Zinssenkungen: Warten auf Godot?

Holzwürfel mit dem Namen FED auf Dollarscheinen
Foto: PantherMedia
Die Notenbanken lassen sich nicht unter Druck setzen.

Die Inflation wird in den kommenden Monaten weiter zurückgehen, doch Zinssenkungen dürften noch etwas auf sich warten lassen, kommentiert Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments.

Die Markterwartungen für baldige Zinssenkungen haben seit dem Jahreswechsel einen Rückschlag nach dem anderen erlitten. Die Zentralbanker in den USA, im Vereinigten Königreich und in der Eurozone haben sich immer wieder gegen die Markterwartungen einer baldigen Senkung ihrer Leitzinsen ausgesprochen. Noch deutlicher wurde dies in der vergangenen Woche, als der Chef der US-Zentralbank nach der Zinssitzung erklärte, eine Senkung im März sei „nicht das Ausgangsszenario“. Wenige Tage später folgten sehr gute US-Arbeitsmarktdaten.

Das Ergebnis war ein starker Anstieg der Zinserwartungen. Besonders deutlich und relevant ist dies im Vereinigten Königreich, wo die 2- und 5-Jahres-SWAP-Sätze, die die Hypothekenzinsen bestimmen, seit ihren Tiefständen kurz vor Weihnachten um 50 bzw. 40 Basispunkte gestiegen sind. Fairerweise muss man sagen, dass sie von ihrem Höchststand im Juli letzten Jahres noch ein gutes Stück entfernt sind. Dennoch werden einige Kreditgeber wahrscheinlich ihre kürzlich vorgestellten Angebote für niedrige Hypothekenzinsen zurückziehen, während die Anleger versuchen werden, die Zinsen für ihre festverzinslichen Anleihen zu verbessern.

Was bedeutet das für die längerfristigen Aussichten für die Zinssätze und die Finanzmärkte im Allgemeinen?

Meine Einschätzung ist, dass die Zinssätze in den Industrieländern stark gesenkt werden, aber die Aussichten durch die wirtschaftliche Unsicherheit getrübt werden. Im Falle der alles entscheidenden US-Notenbank ist auch die Politik ins Spiel gekommen. Donald Trump hat den Fed-Vorsitzenden Powell scharf kritisiert und ihm vor einigen Tagen vorgeworfen, eine Zinssenkung zu planen, um Präsident Biden bei der Wiederwahl zu helfen. Jerome Powell hat den ungewöhnlichen Schritt unternommen, im nationalen US-Fernsehen seinen Plan für eine Zinssenkung darzulegen. Er erklärte, dass eine Senkung im März zwar möglich sei, aber nicht das Szenario darstelle, von dem die Fed ausgehe. 

Die gute Nachricht ist, dass die Inflation im Jahresvergleich in den nächsten Monaten weiter sinken dürfte, was größtenteils auf günstige Basiseffekte zurückzuführen ist: Die erheblichen Preissteigerungen zu Beginn des Jahres 2023 werden insbesondere in den nächsten zwei Monaten aus dem Jahresvergleich herausfallen. Die Verlangsamung der Lohninflation dürfte es der Fed ermöglichen, mit einer nachhaltigen Annäherung an die Zwei-Prozent-Marke ihre Ziele zu erreichen und die Zinssätze im Laufe des nächsten Jahres stark zu senken.

In Europa und im Vereinigten Königreich ist der politische Druck geringer, aber die wirtschaftliche Unsicherheit größer. EZB-Chefin Lagarde sagte, sie sei „daten- und nicht datumsabhängig“ und es sei „verfrüht“, Zinssenkungen zu diskutieren. Für eine Zinssenkung im April sind eine deutliche Verlangsamung der gegenwärtigen Lohnentwicklungen und weitere Fortschritte bei der Inflation erforderlich. Das ist zwar eine Möglichkeit, aber da im Mai keine Sitzung stattfindet, ist der nächste Termin für eine Zinssenkung erst im Juni.

Die Bank of England wartet bis auf Weiteres ab, wie sich die wirtschaftliche Situation entwickelt. Sie weiß, dass eine Erhöhung des Mindestlohns um 10 Prozent bevorsteht, und ist sich darüber im Klaren, dass die Regierung im März einen Sparhaushalt ins Auge fassen wird. Auch sie muss einen starken Rückgang der Lohninflation im Vereinigten Königreich sehen, um die Zinsen begründet senken zu können. Ich denke, dass sie eine der letzten Zentralbanken sein wird, die die Zinsen senkt.

Alles in allem sind eine sinkende Inflation und sinkende Zinssätze gute Nachrichten für die Finanzmärkte insgesamt. Das Problem ist, dass bereits viel Optimismus eingepreist ist und die Zentralbanker sehr vorsichtig sind.

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