Wir sprachen über Überschwemmungen. Stichworte sind Zürs und Versicherbarkeit. Der GDV argumentiert, 99,5 Prozent der Gebäude ließen sich versichern. Wenn allerdings Versicherer nur bis ZÜRS-3 versichern oder darüber hinaus Zuschläge berechnen, die viele nicht bezahlen wollen, ist die Argumentation hinfällig.
Neuhalfen: Wir haben über 150 Gesellschaften und unterschiedlichste Angebote. Die Zonen 1, 2 und 3 sind unproblematisch. Die Zürs-Zone 4 ist ein Problem, das sich aber über die Selbstbeteiligung lösen lässt. Für die Zone 4 lautet die Definition, dass statistisch der Schaden mindestens einmal in zehn Jahren geschieht.
Wenn ein Haus 300.000 Euro kostet, kann man diesen Wert durch zehn Jahre teilen, dann durch zwölf Monate und erhält damit die ungefähre Beitragssumme pro Monat nur für das nackte Risiko, und dann kommen noch die kalkulatorischen Kosten dazu.
Und die wird für nicht wenige nicht erschwinglich sein. Würden wir dieses Prinzip verlassen, würden wir das Kollektiv schädigen. Und das kann nicht der Fall sein. Es gibt leider Gegenden, in denen der Versicherungsschutz teuer wird oder mit klassischen Instrumenten nicht mehr bereitgestellt werden kann. Das gilt allerdings nicht nur für die Elementarschadenversicherung, sondern für viele andere Elemente der Kompositversicherung.
Brand: Als Assekuradeur sind wir sehr stark an einem partnerschaftlichen Miteinander mit den Versicherungsgesellschaften interessiert. Wir nennen uns in unserer strategischen Positionierung aber auch Freund des Maklers. Unsere Ausrichtung zielt darauf ab, dass wir für 100 Prozent der möglichen Risiken auch eine Versicherungslösung anbieten können.
Und da stellen wir fest, dass wir vor ganz speziellen Herausforderungen stehen: Einerseits gibt es die berechtigten, aktuariellen Argumente der Versicherer. Auf der anderen Seite aber die Wahrnehmung der Kunden. Und dazu gehören ZÜRS-4-Zonen ebenso wie denkmalgeschützte Gebäude oder Ferienimmobilien, wo sich oftmals gar keine Lösung finden lässt.
Welche Bedeutung hat der Elementarbaustein in der Hausratversicherung?
Brand: Wenn ich im dritten Stock wohne, frage ich mich, wo eine Überschwemmung stattfinden soll. Doch wenn der Keller voll gelaufen ist und das Haus dadurch unbewohnbar, komme ich auch im dritten Stock nicht mehr in meine Wohnung.
Und wenn ich dann am Versicherungsschutz gespart habe und beispielsweise die Hotel- und Unterbringungskosten mangels Schadenfall nicht versichert sind, kann ich mich hinterher ärgern, dass ich mich gegen die Elementarschäden nicht abgesichert habe. Aber das sind Argumente, die sich einem nicht unmittelbar selbst erschließen und erst im Beratungsgespräch offensichtlich werden. Und darin liegt auch der Charme von Versicherungsprodukten.
Neuhalfen: Starkregen kommt nicht nur senkrecht. Und wenn durch Hagelschlag möglicherweise ein Fenster eingeschlagen wurde, ist der Wohnraum beschädigt. In der Hausratversicherung gibt es seltener Elementarschäden als in der Wohngebäudeversicherung.
Deswegen ist der Hausrat-Elementarschadenschutz auch günstiger und in aller Regel mit niedrigeren Selbstbehalten verbunden als in der Wohngebäudeversicherung, wo die Schadenpotenziale ja deutlich höher sind. In der Wohngebäudeversicherung sprechen wir im Schadenfall von bis zu sechs- bis siebenstelligen Beträgen. Also ist die Frage Absicherung ja oder nein in der Tat eine Abwägungs-, Aufklärungs- und Beratungsfrage.
Die Schäden durch Rohrbrüche oder Leitungswasser sind größer als durch Elementargefahren. Wird das Risiko unterschätzt? Und welche Vorteile bieten Smart-Home-Bausteine?
Neuhalfen: Rund 80 Prozent der Haushalte hierzuland besitzen eine Hausratversicherung. In aller Regel dürfte die Leitungswassergefahr und somit der klassische Rohrbruch mitversichert sein. Das gilt bei Wohngebäuden ähnlich, dort ist Leitungswasser ein Teil der klassischen Gefahren.
Sie sagen zu Recht, die Versicherungswirtschaft nimmt seit Jahren auch mehr Rohrbrüche, Leitungswasserschäden wahr. Das hat verschiedene Gründe – die Häuser werden älter. Und wenn Rohrsysteme alt werden, hat das Folgen. Was ist die Konsequenz? Die Prämien steigen. Daher nimmt das Thema Prävention nun einen größeren Raum ein. Es gibt Technologien, die den Rohrbruch bereits zu Beginn entdecken.
Dann müssen eben nicht 30 Zentimeter Wasser im Keller stehen, bevor man den Schaden merkt. Smart Home ist hier ein hochtrabender Begriff für relativ banale Technik. Und wir sprechen nicht nur von Smart Home. Wir haben alle moderne Technik zu Hause stehen: ob das der internetfähige Fernseher ist oder die Sprachboxen. Jeder hat einen privaten Rechner und in der aktuellen Corona-Situation sitzen viele Menschen zu Hause mit privaten Rechnern, sind aber in Unternehmensnetzwerken aktiv.
