Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa bei der DWS:
„Wie erwartet hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen unverändert gelassen. Sie bleibt nach wie vor datenabhängig und EZB-Präsidentin Lagarde bestätigte mehrfach, dass die Leitzinsen weiterhin auf dem derzeitigen hohen Niveau bleiben müssen, um das mittelfristige Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen. Im Vorfeld der Sitzung wurde vor allem durch die veränderte Kommunikation der US-Notenbank spekuliert, ob die EZB auch schnellere Zinssenkungen ins Auge fassen würde, wie sie der Markt einpreist. Dem erteilte sie eine klare Absage: Zinssenkungen wurden nicht diskutiert. Zwar hat die EZB vor allem die Projektionen für die Inflationsentwicklung deutlich nach unten genommen. Im Prinzip wird das Inflationsziel von zwei Prozent nun schneller erreicht. Gleichzeitig machte sie aber deutlich, dass vor allem der inländische Preisdruck hoch bleibt: Der Arbeitsmarkt ist stabil, die Löhne steigen und vor allem die Lohnstückkosten haben zuletzt sogar weiter angezogen. Hinzu kommt, dass die Projektion und damit die Erreichung des Inflationsziels auf Basis höherer Renditen berechnet wurden. Der Stichtag für die Prognosen war der 23. November 2023. Alles in allem können zwar deutliche Fortschritte in der Inflationsentwicklung konstatiert werden, doch es ist noch viel zu früh, um den Sieg über die Inflation zu erklären. Dies spiegelt auch unsere Meinung wider. Dennoch sollte gerade vor dem Hintergrund des fragilen Wirtschaftsausblicks auch klar sein, dass Zinssenkungserwartungen weiterhin pronunziert bleiben. Wir rechnen weiterhin mit einer ersten Zinssenkung im Juni 2024.
Außerdem plant die EZB eine weitere Normalisierung ihrer Bilanz. Die Reduktion der Reinvestitionen des PEPP wird allerdings deutlich langsamer verlaufen, als wir dies erwartet haben. Vor allem im ersten Halbjahr 2024 bleiben sie ein wichtiger Backstop im Falle von Marktstress.“