Aber welche Dynamik kann Inflation überhaupt annehmen? Taugt der Lohnkostendruck hierbei als Kunstdünger? Wohl kaum! Ist Land X zu teuer, geht das international hochmobile Kapital ins Land Y. So werden Arbeitsplätze in den alten Industrieländern immer mehr durch Jobs in Schwellenländern, aber auch in Amerika ersetzt. Leider haben dort Arbeitnehmervertreter in puncto Lohnerhöhungen nur so viel Einfluss wie ein Veganer auf der Jahrestagung des Deutschen Fleischer-Verbands.
Die Globalisierung lässt die Verhandlungsmacht von Gewerkschaften zerrinnen wie Sand zwischen den Händen. Um den Beschäftigungsstand in der alten Welt zumindest zu stabilisieren, stimmen sie mittlerweile sogar dem Abbau von Kündigungsschutz und Flexibilisierungen zu. Gewerkschaftsboss ist kein Traumjob mehr.
Man kann nach großer lohnkostenseitiger Inflation suchen, finden wird man sie nicht. Sowieso, die stark gestiegene Produktivität in der Industrie macht aus jedem Lohnkostenproblem ein -problemchen.
Digitalisierung ist ein besonderer Inflationskiller
Sozialpolitisch ist es harter Tobak: Der Mensch wird immer überflüssiger. Einfache Tätigkeiten in Industrie und Büro werden zunehmend durch künstliche Intelligenz ersetzt. Denn Maschinen verlangen keine Gehaltserhöhung und Urlaub, pochen nie auf geregelte Arbeitszeiten, streiken nicht und werden auch nie krank, reparieren sich selbst und machen im Zweifelsfall sogar weniger Fehler als das „Risiko“ Mensch.
Digitalisierung lässt die Produktivität aufgehen wie die Sonne am Morgen und die Inflation untergehen wie der Mond am Abend. Vor dieser Revolution und damit verbunden einem dramatischen Wettbewerbsdruck kann sich ein ernstzunehmendes Industrieland so wenig drücken wie der Zahnschmerzpatient vor dem Dentisten.
Es ist ein Hammer, wenn der Digitalverband Bitkom prognostiziert, dass in Deutschland bereits in den nächsten fünf Jahren über drei Millionen Arbeitsplätze wegfallen. Wer wird diesen Abbauprozess durch hohe Lohnsteigerungen noch beschleunigen wollen? Und diese neue unschöne Arbeitswelt erklärt ebenso, warum aktuell geringe Arbeitslosenraten in Amerika und Deutschland nicht wie früher üblich zu lohnkostenseitiger Inflation führen.
Wir haben es mit inflationsarmem Wirtschaftswachstum zu tun
Globalisierung und Digitalisierung sind ein Dream Team in der Bekämpfung der Inflation. Nicht zuletzt hält das amerikanische Schieferöl den Opec-Öl-seitigen Preisdruck zurück wie Pestizide das Ungeziefer. Vor diesem Hintergrund ist in den USA und Deutschland ein Verharren der Inflation im Seitwärtstrend mit der oberen Begrenzung von zwei Prozent zu erwarten. Und in der gesamten Eurozone wird sie noch lange unter dieser Inflationsmarke liegen, ab der die EZB in Wallung gerät.
Ja, die US-Notenbank wird in diesem Jahr drei Zinserhöhungen durchführen, die allerdings längst eingepreist sind. Ihren Zinserhöhungszyklus dürfte die Fed wegen Inflationsarmut bei drei Prozent beenden. Das ist der „schwachmatigste“ aller Zeiten.
Seite drei: Wo nur ein bisschen Inflation auftritt, kann sich auch schnell wieder ein bisschen Deflation zeigen