Abschreckende Präventionskampagnen, ein Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen, gestiegene Tabakpreise: All das hält die Generation 55 plus offenbar nicht vom zwanghaften Griff zu Zigarette, Pfeife & Co. ab. Zwar sinkt auch bei den Älteren die Zahl der Alltagsraucher im Allgemeinen, die Zahl der Exzessiv-Raucher aber hat laut aktueller Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse drastisch zugenommen.
So wurden im Jahr 2017 rund 50.000 Versicherte im Alter von 55 bis 79 Jahren wegen Tabakabhängigkeit, Entzugserscheinungen, eines akuten Tabakrausches oder psychischer Probleme aufgrund von Tabak ärztlich behandelt.
Das sind 130 Prozent mehr als noch 2007. Den größten Anstieg, nämlich um das Dreifache, verbuchte die KKH bei den 65- bis 69-jährigen Frauen.
Rund jeder Achte betroffen
Den größten Anteil an Exzessiv-Rauchern gab es hingegen unter den 60- bis 64-jährigen Männern: Rund jeder Achte war betroffen. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt war es jeder Elfte.
Michael Falkenstein, Experte für Suchtfragen bei der KKH, schätzt, dass die Dunkelziffer noch weitaus höher ist, denn die Daten erfassen nur ärztlich behandelten Tabakmissbrauch.
Die Gründe, warum gerade im Seniorenalter nicht nur der riskante Alkohol-, sondern auch der exzessive Tabakkonsum steigt, sind vielfältig. Zum einen ist die heute ältere Generation in einer Zeit aufgewachsen, als das Rauchen als selbstverständlich galt, zum anderen leben viele Senioren einsam und isoliert: Früher waren sie im Job unentbehrlich, heute fühlen sie sich nicht mehr gebraucht.
Der Partner ist darüber hinaus vielleicht schon gestorben, die Angehörigen leben weit entfernt, Freunde und enge Bekannte fehlen. Die Zigarette dient dann häufig als Mittel zur Kommunikation, um etwa vor Restaurants und Kneipen mit Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen. Bei den Mitfünfzigern, die noch im Berufsleben stehen, ist das Rauchen wiederum oftmals ein Mittel zum Stressabbau.
„Viele glauben, es lohne sich nicht mehr aufzuhören“
„Süchte im Alter auch als solche zu erkennen, ist sehr schwierig“, erläutert Falkenstein. Das Rauchen etwa werde dann von vielen als etwas akzeptiert, was eben nicht mehr zu ändern ist. Darüber hinaus bleibt häufig unerkannt, welche gesundheitlichen Folgen der Griff zur Zigarette hat.
Schäden, wie etwa die Abnahme der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit, eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen, anhaltende Müdigkeit oder Schwindelanfälle werden häufiger dem zunehmenden Alter zugeschrieben als etwa dem Tabakkonsum.
„Viele glauben auch, dass es sich im Alter nicht mehr lohnt, mit dem Rauchen aufzuhören“, sagt Falkenstein, doch das sei falsch.
Selbst wer erst als über 60-Jähriger auf Zigaretten verzichtet, senkt das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen bereits innerhalb weniger Jahre erheblich. Das fanden Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums in einer Analyse heraus, die mehr als eine halbe Million Menschen ab 60 Jahren aus Europa und den USA einbezog.
„Mit gutem Beispiel vorangehen“
Demnach sank das Risiko für eine Herz-Kreislauferkrankung schon in den ersten fünf Jahren nach der letzten Zigarette messbar – auch bei Menschen, die das Rauchen erst nach ihrem 60. Geburtstag aufgaben.
Je länger allerdings der Rauchstopp zurücklag, desto niedriger war auch das Risiko, an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu sterben. Falkenstein gibt darüber hinaus zu bedenken, dass Tabaksüchtige nicht nur ihre eigene Gesundheit aufs Spiel setzen, sondern auch diejenigen gefährden, die passiv mitrauchen:
„Eltern und Großeltern sollten vor allem ihre Kinder und Enkel schützen und mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie gar nicht erst rauchen oder schnellstmöglichst aufhören.“
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