Eine kritische Situation insbesondere, wenn man darüber nachdenkt, dass einiges sich wahrscheinlich nicht mehr zurückdrehen lässt an dieser Entwicklung. Das sind neue Risiken, die in der Hausratversicherung mit eingeschlossen werden müssen. Am Ende des Tages bleibt es eine vertriebliche Aufgabe, Bewusstsein zu schaffen und zu überzeugen.
Brand: Ich glaube, das Bewusstsein für die Wertigkeit des eigenen Hausrats ist nicht immer vorhanden. Und mit Smart Home kommen ganz neue Risiken hinzu. Man hat die Technologien und den Vorteil, die Heizung steuern, die Tür öffnen und die Fenster schließen zu können.
Dadurch entstehen natürlich neue Risiken, weil auch der Dieb weiß, dass das digitale Öffnen und Schließen ganz neue Optionen eröffnet. Man braucht eine Wohnungstür nicht mehr aufzubrechen, wenn man den Öffnungscode auslesen kann. Und da kommen wir zu dem Thema der prinzipiellen Begriffsdefinitionen. Im analogen Zeitalter komme ich nur in eine Wohnung, wenn ich einbreche. Für die Schadenregulierung benötigen Versicherer laut Bedingungswerk üblicherweise Einbruchsspuren.
Jetzt steht die Tür offen und Spuren gibt es nicht. Und damit stellt sich die Frage, hat der Versicherte die Tür offen stehen lassen oder wurde er ausgespäht und der Schaden dadurch verursacht? Das heißt, auch die Versicherungsbedingungen müssen sich ändern. Wenn man über Smart-Home-Bausteine nachdenkt, muss man nicht nur digitale Features, die verbaut und mitversichert sind, berücksichtigen, sondern bestimmte Risiken, die aus den Features selbst entstehen können.
Da sind wir beim Thema der digitalen Forensik, einen Begriff, den es erst in der jüngeren Vergangenheit gibt. Dies ist ganz wichtig und muss auch in den Bedingungswerken abgebildet sein, um eine vernünftige Smart-Home-Lösung anbieten zu können.
Wie groß sind die Cybergefahren bei Smart Home?
Nairz: Smart Home ist sicherlich ein Thema, das sehr viele Menschen interessiert. Allerdings ist die Durchdringung im deutschen Markt ist noch relativ gering. Dennoch: etwa im Fertighausbereich werden sehr viele Smart-Home-Technologien bereits verbaut.
Herr Brand hat es angesprochen: Das Paradebeispiel sind Einbruchsspuren. Wenn es um Hauseinbrüche geht, sind die Einbruchsspuren als Voraussetzung oft in alten Vertragsbedingungen noch enthalten. Sehr vielen Kunden ist nicht bewusst, dass es dort unter Umständen keinen Versicherungsschutz gibt, weil ein Cyberangriff auf ein Smart-Lock nicht so einfach nachgewiesen werden kann. Auf solche Risiken oder Herausforderungen müssen die Versicherer jetzt definitiv reagieren.
Wir schauen uns das sehr genau an, weil wir als digitaler Versicherer dort eine Vorreiterrolle einnehmen wollen. Dabei geht es um Smart Locks, um Fenstersteuerungen ebenso wie um Ökosysteme rund um das Thema „Home“. Letzteres muss mit dem richtigen Partnern aufgebaut werden, die das Thema Kundenschutz neu denken und die die klassische Versicherung durch innovative Leistungen und Services ergänzt.
Das reicht von Präventionsmaßnahmen bis hin zum schnelleren Erkennen eines Schadenereignisses. Es eröffnen sich dadurch ganz neue Möglichkeiten, um Kunden einen besseren Versicherungsschutz und sofortige Hilfestellung bei einem Zwischenfall anbieten zu können.
Wenn man sich die Veränderungsgeschwindigkeit anschaut. Wie oft sollte man eigentlich eine Hausratversicherung anpassen?
Brand: Branchenweit ist es unstrittig, mindestens einmal im Jahr die individuelle Risikosituation zu überprüfen. Im letzten Jahr wurden rund zwei Millionen E-Bikes in Deutschland verkauft. Wer hat sein E-Bike versichert? Man hat eine Fahrraddiebstahlversicherung, die irgendwo in der Größenordnung von einigen hundert Euro liegt.
Ein E-Bike kostet schnell das Dreifache. Die Veränderung der Lebenswelt führt üblicherweise nicht dazu, dass sich die Lücke im Versicherungsschutz schließt. Wenn ich einen Vertrag mit Innovationsklausel habe, kann ich mir bestimmte Arbeit sparen. Bei Altverträgen ist diese Klausel allerdings nicht enthalten. Daher halte ich es für wichtig, dass man sich einmal im Jahr mit seine Verträgen auseinandersetzt.
Neuhalfen: Autos müssen alle zwei Jahre zur Inspektion. Warum ist es bei der eigenen Risikosituation anders? Es gibt moderne Deckungen mit Innovationsklauseln oder Bestleistungsgarantien. Aber wir haben Millionen Verträge in Deutschland, die wahrscheinlich seit Jahrzehnten nicht mehr angefasst wurden. Leider tauchen Defizite des alten Vertrags erst im Schadenfall auf.
Dann ist es zu spät. Also kann man nur empfehlen, die Verträge mit einem Berater seines Vertrauens durchzusprechen. Es gibt vielfältige Angebote und der Markt ist zu komplex für den normalen Verbraucher. Digitale Tools und Vergleiche sind hier absolut hilfreich und wichtig und bringen wirklich Vorteile für alle Seiten. Aber es geht aufgrund der Komplexität eben nicht ohne persönliche Beratung.
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