Ein altbekanntes Mantra aus der Portfoliotheorie besagt, dass Investoren nicht alle Eier in denselben Korb legen sollten – Diversifikation ist das Stichwort. Doch wie sieht das optimale Portfolio aus? Welche Rolle spielen die vermeintlich sicheren Häfen? Was bedeutet Diversifikation für Klienten mit unterschiedlich großen Vermögen?
In erster Linie geht es bei Diversifikation um das Verteilen von Kapital auf unterschiedliche Anlageklassen. Dazu gehören Bargeld, Aktien, Anleihen, Immobilien, Rohstoffe oder auch Krypto. Bei Anlegern mit geringen Vermögen sollten vor allem die Anlageklassen Bargeld und Aktien eine Rolle spielen. Warum?
Wer am Anfang steht, sollte in erster Linie sparen und sein Vermögen mehren. Neben einem soliden Notgroschen, der sich an regelmäßigen Verpflichtungen und dem monatlichen Bedarf orientiert, können Aktien den Einstieg in den Vermögensaufbau bedeuten. Aktien sind also das erste Mittel der Wahl, wenn es um den Vermögensaufbau geht. Da diese Anlageklasse zudem äußerst flexibel ist, eröffnet sie Anlegern – egal wie groß das Vermögen ist – auch vielfältige Möglichkeiten. Etwa die einfache Steuerung des Risikos. Doch dazu später mehr. Neben Aktien können mit wachsendem Vermögen Rohstoffe, die etwa in Form von Gold und Silber einen gewissen Krisenschutz und in Form von Öl einen gewissen Inflationsschutz versprechen, ein Portfolio ergänzen.
Diese Anlageklasse wird aber erst ab rund 300.000 Euro Vermögen wirklich interessant. Auch ist es wichtig, dass Selbstentscheider und Berater Rohstoffe als eine Art Versicherung sehen und den Anteil am Gesamtportfolio mit fünf bis zehn Prozent nicht zu groß wählen. Das gilt insbesondere für Edelmetalle, die eher eine Sicherheit, denn ein Renditebringer sind.
Etwas aus der Mode gekommen sind in den vergangenen Jahren zu Recht Renten und Anleihen. Der Grund lag in der über Jahre lockeren Geldpolitik und den negativen realen Verzinsungen. Aktuell wartet zwar eine Zinswende am Horizont, doch steigt die Inflation zeitgleich dies- und jenseits des Atlantiks auf ein Niveau wie seit vierzig Jahren nicht. Inflationsraten über sieben Prozent machen Anleihen selbst in einer neuen Zinsrealität nicht wirklich attraktiv. Der Grund: Angesichts der fragilen Entwicklung der Weltwirtschaft im Zuge der Krisen ist nicht ausgeschlossen, dass die Zinswende gar nicht so deutlich ausfällt, wie von einigen Beobachtern erwartet. Die Anlageklasse Anleihen können Investoren aktuell also getrost noch ein wenig hintenanstellen. Langfristig kann sich das vor allem für nach der Zinswende emittierte Papiere aber wieder ändern.
Krypto: In diesem Fall besser Finger weg!
In aller Munde sind aktuell auch die beiden Anlageklassen Immobilien und auch Krypto. Für Berater besteht bei Immobilien angesichts der stark gestiegenen Preise wenig Handlungsbedarf. Hinzu kommt, dass die meisten Kunden ohnehin bereits Immobilien mitbringen. Da Wohnungen und Häuser große Mengen an Kapital binden, ist diese Anlageklasse bei vielen Anlegern bereits ausgereizt Gründe, hier weiter aufzustocken, gibt es wenige. Immer populärer werden auch Investments in die Krypto-Branche. Inzwischen gibt es tausende Krypto-Währungen, die oftmals spannende Projekte repräsentieren und für spekulativ orientierte Anleger Chancen bieten. Doch sollten vor allem Anleger mit kleineren Vermögen darauf achten, dass die Anlageklasse im Portfolio nicht überrepräsentiert ist. Investments in Höhe von drei bis fünf Prozent in die größten Werte reichen aus.
Auch sollten sich Investoren der Schwankungen am Kryptomarkt bewusst sein. Wer drei Prozent seines Vermögens in die gängigsten Coins investiert hat und Rückschläge von zehn bis zwanzig Prozent nicht aushalten kann, muss sich fragen, ob Krypto wirklich ein geeignetes Betätigungsfeld ist. Wenn Anleihen unattraktiv sind, Immobilien teuer, Rohstoffe ein Schutz für größere Vermögen und Krypto für Mutige, was bleibt dann noch übrig? Aktien! Glücklicherweise handelt es sich bei Aktien um die Anlageklasse, die am vielseitigsten und flexibelsten und mit ihren Eigenschaften sowohl für junge Sparer am Anfang des Vermögensaufbaus, als auch für Super-Reiche die erste Wahl ist. Warum? Der Aktienmarkt repräsentiert Unternehmen aus verschiedenen Bereichen: Von der Burger-Kette, über den Rohstoff-Förderer bis zum Hersteller von Elektroautos oder Biotech-Titeln – von konservativ bis spekulativ bieten Aktien Anlegern die gesamte Bandbreite. Es obliegt mündigen Investoren oder den erfahrenen Beratern, den richtigen Mix im schier unendlichen Aktien-Universum zu finden.
