Time to say goodbye“: Das Duett des italienischen Tenors Andrea Bocelli und der britischen Sopranistin Sarah Brightman kennen Millionen. Was wenige wissen dürften: Die englischsprachige Version ist nur die Interpretation des italienischen Orginaltextes „Con te partirò“, was übersetzt heißt, „Mit Dir werde ich fortgehen“.
Dieselbe Sentimentalität, die von Text und Melodie ausgehen, dürften sicherlich einige verspüren, wenn sie an den 1. Januar 2022 denken. Denn dann sinkt der Höchstrechnungszins von aktuell 0,9 auf dann 0,25 Prozentpunkte. Und mit dem Absinken auf den beinahe Nullpunkt heißt es dann, Abschied nehmen von der Altersvorsorge klassischer Prägung.
„Damit läutet einem in der Branche jahrzehntelang beliebtem Verkaufsargument wohl endgültig das Totenglöckchen“, glaubt Sebastian Ewy, Senior Analyst beim DFSI Rating. Für Neukunden sei der Wegfall der 100-Prozent-Garantie eher eine psychologische denn eine ökonomische Hürde. „Denn selbst mit vollständiger Beitragsgarantie könnten bei Laufzeiten von 30 Jahren und mehr erhebliche Kaufkraftverluste entstehen, so Ewy.
Wie groß die Einbußen sind, zeigt eine Berechnung der Kölner Rating-Agentur Assekurata. Demnach erhält ein Sparer, der 30 Jahre monatlich 200 Euro in einen Vertrag einzahlt und insgesamt 72.000 anspart, bei einem Garantiezins von 0,25 Prozent gerade einmal 66.637 Euro ausgezahlt.
Für einen vollständigen Beitragserhalt – also 72.000 Euro – bräuchte es laut Assekurata eine Verzinsung von 0,77 Prozent. Die Rechnung zeigt, dass das Verhältnis von Rendite und Sicherheit neu austariert werden muss. Fakt ist, dass sich immer mehr Lebensversicherer im Neugeschäft von einer vollständigen Beitragsgarantie überall dort verabschieden, wo diese nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.
„MIt der Garantiezinssenkung muss das Verhältnis von Sicherheit und Rendite neu austariert werden“
Laut Assekurata bieten von 47 untersuchten Lebensversicherern nur noch 16 private Rentenversicherungsverträge mit dem maximal möglichen Garantiezins von 0,9 Prozent an. Die 31 anderen Gesellschaften haben sich dagegen davon verabschiedet und bieten Verzinsungen zwischen 0,5 und 0,25 Prozent an. Oder eben gar nichts.
Zum Vergleich: 2018 waren es noch 30 Gesellschaften, die ein Neugeschäft mit klassischen privaten Renten zeichneten. „Index- und Neue Klassik-Tarife haben in den letzten Jahren die herkömmliche Klassik nahezu verdrängt“, sagt Michael Staffe, Aktuar beim Institut für Vorsorge und Finanzplanung in Altenstadt. Mehr als die Hälfte aller im IVFP-Rating enthaltenen Lebensversicherer bieten laut Staffe mittlerweile eine oder sogar beide Produktgattungen an.
„Von vielen Versicherern wird sie als Ersatz der kaum noch rentablen Klassik-Tarife gesehen“, sagt Staffe. Laut dem Marktausblick Lebensversicherung 2021/2022 von Assekurata ist der Marktanteil bei Neue Klassik, Index- und Hybridpolicen von 33 Prozent in 2017 auf 39 Prozent angestiegen. Fondsgebundene Tarife konnten zwar auch zulegen. Aber nur um einen Prozentpunkt. Aktuell haben sie einen Marktanteil von zehn Prozent.
Gerade das Angebot der neuen Klassik hat über die Jahre deutlich zugenommen.
„In diesem Jahr konnten wir in der Studie neue klassische Angebote von 26 Anbietern unter die Lupe nehmen“, sagt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. Dagegen böten nur 13 Lebensversicherer Indextarife an. Das Gerüst der Neue-Klassik-Tarife ist leicht erklärt: Der Sparbeitrag des Kunden geht zu 100 Prozent in die Kapitalanlagen des Versicherers.
Vorteil: Der Kunde muss weder Fonds noch ETF’s auswählen; auch eine einzelvertragliche Umschichtung von Fonds nach Wertsicherungskompomenten oder Deckungsstock nach ausgeklügelten iCCPi-Modellen erübrigt sich. Stattdessen gibt es eine zugesagte Mindestgarantie und eine jährliche Überschussbeteiligung. Beide werden in der Kapitalanlage des Versicherungskollektivs verwaltet. Klientel der Neuen Klassik sind sehr sicherheitsorientierte Anleger.
„Daran ändert sich auch durch die absehbar geringere Garantie im Zuge der der Rechnungszinsabsenkung nichts“, zeigt Heermann sich überzeugt. Die Renditeerwartung hänge dabei von der Wechselwirkung zwischen Garantie und Wertentwicklung des angelegten Kapitals ab, lasse sich aber nicht mit Aktien oder ETFs vergleichen. „Im Gegenzug müssen Kunden nicht befürchten, dass ungünstige Entwicklungen am Kapitalmarkt die eigene Altersvorsorge gefährden.
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