Das wurde auf dem „Finance Day“ des ZIA am Dienstag in Berlin deutlich. Demnach sind Banken künftig verpflichtet, für ihr Kreditportfolio ein „Green Asset Ratio (GAR)“ zu ermitteln und auszuweisen. Damit ist der Anteil gemeint, der auf Kredite für Investitionen entfällt, die der Taxonomie entsprechen, also den EU-Maßstäben für nachhaltige Investitionen (auch unter dem Kürzel ESG bekannt).
Das stellt sowohl Banken als auch Kreditnehmer zunächst vor einige Herausforderungen, weil sie umfangreiche Daten erheben beziehungsweise liefern müssen. Die Formel für die Berechnung der GAR-Quote ist zudem in einem wesentlichen Punkt nicht sachgerecht, so die Kritik. Die Auswirkungen können jedoch darüber hinausgehen. Eine bestimmte Mindest-GAR ist zwar nicht vorgesehen. Dennoch wird die Vorschrift die Fremdkapitalaufnahme für „braune“ Immobilien erheblich erschweren, sagte ZIA-Vize Schenk, der im Hauptberuf (noch) Vorstandsvorsitzender des Asset Managers Real I.S. AG ist.
Dazu trägt auch bei, dass die Taxonomie das Kapital ohnehin weg vom Bestand lenkt. Sie legt in Bezug auf den Energiestandard der Gebäude sehr hohe Maßstäbe an. Investoren bevorzugen deshalb den ohnehin energieeffizienten Neubau sowie Immobilien, die bereits ein hohes Energie-Level haben. Auch „Manage-to-green“, also die Sanierung von Bestandobjekten auf Taxonomie-Niveau, setzt einen bestimmten Mindeststandard als Ausgangsbasis voraus.
Hingegen ließe sich bei vielen der alten „CO2-Schleudern“ zwar oftmals mit überschaubarem Aufwand eine deutliche relative Verbesserung und eine entsprechend hohe CO2-Einsparung erreichen, es ist aber oftmals technisch oder wirtschaftlich nicht möglich, sie auf ein taxonomiekonformes Level zu heben. Solche Objekte, die einen großen Teil des Bestands und einen noch größeren Anteil des CO2-Ausstoßes des Immobiliensektors ausmachen, werden deshalb vor allem von institutionellen Investoren kaum angefasst.
Das kritisierte Schenk schon im vergangenen Herbst im Cash.-Interview. Ohne Änderung „verfällt der Bestand“, warnte er zudem. Der ZIA fordere, dass auch Investitionen in Bestandsobjekte als taxonomiekonform anerkannt werden, sofern der CO2-Ausstoß durch entsprechende Sanierung um mindestens 50 Prozent verringert wird – unabhängig vom dann erreichten Energie-Level.
„Geradezu kontraproduktive Vorgaben“
Diese Forderung erneuerte Schenk auf dem Finance Day, wobei der Verband es für ausreichend erachtet, dass das Objekt dann für zehn Jahre als „grün“ eingestuft wird. Schenk, der mit der gesamten Regulierung hart ins Gericht ging, kritisierte zudem erneut, dass die ESG-Vorschriften viel zu komplex und schlecht aufeinander abgestimmt seien.
Die Immobilienwirtschaft hält es demnach für „zwingend geboten“, dass die Abstimmung von Auflagen und Regeln verbessert wird. „Das Kernziel von Sustainable Finance, privates Kapital in die Transformation zu lenken, wurde bisher verfehlt. Es gibt an einigen Stellen Zielkonflikte zwischen dem politischen und gesellschaftlichen Willen, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, und dem Vorgehen der Aufsichtsbehörden“, so Schenk. Bei den ESG-Kriterien, mit denen Umwelt- und Sozialfragen plus Aspekte der Unternehmensführung bewertet werden, sehe er nicht nur Widersprüche, sondern „geradezu kontraproduktive Vorgaben“.
Baldige Änderungen der ESG-Vorschriften erscheinen jedoch unwahrscheinlich. Zum einen werden sich die EU-Gremien nach der Europawahl im Juni erst neu zurechtruckeln müssen und das Thema wird vermutlich nicht ganz oben auf der Agenda stehen. Zum anderen ist der politische Wille dazu offenbar nicht besonders ausgeprägt.
„Zug aus dem Bahnhof gefahren“
In der Diskussion mit ZIA-Hauptgeschäftsführerin Aygül Özkan machte Hermann-Josef Tebroke, Berichterstatter Sustainable Finance der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wenig Hoffnung, dass noch Änderungen an den ESG-Vorschriften vorgenommen werden. „Der Zug ist aus dem Bahnhof gefahren“, sagte er. Die Vorschriften seien nach langen Verhandlungen und Abstimmungsprozessen nun mal so wie sie sind und man müsse jetzt halt das Beste daraus machen, so Tebroke sinngemäß.
Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen, sagte immerhin zu, sich die Kritikpunkte insbesondere zur Berechnung der GRE-Quote anzusehen. Ansonsten reagierte auch sie eher zurückhaltend auf die Kritik und die Forderungen des ZIA.
Damoklesschwert CO2-Preis
Auf einen weiteren problematischen Aspekt für die Finanzierung älterer Objekte wies Burkhard Dallosch, COO von Deka Immobilien, hin: Den CO2-Preis. Er liegt aktuell bei 45 Euro pro Tonne und soll 2025 auf 55 Euro steigen. Deka rechne damit, dass der CO2-Preis bald auf einen dreistelligen Euro-Betrag steigt, „und zwar nicht im unteren Bereich“, so Dallosch.
Das würde die Vermietbarkeit von Gebäuden mit schlechter Energiebilanz enorm erschweren bis unmöglich machen („Standed Assets“). Die Banken müssten das bei ihren Risikoberechnungen für die meist langfristigen Kredite berücksichtigen, so Dallosch. Das bedeutet höhere Zinsen und/oder Eigenkapitalanforderungen oder, dass Kredite für entsprechende Objekte überhaupt nicht mehr zu bekommen sind. Zudem besteht bei laufenden Finanzierungen die Gefahr, dass unter Umständen Loan-To-Value-Klauseln gerissen werden (also das maximale Verhältnis von Kredithöhe zu Objektwert).
Zum „ZIA Finance Day“ trafen sich am Dienstag nach Angaben des Verbands über 300 Teilnehmer im Hotel Telegraphenamt im Berlin. Hier geht’s zur Cash.-Fotogalerie.