Demnach haben alle befragten Versicherer grundlegende digitale Aktionsfelder für sich besetzt und sind damit auf dem Weg, ihre digitale Agenda in den nächsten Jahren kontinuierlich auszubauen. Die digitale Performance der Branche ist vor diesem Hintergrund seit 2017 (2,8 Indexpunkte) und 2019 (3,1 Indexpunkte), den Zeitpunkten der Erhebung der Vorgängerstudien, kontinuierlich auf aktuell 3,2 Indexpunkte gestiegen.
Dabei treten die Topdigitalisierer mit ihrer Strategieentwicklung und -umsetzung, dem Marketing und der Kommunikation sowie mit ihrer besonderen Firmenkultur hervor. Sie sind laut Zeb in agileren Organisationen unterwegs und haben einen klaren Fokus auf die kunden- und datenorientierte Ausrichtung ihrer IT-Prozesse gelegt.
„Unsere Studie zeigt Fortschritte bei den Digitalisierungsanstrengungen der deutschen Versicherer. Lediglich in einem Bereich, dem Management und der Organisation, haben wir kaum Bewegung feststellen können. Hier tritt der Durchschnitt der Branche seit 2017 auf der Stelle“, sagt Frank Bunselmeyer, Senior Manager und Mitautor der Studie.
Umsetzung hängt den Ambitionen noch hinterher
Die Zeb-Studie umfasst Teilnehmer aus über 30 Versicherungsgruppen und zeigt in Summe, wo die befragten Unternehmen bei ihren Digitalisierungsanstrengungen stehen. So sind aktuell nahezu 50 Prozent der Versicherer in umfassenden digitalen Transformationsprozessen unterwegs.
27 Prozent der Versicherungsunternehmen können darüber hinaus bereits als etablierte digitale Akteure gelten. Digital Leader, also Versicherer, die mit digitalen Lösungen die Innovationsspitze der internationalen Versicherungsbranche bilden, konnten die Studienautorinnen und -autoren unter den Teilnehmern nicht ermitteln. Ebenso gibt es kein Unternehmen mehr, das keine digitale Agenda verfolgt.
„Prozesse, Daten, IT. An diesen drei Baustellen herrscht Handlungsbedarf: Es gelingt vielen Versicherungen nicht, ihre digitalen Ambitionen schnell genug auf die Straße zu bringen“, erläutert Dr. Michael Kötting, Senior Manager und Mitautor der Studie, die Ergebnisse.
Standardsoftware auf dem Vormarsch
Zudem wurde in der aktuellen Studie unter anderem detailliert analysiert, wie die Versicherer im Einzelnen ihre Erfolge messen, die Cloud nutzen, das Potenzial von innovativen Produkten einschätzen und ihren Direktvertrieb organisieren. Besonders interessant: Obwohl Individualentwicklungen lange Zeit als Differenzierungsmerkmal im Markt galten dominiert inzwischen der Anteil von Standardsoftware im Vergleich zu individuellen Inhouse-Softwareentwicklungen inzwischen klar.
So ist Standardsoftware sowohl in den Kernsystemen Komposit, Leben und Kranken als auch bei übergreifenden Umsystemen sowie im Backoffice zu durchschnittlich 75 Prozent die Anwendung der Wahl. „Versicherer greifen verstärkt auf das wachsende Angebot an Standardsoftware für Kernversicherungsleistungen zurück. Das spart in der Regel Kosten und Aufwand für individuelle Programmierarbeiten. Die Differenzierung zum Wettbewerb findet stattdessen mehr und mehr über Produkte sowie an der digitalen Schnittstelle zum Kunden statt“, ergänzt Bunselmeyer.
Agilere Organisation und wenige Führungskräfte mit digitalen Skills
Auch beim Thema Agilität und agile Strukturen ist die Branche aus der Erstarrung erwacht. Gleichwohl konstatiert die Studie, dass immer noch über 71 Prozent der Versicherer in klassischen Strukturen tätig sind, ohne dass die relevanten Fachbereiche davon profitieren oder eingebunden sind. Zudem stellten sie wie in den beiden Vorgängerstudien 2017 und 2019 fest, dass nach wie vor nur wenige Führungskräfte der deutschen Versicherungswirtschaft als Digital Leader agieren oder positioniert sind.
„Die Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung erfordern ein neues Personalentwicklungskonzept, das digitale Kompetenzen gezielt fördert. Digital Leader sind diejenigen, die Innovationen ausrichten, Veränderungen schnell aufgreifen und mit ihren Teams verantwortlich im Netzwerk umsetzen. Sie sind Vorbild und Fixpunkt der Digitalisierung eines Versicherers – und entsprechend begehrt am Arbeitsmarkt“, sagt Anna Schweifel, Managerin bei Zeb.
Der Mangel an Digitalexpertinnen und -experten mit Führungsqualitäten bleibe ein zentrales Hindernis auf dem Weg deutscher Versicherer in die digitale Zukunft, resümiert die Expertin.