Konjunktur: Die Welt nach Corona
1. Ein neuer Konjunkturzyklus aber keine ausgeprägte Reflation
Viele Jahre lang befanden wir uns in der Spätphase des Konjunkturzyklus. Die Pandemie hat eine tiefe Rezession ausgelöst, doch jetzt kann die Erholung beginnen. Einen echten Aufschwung – mit recht starkem BIP- und Gewinnwachstum, fallender Arbeitslosigkeit und extrem niedrigen Zinsen – gab es zuletzt vor zehn Jahren. Vor 2022 ist auch eine deutlich höhere Inflation unwahrscheinlich. Langfristig bleibt das Wachstum ohne zusätzliche große Konjunkturprogramme aber schwach.
2. Der Populismus bleibt
Mit der Abwahl von Donald Trump ist der Populismus noch nicht passé. An seinen Ursachen hat sich nichts geändert, weder in den USA noch anderswo. Politische Entwicklungen und internationale Spannungen dürften daher weiter für Volatilität sorgen, aber – wichtiger noch – auch für neue Konjunkturprogramme. Die Regierungen könnten versucht sein, mit schuldenfinanzierten Ausgaben auf die Unzufriedenheit zu reagieren, die Populisten stark macht.
3. Die digitale Transformation ist unumkehrbar
In der Coronakrise wurde es für viele Menschen und Unternehmen selbstverständlich, von zu Hause zu arbeiten, einzukaufen und Dienstleistungen zu nutzen. Fabriken, Geschäfte, Büros, Wohnungen und Arbeitsplätze sind digitaler geworden. Nicht alles wird nach der Pandemie so fortgesetzt. Dennoch ist davon auszugehen, dass Corona die Digitalisierung nicht nur beschleunigt, sondern auch gefestigt hat. 2021 wird die 5G-Konnektivität große Fortschritte machen, ebenso wie das Internet der Dinge und Cloud-Computing.
4. Die Lieferketten werden kürzer und vielfältiger
Eine unsichere Weltlage, populistische Wirtschaftspolitik und die Annäherung von Löhnen und Kosten führen bereits seit über zehn Jahren zu einer Verkürzung der internationalen Lieferketten. Corona hat dies weiter beschleunigt. Durch die anhaltende Veränderung der Lieferketten könnten Unternehmen und ganze Branchen weniger störungsanfällig werden, allerdings ist dies mit gewissen Kosten für Investoren und Verbraucher verbunden.
Anleihen: Unveränderte Renditen, volatile Währungen
5. Niedrige Renditen und flache Zinsstrukturkurven verlangen einen flexiblen Credit-Ansatz
Wie in jeder Rezession weiteten sich Anfang 2020 auch in der Coronakrise die Credit Spreads aus. Dank der schnellen und umfassenden Notenbankinterventionen war dies aber sehr schnell vorbei. Dennoch ist die Lage für Investoren nicht einfach. Früh- und Spätphase des Marktzyklus vermischen sich und es gibt Ausfall- und Bewertungsrisiken. Wir meinen, dass dies einen flexiblen, restriktionsfreien Credit-Ansatz und umfassendes Know-how erfordert. Investoren müssen die Bewertungen der Anleihenmarktsegmente vergleichen und kluge Einzelfallentscheidungen treffen.
6. Konjunktur spiegelt sich in den Wechselkursen wider
Die großen Notenbanken haben signalisiert, dass die Zinsen noch lange niedrig bleiben sollen – und die Langfristrenditen ebenfalls. Wenn sie nicht mehr schwanken können, dürften Wachstums- und Inflationsunterschiede zwischen Ländern vor allem Auswirkungen auf die Wechselkurse haben. Volatilere Währungen und das Ende der Dollar-Hausse machen eine dynamische Währungsabsicherung interessanter.
Aktien: Konjunkturelle Chancen, langfristige Themen
7. Strukturelles Wachstum wichtiger als die Konjunktur
Zu Beginn eines Konjunkturzyklus spricht viel für zyklische Aktien, da sich das Wirtschaftswachstum beschleunigt. Aber langfristig bleibt es niedrig – ebenso wie Zinsen und Ertragserwartungen. Das spricht für Wachstumswerte und Firmen mit langfristigen Geschäftsmodellen. Dennoch: Wenn uns 2020 eines gelehrt hat, dann ist es Demut. Man muss unbedingt nach Investmentstilen diversifizieren.
8. Ein Themenansatz hilft, langfristige Wachstumschancen zu finden
In einer wachstumsschwachen Welt kann man mit einem Themenansatz langfristige Chancen finden. Die Coronakrise hat einige Entwicklungen forciert, vor allem die digitale Transformation – und das länder- und sektorübergreifend. Themenbezogenes Investieren heißt für uns, Qualitätsunternehmen zu finden, die von langfristigen Wachstumstrends profitieren. Voraussetzung dafür sind sorgfältige Analysen, gerade wenn Large Caps so hoch bewertet sind wie jetzt.
Alternative Investments: Stabile Basis, Mehrwertchancen nutzen
9. Auf stabiles Wachstum setzen – aber das hat seinen Preis
In der Coronakrise setzten Private-Equity-Gesellschaften zunehmend auf stabiles Wachstum und klare Konzepte mit der Aussicht auf Mehrwert. Sie bevorzugten daher Firmen aus den Sektoren Software, Technologie und Gesundheit und wachstumsstarke Länder wie China. Das größte Risiko sind unserer Ansicht nach die Bewertungen. Aber das könnte sich ändern, wenn große strategische und operative Fortschritte das Gewinnwachstum beschleunigen.
10. Individuell angepasste Strategien bleiben vielversprechend, ob liquide oder nicht
Nächstes Jahr werden wir wohl eine ungewöhnliche Kombination aus Früh- und Endphase des Konjunkturzyklus erleben, bei anhaltender Pandemie und politischen Risiken. Für liquide Strategien wie Equity Long/Short, Distressed oder auch kurzfristige Trading-Strategien sind Volatilität und Unsicherheit stets eine Chance. Für weniger liquide Strategien wie Sekundärmarktanlagen in Private Equity, Private Debt, Opportunistic Credit und Structured Equity sind sie es aber auch. Spezielle und unkorrelierte Strategien wie Insurance-Linked Securities und Macro Trading könnten Portfolios in volatilen Zeiten stabilisieren.