Zinspolitik: Gefangen in der „Japan-Falle“

Ist ein Anheben des Zinssatzes überhaupt noch möglich und welche Konsequenzen erwachsen aus der Fortsetzung der EZB-Zinspolitik? In seiner neusten Ausgabe geht der Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH unter anderem diesen Fragen nach.

US-Notenbank mit Sitz in Washington

Die Frage, ob und wenn, wann die US-Zentralbank Fed die Zinssätze anheben könnte, wird heiß diskutiert. Eine Antwort könnte ein Blick nach Japan liefern. Dort liegen die Zinsen seit 1999 nahe null. Im Zuge dieser Zinspolitik stieg die Staatsverschuldung im Verhältnis zu Wirtschaftsleistung dramatisch an. Den Japanern ist es nicht mehr möglich, die Zinsen anzuheben, ohne dass in der Folge nicht ganz erhebliche wirtschaftliche Verwerfungen bis hin zum Staatsbankrott entstünden – zwei Versuche, einer im Sommer 2000 und einer im Frühjahr 2006, wurden nach kurzer Zeit wieder abgebrochen.

Schulden klettern im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung

Weltweit lässt sich dasselbe Muster feststellen. Die Schulden steigen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Zeitgleich gehen die Wirtschaftswachstumsraten zurück. Einer der Gründe hierfür ist im ungedeckten Papiergeldsystem zu suchen. Es sorgt dafür, dass die Verschuldung stärker und schneller steigt als die Produktionsleistung. Denn hier muss die Kreditnachfrage wenigstens konstant hochgehalten, wenn nicht sogar gesteigert werden, soll die Konjunktur nicht einbrechen. Dafür ist ein immer niedrigerer Zins nötig. Es stellt sich die Frage, ob die Verschuldung der USA inzwischen so hoch ist, dass die Zinsen nicht mehr angehoben werden können. Dass die Fed die angekündigte Erhöhung hinauszögert, könnte darauf hindeuten. Möglicherweise ist das Land bereits in der „Japan- Falle“ gefangen.

Negativer Einlagenzins im Euroraum

Im Euroraum hat die Zinspolitik der EZB zu einem negativen Einlagenzins für Banken geführt. Dies hat unmittelbare Folgen für die Marktzinsen. Die Zinsen, insbesondere für kurzlaufende Anleihen, werden dadurch ins Negative gezogen. Die Wachstums- und Beschäftigungsprobleme im Euroraum erhöhen den politischen Druck auf die EZB, noch „mehr“ zu tun und noch „aggressiver“ vorzugehen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Negativzins vergrößert wird.

Anleger auf der Suche nach riskanteren Anleihen

Dies wird zu mannigfaltigen Problemen führen und tut es bereits jetzt. Die Anleger müssen immer riskantere Anleihen wählen, um einen noch positiven Zins zu verdienen. In den Unternehmensbilanzen steigen die Barwerte der Pensionsverbindlichkeiten, ihr Eigenkapital schmilzt dadurch ab. Die Kreditqualität verschlechtert sich, steigende Finanzierungskosten verringern die Gewinne. Auch kommt es zum Kapitalabfluss in attraktivere „Zinsgebiete“. Der Außenwert des Euro wird sich dadurch (weiter) abschwächen. Sollte die EZB dann auch noch den Ankauf von Staatsleihen ausweiten, entsteht ein explosives Gemisch. Indem sie Anleihen kauft, drückt sie deren Renditen und verschärft so die Probleme. Außerdem schafft sie hierdurch neues Geld. Im Endeffekt wird sich die Abwertung des Euro durch die Maßnahmen der EZB nur beschleunigen. Den Anlegern bleibt nur die Flucht in Immobilien, Aktien, Fremdwährung und Gold.

„Kapitalismus hält Lösungen parat“

Professor Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH, bricht daher in seinem wirtschaftspolitischen Kommentar eine Lanze für den Kapitalismus: „Kapitalismus steht für die freie Marktwirtschaft – für den unbedingten Respekt vor dem Eigentum, Freiheit, Frieden, Gleichheit vor dem Gesetz, für Arbeitsteilung und freien Handel.“ Zwar würden fast alle herrschenden Probleme, von der Massenarbeitslosigkeit über Umweltverschmutzung bis hin zur Geldentwertung, dem Kapitalismus angelastet, tatsächlich aber seien sie „die unabwendbare Folge von interventionistisch-sozialistischen Eingriffen in das Marktgeschehen.“ Der Sozialismus scheitere aufgrund der Unmöglichkeit einer Wirtschaftsrechnung, der Interventionismus wiederum verschärft Probleme anstatt sie zu lösen und produziert zusätzlich neue. Polleit stellt fest: „Der Kapitalismus – nicht der Interventionismus oder gar Sozialismus – hält die Lösung der drängenden Probleme bereit.“ (fm)

Foto: Shutterstock

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