Blasenbildung im Niedrigzinsumfeld

In Amerika, wie in fast allen westlichen Industrieregionen, bewegen sich die sogenannten Capex, also die Kapitalinvestitionen, auf dem niedrigsten Stand in Relation zum Bruttoinlandsprodukt seit 40 Jahren.

Diese Investitionen wären aber notwendig, damit der Kapitalstock der Volkswirtschaften nicht erodiert, wie zum Beispiel deren Infrastruktur. Die Kosten für den Kapitaldienst der Staaten steigen und die Ausgaben für Sozialkosten explodieren förmlich, für Investitionen werden die Mittel dagegen immer knapper.

Eine Entschuldung ist daher früher oder später im Interesse des Staates und seiner Bürger – mit allen damit verbundenen Konsequenzen, vor allem für Sparer.

Marktwirtschaftliche Bereinigungsprozesse vonnöten

Um das Zinsniveau wieder zu normalisieren, die aufgeblähten Notenbankbilanzen abzubauen und die Staatshaushalte nachhaltig in Ordnung zu bringen sind marktwirtschaftliche Bereinigungsprozesse und nicht permanente geldpolitisch Manipulationen notwendig.

Nur dort, wo die Kreditversorgung zu extrem günstigen Konditionen wieder reibungslos funktioniert, also zum Beispiel am US-Automobilmarkt, kommt es zu messbarer wirtschaftlicher Expansion. Doch in vielen Bereichen der Realwirtschaft führen die dauerhaften und massiven Eingriffe in das Zinsgefüge und die Geldmenge zu gefährlichen Nebenwirkungen.

System schafft Anreize für Fehlinvestitionen

Investitionen, die in einem Umfeld normaler, also marktbasierter Zinsen, unrentabel wären, sind nun rentabel, deren dauerhafter Erfolg ist aber stark abhängig von der Aufrechterhaltung dieser Sondersituation. Steigende Zinsen werden so immer gefährlicher für große Teile auch der Realwirtschaft, die immer mehr abhängig wird von diesem Niedrigzinsumfeld.

Marktteilnehmer, die unter normalen Umständen aus dem Markt ausgeschieden wären, wie zum Beispiel bankrotte Großbanken oder Automobilkonzerne, wurden und werden künstlich subventioniert und am Leben erhalten und verzerren so den Wettbewerb. Kapital wird in nicht nachhaltigen Investitionen gebunden und perspektivisch vernichtet, zu Lasten des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks und der Wertschöpfung.

Volkswirtschaftlich degenerativer Prozess

Wie lange dieser volkswirtschaftlich degenerative Prozess, ausgelöst durch die Manipulation des wichtigsten Preises in einer Volkswirtschaft, den Zins, noch weiterverfolgt wird, um das unabwendbare, die Entschuldung, aufzuschieben, ist schwer zu prognostizieren.

Fakt ist, dass mit jeder weiteren unkonventionellen Maßnahme und jedem weiteren Jahr Nullzinspolitik die gesamtwirtschaftlichen Schäden zunehmen, ohne dass der anschließende notwendige Bereinigungsprozess dadurch weniger schmerzhaft wird.

Autor Hannes Zipfel ist als Vorstand und Chefökonom der VSP Financial Services AG in Wiesbaden tätig. Nicht zuletzt durch die monatlichen VSP-Onlinekonferenzen, in denen er die Entwicklung der Kapitalmärkte vor dem Hintergrund der Euro- und Finanzkrise faktenfundiert und allgemeinverständlich kritisch kommentiert, ist er inzwischen einem breiten Kreis von Investoren bekanntgeworden.

Foto: VSP Financial Services AG / Shutterstock

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