Einflussfaktoren wurden Käufer wie auch Verkäufer, Bauträger und Banken auf dem Höhepunkt des Booms kalt erwischt: 

  • Der historisch einmalige Anstieg der Bauzinsen binnen nicht mal einem Jahr um den Faktor 4
  • Die Rekordinflation und die massiv gestiegenen Energiekosten schmälern die Kaufkraft von Interessenten; die Haushaltspauschalen haben sich signifikant erhöht.
  • Die Kaufpreise von Immobilien sind nach einem zwölfjährigen Anstieg entsprechend zu hoch. Das Preisniveau müsste bundesweit um 15 bis 20 Prozent sinken, um wieder akzeptable Annuitäten zu realisieren.
  • Banken- und Sparkassen haben aufgrund der BaFin-Auflagen stellenweise noch immer zu hohe Tilgungen in der Korrelation zu den Zinssätzen.
  • Die Bauindustrie leidet unter Lieferkettenproblemen und kaum kalkulierbaren Preisen, so dass viele Projekte brach liegen.
  • Energetische Sanierungen („Klimaneutraler Gebäudebestand“) erfordern in einem hohen Maße Finanzierungen, werden jedoch von den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erschwert. 

Das Wohnungsproblem wird zur tickenden Zeitbombe bei der Altersvorsorge 

Die unerwartete Schieflage auf dem Immobilienmarkt kommt zur absoluten Unzeit, zumal Deutschland ohnehin seit Jahren unter Wohnungsmangel leidet. Die Folge: Die zwei Leuchtturmprojekte der Bundesregierung drohen verfehlt zu werden – nämlich 400.000 neue Wohnungen p.a. zu schaffen und klimaneutrales Wohnen ab 2035 zu ermöglichen.

Auch gesellschaftlich wird das Wohnungsproblem zur tickenden Zeitbombe bei der Altersvorsorge. Aktuell ist bereits jeder sechste Mensch über 65 Jahren von Armut bedroht – vor 15 Jahren fiel nur jeder zehnte Rentner unter die Armutsgrenze. Und das ist erst der Anfang: In den 2030er-Jahren dürfte bereits jeden fünften Senior ein Lebensstandard unter der Armutsgrenze betreffen, wie die Bertelsmann Stiftung errechnet hat. Das Rentenniveau sinkt unterdessen immer dramatischer ab – von aktuell 48 Prozent des mittleren Einkommens auf 42 Prozent im Jahr 2050.

Maßgeblichen Anteil hat daran die besorgniserregend geringe Wohneigentumsquote der Bundesbürger von nicht einmal 50 Prozent. Weil nicht nur die Inflation, sondern im Zuge dessen auch maßgeblich die Mieten deutlich ansteigen, droht immer mehr Ruheständlern ein regelrechter Rentenschock. Die Konsequenz: Die Bundesbürger brauchen mehr Wohneigentum, ansonsten landen immer mehr Rentner in der Grundsicherung.

Deutschland beim Besitz von Wohneigentum im EU-Vergleich Schlusslicht

Die Notwendigkeit von privater Bauförderung erscheint umso dringender, da Deutschland beim Wohneigentum im EU-Vergleich das Schlusslicht bildet – im gesamteuropäischen Vergleich weist lediglich die Schweiz eine noch geringere Quote als die Bundesrepublik auf. Nach Angaben von Eurostat lebten Ende 2021 nicht einmal die Hälfte – 49,5 Prozent der deutschen Bevölkerung – in den eigenen vier Wänden, in Österreich waren es ebenfalls nur 54 Prozent. Der Abstand zu den europäischen Nachbarn ist enorm: So liegen die Niederlande, Finnland, Luxemburg und Belgien mit 70 bis 71 Prozent im Mittelfeld, während in Spanien 76 Prozent, in Norwegen 81 Prozent der Bürger und in Polen gar 87 Prozent der Bürger im eigenen Heim leben.

Die Diskrepanz zwischen Mietern und Eigentümern in Deutschland in Bezug auf ihr Nettovermögen ist zudem signifikant. Während Personen in Mieterhaushalten im Jahr 2020 nur über ein Nettovermögen von rund 35.500 Euro verfügten, belief sich dieses bei Personen in selbstgenutztem Wohneigentum laut Bundeszentrale für politische Bildung im Durchschnitt auf 222.000 Euro. 

Kern des Problems: Deutschland ist Vermieterland

Die Gründe für die deutsche Misere sind zahlreich. Historisch betrachtet ist Deutschland ein (Ver-) Mieterland – und zwar die Nummer eins der EU.

Die Mieten sind im Vergleich zu den meisten EU-Staaten bereits hoch – vor allem in den Großstädten. So machen die Wohnkosten in Deutschland im Durchschnitt 26 % der verfügbaren Einkommen aus, wodurch es für viele Menschen schwierig ist, sich ein Eigenheim leisten zu können. Das liegt auch an dem vergleichsweise hohen Preisniveau für Wohnimmobilien: So wies Deutschland nach Großbritannien 2022 den zweithöchsten Preis für Wohneigentum in Europa auf. Grund dafür ist nicht zuletzt der Immobilienboom der vergangenen Dekade, in der der Preis für Wohnimmobilien um rund 65 Prozent zugelegt hat.  