Aktien kennen keine Grenzen
Damit kommen wir zur zweiten Dimension des Begriffs Diversifikation. Da Aktien Anteilscheine von Unternehmen sind, die in jedem Bereich tätig sein können, haben Anleger die Möglichkeit, durch die geschickte Auswahl von Branchen ihr eigenes Chance-Risiko-Profil zusammenzustellen. Wer es konservativ mag, setzt auf Basiskonsumgüter oder Titel aus der Nahrungsmittelbranche. Auch die Pharma- und Medizintechnikbranche verspricht ein gewisses Maß an Solidität – schließlich ist die Demografie in Industrieländern und weltweit absehbar. Hierzulande wird die Bevölkerung immer älter und weltweit steigt die Zahl der Menschen beständig an. Kurz: Die medizinische Versorgung ist ein Mega-Trend, der intakt ist und langfristig Bestand hat. Ähnlich sieht es rund um die Digitalisierung und den Klimawandel aus – entsprechende Lösungen haben angesichts der zugrundeliegenden langfristigen Trends Perspektive.
Dass es bei der Frage nach der optimalen Diversifikation nicht nur um die grundlegende Asset Allokation oder die Auswahl geeigneter Branchen ankommt, zeigen die jüngsten Ereignisse rund um den Krieg in der Ukraine. Auch die regionale Streuung ist äußerst wichtig. Gerade deutsche Privatanleger neigen dazu, zu viel Kapital im DAX zu binden. Doch mit vierzig Werten aus Deutschland kommt man langfristig nicht weit. Wenn es schon Investments in Indizes sein sollen, sollten sich Anleger auf größere Regionen fokussieren und neben Europa auch die USA und zu einem geringeren Anteil China nicht außer Acht lassen. Grundsätzlich gilt, dass kleinere und mittlere Vermögen stärker auf diversifizierte Instrumente, wie Fonds oder ETFs, setzen sollten und Einzelwerte eher für größere Vermögen eine Rolle spielen.
Zu guter Letzt sollten Aktien-Anleger darauf achten, nicht nur die großen Namen ins Depot zu kaufen. Zwar haben Procter & Gamble, Yum! Brands oder Amazon ihre Berechtigung und es handelt sich dabei zweifelsohne um gute Aktien, doch gehören als „Rendite-Kicker“ auch kleinere Titel ins Portfolio. Diese sind über spezialisierte Smallcap-Fonds oder ETFs ebenso investierbar, wie mittels Direktinvestments. Wer derart breit aufgestellt ist und neben verschiedenen Anlageklassen auch unterschiedliche Branchen und Regionen sowie kleinere und größere Unternehmen berücksichtigt, kommt auch durch schwierige Marktphasen gut hindurch. Um ein derart breit aufgestelltes Portfolio aktiv zu steuern, müssen Investoren und Berater in den meisten Fällen nur an einer Stellschraube drehen: Mittels der Aktienquote lässt sich die Risikoneigung effektiv steuern. Da Aktienquote und Cashbestand zwei Seiten ein- und derselben Medaille sind, sollten Anleger in steigende Kurse hinein Aktien verkaufen und nach Kursverlusten wieder in Aktien investieren. Dieses antizyklische Handeln fällt umso leichter, desto robuster ein Portfolio aufgestellt ist. Diversifikation lässt Anleger also nicht nur ruhig schlafen, sie lässt uns auch besser handeln. So gelingen Investments auch in schwierigen Marktphasen.
Autor Ulrich Müller hat fast 30 Jahre Börsenerfahrung und ist Gründer der Ulrich Müller Wealth Academy (UMWA) in Halstenbek bei Hamburg. Davor war der studierte Finanzwirt 17 Jahre als Investmentberater tätig, dabei wurden seine Anlageentscheidungen von mehr als 10.000 Investmentberatern übernommen. Über viele Jahre entwickelte er seine eigenen Analyse- und Bewertungssysteme im Bereich Aktien & Optionen, die er nun in seiner Akademie an Privaanleger weitergibt. Seit November 2021 ist er zudem Strategiegeber des Fonds „UM Strategy Fund“.