„Wunsch nach Planbarkeit und Flexibilität“

Foto: Andreas Pohlmann Fotografie
André Lichner, Prohyp

Trotz der in Aussicht stehenden Impfstoffe ist die Coronakrise noch lange nicht vorbei. Bis weit in das Jahr 2021 hinein erwarten Experten weitreichende Folgen der Pandemie für Wirtschaft und Gesellschaft. Was das für den Baufinanzierungs- und Immobiliensektor bedeutet, darüber sprach Cash. mit André Lichner, Geschäftsführer von Prohyp in München.

Deutschland ist weiterhin im Corona-Modus. Was bedeutet das für die Baufinanzierungsberatung durch Vermittler?

Lichner: Die meisten Vermittler, mit denen wir zusammenarbeiten, haben in Folge der Corona-Maßnahmen bereits im Frühjahr ihre Beratung umgestellt – und dabei zeitweise komplett auf die Begleitung ihrer Kunden per Telefon, per Video und per Screensharing gesetzt. Das hat, so haben uns viele unserer Prohyp-Partner berichtet, insgesamt gut funktioniert, und das zeigen auch unsere Zahlen.

In einem ähnlichen Modus sind wir jetzt wieder. Aufgrund der Erfahrungen im Frühjahr fällt die erneute Umstellung vielen aber leichter. Die Kontaktbeschränkungen haben jedoch selbstverständlich auch negative Seiten: So ist es für Vermittler, für die die Akquise in der analogen Welt ein wichtiger Bestandteil ist, schwieriger, Neukunden zu gewinnen. Das wirkt sich bei Einzelnen wiederum aufs Geschäft aus.

Wie sind die Vermittler bislang durch die Krise gekommen und welche Auswirkungen könnte der erneute (Teil-)Lockdown für sie haben?

Lichner: Der Großteil ist bislang gut durch die Corona-Krise gekommen. Wir haben zu Beginn eine starke Nachfrage vor allem in der Anschlussfinanzierung registriert, Kauf/Bau ging ein wenig zurück. Erstfinanzierungen haben dann wieder angezogen. So konnten wir mithilfe unserer Prohyp-Partner trotz der Corona-Krise mehrere Rekordmonate bei den Abschlüssen verzeichnen und werden in diesem Jahr erneut stark wachsen.

Trotzdem bin ich auch nachdenklich: Denn nicht wenige Menschen, die es noch vor einigen Monaten für unmöglich hielten, sind in Kurzarbeit oder haben sogar ihre Arbeit verloren. Ganze Branchen stehen bekanntermaßen vor elementaren Herausforderungen. Das ist tragisch. Die meisten unserer Prohyp- Partner und wir sehen bislang zwar keine Auswirkungen, was die Anzahl der Nachfragen betrifft, doch falls uns die Corona- Pandemie noch lange Zeit in der jetzigen Form begleiten sollte, könnte sich das ändern – zumindest in Ansätzen.

Inwiefern hat sich das Verhalten der Endkunden verändert – und könnte sich noch verändern?

Lichner: Insgesamt sehen unsere Prohyp-Partner und wir, dass der Wunsch nach Planbarkeit und Flexibilität bei Baufinanzierungen noch mehr in den Fokus gerückt ist. Das zeigt die durchschnittliche Länge der Zinsbindung mit mehr als 13 Jahren sowie die vermehrte Nachfrage nach möglichen Tilgungssatzwechseln.

Immobilieninteressenten möchten sich den niedrigen Zins auf lange Zeit sichern und zugleich auf sich verändernde Lebenssituationen reagieren können. Ich denke, dass dies in gewisser Weise auf das hohe Maß an Ungewissheit zurückzuführen ist, das uns zurzeit begleitet. Und ich bin deshalb überzeugt, dass sich dieser Ansatz – Planbarkeit mit Flexibilität zu kombinieren – fortsetzen wird.

Inwieweit könnte die Corona-Krise einen Impuls zur Wohneigentumsbildung geben, bei der Deutschland im europäischen Vergleich weit hinten rangiert?

Lichner: Es mag auf den ersten Blick paradox klingen: Aber ich habe den Eindruck, dass die Corona-Krise bereits einen Impuls zur Wohneigentumsbildung gegeben hat. Am Anfang haben wir beziehungsweise unsere Prohyp-Partner, wie erwähnt, eine gewisse Zurückhaltung bei Erstfinanzierungen erlebt. Doch das hat sich ins Gegenteil verkehrt.

Die Gründe? Viele Menschen haben sich in dieser Ausnahmesituation stärker damit beschäftigt, wie sie wohnen möchten, und vielen ist dabei klargeworden, dass ein eigenes Zuhause nicht nur einen hohen finanziellen Wert, sondern auch einen hohen emotionalen Wert haben kann. Der Trend zum Homeoffice ermöglicht außerdem vielen eine größere Unabhängigkeit: Fahrtwege entfallen, man kann sich deshalb mehr danach richten, wo man wirklich wohnen möchte.