Entsprechend hoch sind die Eintrittshürden auf dem deutschen Wohnungsmarkt, insbesondere in den großen Städten. Dazu gehören nicht zuletzt die hohen Anzahlungen und hohen Nebenkosten, die sich auch durch Grunderwerbsteuer, Notarkosten, Grundbucheintragungen und Maklergebühren schnell auf 12 bis 13 Prozent des Kaufpreises belaufen.

In Deutschland gibt es im Vergleich zu anderen Ländern zudem weitaus weniger steuerliche Anreize für den Kauf einer Eigentumswohnung oder eines Hauses. Vermieter werden dagegen vom Staat regelrecht hofiert: Es besteht eine Bevorteilung von Immobilienkonzernen, die bauen, um zu vermieten.

Ein erhebliches Problem stellt dabei auch die steuerliche Behandlung dar. Jeder Kapitalanleger kann die Grunderwerbsteuer absetzen – Privatpersonen, die eine Immobilie zur eigenen Nutzung erwerben, hingegen nicht. Die Grunderwerbsteuer ist zudem komplex: Sie wird abhängig vom Bundesland prozentual festgelegt, ohne dass es eine absolute Obergrenze gibt. Das Gleiche gilt auch für die energetische Sanierung.

Vom Ausland lernen, wie man Immobilieneigentum steuert   

Auffällig: Die Erwerbsnebenkosten im europäischen Vergleich fallen deutlich niedriger aus. Entsprechend höher sind die Anreize für potenzielle Käufer, wie ein Blick auf die europäischen Nachbarn unterstreicht:   

  • Niederlande: Die Nebenkosten beim Immobilienerwerb machen kaum ein Drittel des deutschen Niveaus aus. Die Grunderwerbsteuer liegt bei lediglich zwei Prozent – für Käufer unter 35 Jahren entfällt sie ganz, was jungen Familien den Traum vom Eigenheim erleichtern soll. Hypothekenzinsen für Wohneigentum können zudem von der Steuer abgesetzt werden – das können in Deutschland nur Vermieter
  • Großbritannien: Auf dem Inselstaat liegen die Nebenkosten beim privaten Immobilienerwerb bei rund einem Viertel des Betrags von deutschen Eigenheimkäufern.
  • Sowohl in Großbritannien als auch den Niederlanden sind die Kosten der Grundbucheintragung deutlich geringer und streng reguliert.
  • In Belgien, Dänemark und den Niederlanden gilt das Bestellerprinzip: Der Verkäufer einer Immobilie finanziert den Makler bei der Vermittlung. Die Provision, die in der Bundesrepublik zwischen fünf und sieben Prozent des Kaufpreises der Immobilien verschlingt, fällt dem privaten Eigenheimerwerber damit nicht mehr zur Last.
  • Dänemark: Der nordische Nachbar macht es vor – eine Grunderwerbsteuer gibt es für Wohnimmobilienkäufer nicht.
  • Schweiz: In der Alpenrepublik wird der Immobilienerwerb wie ein Altersvorsorgeprodukt behandelt sowie durch entsprechende finanzielle Anreize und steuerliche Vorteile attraktiver gemacht. So kann Geld aus der Altersvorsorge im Falle eines Wohnungs- oder Hauskaufs früher ausgezahlt werden (3. Säule der Altersvorsorge).

Deutschland braucht eine Initiative zur privaten Eigentumsförderung

Deutschland kann bei Vergünstigungen und Förderungen für private Haushalte von den europäischen Nachbarn viel lernen. Mehr noch: Um Abhilfe zu schaffen, wird dringend eine durch Bund und Länder gestützte Wohn- und Finanzierungsinitiative benötigt. Folgende 10 Maßnahmen sollten dafür angestoßen werden: 

  1. Förderung des Wohneigentums durch die Wiedereinführung einer Eigenheimzulage (wie 1995 bis 2005)
  2. „Förderung von Neubau durch die KfW mit einem Wohneigentumsprogramm zu deutlich reduzierten Konditionen – v.a. für kleine und mittlere Haushalte.“
  3. Verzicht auf die Grunderwerbsteuer beim Ersterwerb. Steuervorteile sollten gewährt, die Immobilie bei der Altersvorsorge als Entlastung miteinbezogen werden
  4. Angleichung der Vorteile für Kapitalanleger an Erstkäufer. Private Erstkäufer sollten Kreditzinsen komplett von der Steuer als Rentenbaustein absetzen können. Auch die energetische Sanierung sollte steuerlich absetzbar sein.
  5. Anerkennung eines KfW-Kredits als Eigenkapital nach dem Vorbild von Schleswig-Holstein. Auf diese Weise verfügen Schleswig-Holsteiner über „mehr“ Eigenkapital und bekommen dadurch bessere Konditionen bei der Hauptbank. Eigentumserwerb ohne Eigenkapital wird so einfacher möglich.
  6. Bürgschaften des Landes, der Gemeinde oder Stadt für Finanzierungen von energetischen Sanierungsmaßnahmen
  7. Incentivierung von nachhaltigen Bauweisen
  8. Überprüfung diverser BaFin-Auflagen zur Flexibilisierung der Wohnungsbaukreditvergabe bei Banken und Sparkassen
  9. Steuerliche Förderung von Arbeitgeberdarlehen als Eigenkapitalersatz für Mitarbeiter mit kleineren und mittleren Einkommen
  10. Förderung von Aus- und Weiterbildungen für Energieberater, um die Maßnahmen schneller zu erfassen und freizugeben.

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