Fed-Zinsentscheidung: So denkt der Markt

Dr. Martin Moryson Chefvolkswirt des Bankhauses Sal. Oppenheim:

Die Wirtschaft läuft. Dies ist insbesondere am Arbeitsmarkt zu erkennen: Die Arbeitslosenquote zeigt mit 4,6 Prozent Vollbeschäftigung an. Von der konjunkturellen Seite gibt es also grünes Licht für eine Zinserhöhung. Wir erwarten für das Jahr 2017 ein Wirtschaftswachstum von 2,0 Prozent. 2018 dürfte ein Wachstum in ähnlicher Höhe erreichbar sein. Die Erholung wird von einem starken Konsum getragen, auch die Unternehmensinvestitionen dürften besser laufen als bislang unterstellt. Kurzfristig dürfte die jüngste Ölpreisentwicklung die Teuerungsrate nach oben treiben. Die Gesamtinflation könnte so im Jahresverlauf auch rasch auf Werte von deutlich über 2,5 Prozent steigen. Mittelfristig sollten die daraus resultierenden Zweitrundeneffekte und die gute Beschäftigungslage auch auf die Löhne durchwirken. Diese entwickeln sich im Vergleich zu früheren Aufschwung-Phasen noch viel zu moderat.

Die Unsicherheit hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Entwicklungen ist objektiv betrachtet zwar nach wie vor groß. Allerdings wertet die Fed diese Risiken offenbar anders als in der Vergangenheit. Bei dieser Einschätzung hilft, dass die Märkte auf die Ereignisse der Vergangenheit mit einer erstaunlichen Gelassenheit reagiert haben: An den internationalen Finanzmärkten ist erst einmal vorweihnachtliche Ruhe eingekehrt.

Die Zinserhöhung ist ein gutes Zeichen: Die Wirtschaft läuft so stabil, dass die Dosierung der Notfallmedikation heruntergefahren werden kann. Das langfristig von der Fed angestrebte Zinsniveau ist mit drei Prozent im historischen Vergleich sehr niedrig. Und selbst dieses Zielniveau erreicht sie ihren eigenen Prognosen zufolge erst 2019. Die Geldpolitik der Fed ist also immer noch alles andere als restriktiv. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der „Trump-Faktor“ in den Inflationsprognosen noch nicht eingepreist ist. Sollte der neue Präsident seine Agenda tatsächlich umsetzen, dürften die nächsten Zinsschritte sogar etwas eher kommen.

Hervé Chatot, Fund Manager – Cross Asset von La Française AM:

Gemäß den Summary Economic Projections weisen die „Dots“ des FED-Offenmarktausschusses (FOMC) im Jahr 2017 nun auf drei statt zwei Zinserhöhungen und drei Erhöhungen jeweils in den Jahren 2018 und 2019 hin. Die Inflationsprognosen haben sich seit Mitte des Jahres bestätigt, und die Zinserhöhungen haben sich im Vergleich zum September leicht verstärkt.

Wir betrachten diese Entwicklung als sehr drastisch. Die Märkte reagieren stark: Der Dollarkurs stieg auf den höchsten Wert seit 2003 und die Rendite des US-2Y-Treasuries auf ein Sieben-Jahres-Hoch. Darüber hinaus betonte Fed-Präsidentin Janet Yellen, dass die FOMC-Prognosen bislang noch keine fiskalpolitischen Expansionen und potenzielle Trump-Impulse beinhalten. Dennoch spielte Yellen die Änderungen herunter und sagte, dass die Straffung des durchschnittlichen Zinssatzes eher gering ausfiel und sie nach Meinung mehrerer Komiteemitglieder nur einen kleinen Wandel darstellte. Diese drastische Entwicklung sollte eine Fortsetzung des Reflationsthemas in den Märkten für die kommenden Wochen unterstützen. Wir bleiben vorsichtig und denken, dass ein Teil der Neubewertung des Marktes nach der US-Wahl auf Spekulationen basiert, was der designierte Präsident oder der Kongress umsetzen wird. Ein Unsicherheitsfaktor liegt in den angenommenen Strategien für 2017-19 und insbesondere darin, wie die Mitglieder ihre Prognosen auf der Erwartung einer expansiven Fiskalpolitik anpassen werden.

Foto: Shutterstock

 

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