Infolge Corona sind die Bauzinsen hierzulande auf einen neuen Tiefstand gesunken. Was bedeutet das für Käufer und Anleger? In welche Richtung werden sich die Zinsen entwickeln?

Lichner: Der Tiefstand bei den Bauzinsen ist für viele Käufer und Investoren zweifelsohne ein wichtiges Argument fürs Kaufen. Meiner Meinung nach sprechen derzeit auch viele Gründe dafür, dass Baugeld auf längere Sicht günstig bleibt. Sollte ein Corona-Impfstoff überraschend schnell für viele Menschen zur Verfügung stehen, könnte sich ein gewisser Anstieg des Zinsniveaus abzeichnen. Aber den halte ich für begrenzt. Zu umfassend sind derzeit die politischen und wirtschaftlichen Krisen und Konflikte rund um den Globus. So verwundert es mich nicht, dass große Notenbanken wie EZB und FED mehrfach Hinweise darauf gegeben haben, dass sie die Leitzinsen, die ja indirekt Auswirkungen auf die Bauzinsen haben, auf Jahre hinaus niedrig halten könnten.

Dabei muss man auch sagen: Zum einen machen die niedrigen Bauzinsen den Kauf attraktiv. Zum anderen merken unsere Prohyp-Partner, dass einige potenzielle Kunden wenig Handlungsdruck verspüren – es sei denn, sie haben ihr Traumhaus gefunden. Auch sind die niedrigen Zinsen bekanntermaßen ein Grund für die vor allem in Metropolen stark gestiegenen Immobilienpreise. Die werden zwar auch durch höhere Einkommen in großen Teilen wieder wettgemacht. Trotzdem sind die Preise für den einen oder anderen, der gerne kaufen würde, ein großes Hindernis.

Kommen wir zum Thema Digitalisierung, das Sie ja in Bezug auf die Beratung schon angeschnitten haben. Die Corona- Krise hat es sehr schnell erforderlich gemacht, diese rasch voranzutreiben. Wo lagen dabei die größten Herausforderungen und wie digitalaffin sind Ihre Partner mittlerweile?

Lichner: Eine große Herausforderung war natürlich, dass von einem Tag auf den anderen fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Homeoffice beordert wurden. Zumindest haben wir das bei Prohyp so gehandhabt – und halten daran vorerst fest. Banken mussten zudem zum Beispiel auf Besichtigungen verzichten oder diese per Video durchführen. Viele Institute haben auch insofern eine große Flexibilität gezeigt, als dass sie Besichtigungen verschoben und den Kredit vorab genehmigt haben.

Ein anderes Beispiel: Banken ließen zu, dass sich Kunden per Post- oder Video-Ident-Verfahren identifizieren konnten, statt persönlich in eine Filiale gehen zu müssen. Unsere Vermittler wiederum ersetzten Vor-Ort-Termine in erster Linie durch Beratungen per Telefon, Bildtelefonie oder durch Videokonferenzen. Einige waren das mehr gewohnt als andere. Unsere Partner sind durchaus digitalaffin – allein das Arbeiten mit der Baufinanzierungsplattform ist für sie ja Alltag. Aber der Austausch von Angesicht zu Angesicht mit ihren Kunden ist ihnen natürlich auch ein großes Bedürfnis.

Welche Bedeutung hat die Digitalisierung derzeit für den Finanzierungsprozess? Ist die papierlose Baufinanzierung bereits Realität und welches Potenzial bietet sich durch die Digitalisierung für das Neugeschäft?

Lichner: Die papierlose Baufinanzierung ist bereits Realität – von kleinen Prozessbestandteilen abgesehen. Die Kunden unserer Prohyp-Partner können zum Beispiel ihre Schriftstücke per Link an den Vermittler schicken, die Seiten sortiert dann unser Unterlagenmanager automatisch in die richtigen Kategorien. Über die eHyp-Plattform kann die Finanzierung schließlich digital eingereicht werden – von uns oder mitunter auch von den Vermittlern selber.

Die digitale Einreichung ist inzwischen bei nahezu 100 Prozent unserer Finanzierungspartner Realität. Diese Möglichkeit hat den Baufinanzierungsprozess maßgeblich beschleunigt, auch wenn seit der Corona-Pandemie längere Genehmigungszeiten ein Thema sind.

Und nicht zuletzt: Wie reagiert Prohyp auf die Veränderungen und was hat das Unternehmen in näherer Zukunft an technischen Neuerungen geplant?
Lichner: Wir setzen die gesamte Architektur unser Baufinanzierungsplattform neu auf und werden in mehreren Schritten für unsere Vermittler, deren Kunden und unsere Bankpartner ein völlig neues Baufinanzierungserlebnis schaffen.

Zunächst wird es im ersten Quartal kommenden Jahres einen geschlossenen Bereich für die Kunden der Prohyp-Partner geben. Dort können die Endkunden Finanzierungsangebote einsehen, Unterlagen direkt hinterlegen und sich stets über den Stand ihrer Baufinanzierung informieren. Danach nehmen wir uns die technische Umgebung für unsere Vermittler und dann die für unsere Bankpartner vor.

Die Fragen stellte Frank O. Milewski, Cash.

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