Alles sieht im Frühjahr 2007 nach einer auf die USA begrenzten Krise des dortigen Immobilienmarkts aus – am Ende jedoch steht die gewaltigste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Der letzte Akt, zu dem Niedrigzinsen mit Folgen für jeden Sparer gehören, ist bis heute nicht zu Ende.
Das Unheil schlich sich auf leisen Sohlen an – selbst von Fachleuten und Politikern unbemerkt und unterschätzt: Alles sieht im Frühjahr 2007 nach einer auf die USA begrenzten Krise des dortigen Immobilienmarkts aus. Selbst als im September 2008 die traditionsreiche US-Investmentbank Lehman Brothers untergeht, hält mancher die Folgen – auch für Deutschland und Europa – für beherrschbar.
Am Ende jedoch steht die gewaltigste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten: Nahezu alle Volkswirtschaften auf dem Globus stürzen 2009 in eine Rezession, das junge Eurosystem gerät ab 2010 an den Rand des Abgrundes. Wann genau das Drama – im Verborgenen – begann, weiß niemand genau. Der letzte Akt, zu dem Niedrigzinsen mit Folgen für jeden Sparer gehören, ist bis heute nicht zu Ende.
1. Akt: Der US-Traum vom Eigenheim bis 2007
Begünstigt von relativ niedrigen Zinsen kaufen immer mehr Amerikaner, die es sich eigentlich nicht leisten können, Häuser oder Wohnungen auf Pump. Finanziert wird das von Banken, die immer häufiger beide Augen zudrücken. Experten sprechen von „Subprime“-Hypotheken.
Banken entledigen sich des Risikos oft, indem sie die wackeligen Forderungen mit finanzmathematisch ausgeklügelten Wertpapieren kleingestückelt in alle Welt verkaufen – mit dem Segen von Ratingagenturen, die den letztlich durch Häuser abgesicherten Papieren oft beste Bonität bescheinigen.
„Ich persönlich kann es nicht mehr nachrechnen“, wird der damalige Commerzbank-Chef Martin Blessing später zu dieser Art Papiere sagen. Das Geschäft mit solchen, selbst für Experten nicht nachvollziehbaren Finanzderivaten, gilt als entscheidender Brandbeschleuniger – ebenso wie große Lücken in Regulierung und Aufsicht der Finanzindustrie.
2. Akt: Die Blase platzt – erste Pleiten 2007
Erste Probleme zeigen sich irgendwann im Frühjahr 2007. Mehr und mehr Hausbesitzer können ihre Raten nicht mehr bezahlen. Die Immobilienpreise geraten ins Rutschen. Spezialisten für Hypothekenkredite machen dicht, Fonds geraten in Schwierigkeiten.
Doch der damalige US-Notenbankchef Ben Bernanke sieht kein größeres Problem, vor allem keine Gefahr, dass die Hypothekenmarktschwäche auf die Gesamtwirtschaft überspringt. Von „Subprime“-Krediten hört man in Deutschland erst, als die IKB Deutsche Industriebank 2007 in die Knie geht. Auch sie hatte in Wertpapiere investiert, die auf solchen Hypotheken fußten.
3. Akt: Der Lehman-Zusammenbruch 2008
Die Hypothekenmarktkrise wächst sich zu einer Bankenkrise aus. Großbanken berichten weltweit von Milliardenverlusten. Die US-Investmentbank Bear Stearns wird nur dank der Übernahme durch J.P. Morgan vor dem Kollaps bewahrt. Im September überschlagen sich die Ereignisse: Die US-Behörden müssen die riesigen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac mit Milliardenaufwand retten.
Die Investmentbank Lehman Brothers erklärt Insolvenz und wird nicht vom Staat gerettet – anders als der Versicherungsriese AIG, der von Washington verstaatlicht wird. Noch immer beruhigen Experten, es sei kein Überspringen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft zu erwarten. IW-Direktor Michael Hüther erklärt: „Ich gehe davon aus, dass die Finanzmarktkrise sich nicht im dritten Akt des Dramas befindet, sondern im Schlussakt, der aber länger dauern kann, wie bei einer Wagnerschen Oper.“
Seite 2: Die Krise breitet sich weltweit aus