Kurz vor der DKM, dem jährlichen Branchentreffen der deutschen Finanzdienstleister in Dortmund, nahm die Konsolidierung des Poolmarkts noch einmal Fahrt auf. Die Meldungen über Joint Ventures und Kooperationen häuften sic. So starteten Bain Capital Insurance, die Canada Life Irish Holding Company und JDC (2. Platz in der Cash. Hitliste der Maklerpools 2022) die Summitas Gruppe. Das neu gegründete Unternehmen mit Sitz in München soll etablierte Versicherungsmakler in Deutschland und Österreich erwerben und deren langfristiges Wachstum unterstützen: durch den Zugang zu Kapital, Know-how und die Maklerplattform von JDC. Durch ein Partnerschaftsmodell solle den übernommenen Maklern die Möglichkeit geboten werden, in ihrem Kerngeschäft tätig zu bleiben oder eine Nachfolgelösung für ihr Unternehmen anzustreben, hieß es in einer Pressemitteilung zum Start von Summitas. Die Makler könnten damit langfristig Stabilität für Kunden, Mitarbeiter, Standorte und Marken gewährleisten und gleichzeitig „ihr Familienerbe und ihre Werte bewahren“. Eine Prise Pathos kann nie schaden.
Daneben gaben Netfonds (3. Platz in der Cash. Hitliste der Maklerpools 2022) und die Bonnfinanz eine langfristige Zusammenarbeit bei der Beratung und Vermittlung von Finanzanlageprodukten und Vermögensverwaltungen bekannt. Damit erhalten die Berater der Bonnfinanz Zugriff auf die von Netfonds neu entwickelte Beraterplattform finfire sowie weitere Services des Unternehmens. „Die Zusammenarbeit mit Netfonds ist eine strategische Entscheidung, um unseren Finanzberaterinnen und Finanzberatern und damit auch unseren Kunden mehr Möglichkeiten im Investmentgeschäft zu bieten. Die Kooperation ermöglicht uns, in den Prozessen schlanker und effizienter zu werden und eine komplett digitale Abwicklung anzubieten”, erklärte Bonnfinanz-Geschäftsführer Eugen Bucher. Die Zusammenarbeit wurde bereits vor einigen Monaten vereinbart, seither laufen die Vorbereitungen für die Migration und Praxistests. Die offizielle Einführung für alle Beraterinnen und Berater der Bonnfinanz soll Anfang kommenden Jahres erfolgen.
Bereits im Juli hatten Netfonds und die VB Select AG, ein Beraternetzwerk für Bank- und Versicherungskaufleute, eine Überkreuzbeteiligung beschlossen. Dabei werden 50,1 Prozent der Aktien von VB Select im Zuge einer Sachkapitalerhöhung in die Netfonds AG eingebracht. VB Select erhält im Gegenzug Aktien an der Netfonds AG. Beide Unternehmen arbeiten im Bereich der Wertpapieranlagen seit mehr als zwölf Jahren zusammen. Durch das Wachstum der vergangenen Jahre sind die VB-Select-Berater zum größten Partner im Haftungsdach von Netfonds Financial Services (NFS) geworden. Im Zuge der Überkreuzbeteiligung soll die Zusammenarbeit auf weitere Dienstleistungsbereiche ausgebaut werden.
Dem vorausgegangen waren Investoren-Einstiege: Bereits Ende letzten Jahres hatte Branchenprimus Fonds Finanz (1. Platz in der Cash. Hitliste der Maklerpools 2022) mit der Ankündigung, dass der britische Investor Hg 60 Prozent der Gesellschaftsanteile von den Eigentümern Norbert Porazik und Markus Kiener übernimmt, für einen Paukenschlag gesorgt. Das Unternehmen ist in London, München und New York ansässig, sein Portfolio umfasst mehr als 35 Software- und Technologieunternehmen mit einem Gesamtwert von rund 92 Milliarden US-Dollar. „Hg begleitet uns bei unseren Wachstumsplänen und unterstützt mit einem sehr starken Netzwerk – vor allem bieten sie wertvolle Kontakte zu hochkarätigen IT-Spezialisten, die ein immenses Know-how mitbringen“, begründete Porazik den Deal. Einige Monate später kündigte auch Mitbewerber Blau Direkt an, seine Marktposition durch Kooperationen und Zusammenführungen mit weiteren Unternehmen stärken zu wollen. Um das internationale Wachstum zu fördern, habe man sich mit dem US-amerikanischen Private-Equity-Unternehmen Warburg Pincus einen Spezialisten für Corporate Engineering an Bord geholt, teilte das Unternehmen aus Lübeck mit.
Ein „deutscher Superpool“?
All diese Meldungen zeigen: Der Poolmarkt ist in Bewegung. Besonders die großen Pools können immer mehr Volumen auf sich vereinen, der Abstand zu den kleineren Pools wächst. Der Kritik mancher Mitbewerber, durch den Einstieg von Hg drohe nun sogar ein monopolistischer Markt, widerspricht Fonds-Finanz-Chef Porazik aber vehement: „Dass sich international tätige Private-Equity-Investoren für deutsche Pools interessieren, mag auf den ersten Blick zunächst verunsichern. Dabei ist das ein gutes Zeichen, denn das spricht für einen gesunden Markt mit Wachstumsperspektiven. Ich stelle mir eher die Frage, ob die Kritik wirklich von allen Wettbewerbern so von Nöten war. Vor allem wenn man bedenkt, dass nur ein gutes halbes Jahr später bei einem unter ihnen nun ein amerikanischer Investor mit im Boot sitzt. Die aktuelle Situation mit zwei großen Maklerpools und jeweils unterschiedlichen Investoren zeigt uns doch, dass wir weit weg von einem monopolistischen Markt sind.“ Das Rennen unter den führenden Pools bleibe spannend und er freue sich über einen starken Wettbewerb.
Unmittelbar nach Bekanntgabe des Hg-Einstiegs berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ), die Fonds Finanz solle die Basis für einen „europäischen Superpool“ bilden. Im nächsten Schritt wolle Hg eine Reihe von Wettbewerbern in Deutschland erwerben. Von einem „europäischen Superpool“ habe er aus der „SZ“ zum ersten Mal gehört, kommentiert Porazik den Zeitungsartikel, die Idee sei auf nationaler Ebene aber durchaus interessant. „Gemeinsam mit Hg planen wir auf nationaler Ebene die gezielte Übernahme von Firmen, um Synergien zu schaffen, weiter zu wachsen und unsere Position als der Maklerpool der Zukunft zu manifestieren. Zu diesen Firmen gehören Maklerpools, Tech-Firmen und Servicedienstleister, die unser Angebot für die Makler bereichern.“ Man führe bereits die ersten „sehr vielversprechenden Gespräche“. Was schon ein wenig nach „deutschem Superpool“ klingt.
Grund genug, noch einmal bei den Mitbewerbern nachzufragen: Steht die Branche vor einer Monopolisierung oder nicht? „Es handelt sich um eine Konsolidierung – aber keine Monopolisierung“, meint Martin Steinmeyer, CEO der Netfonds Gruppe. „Gut aufgestellt sind die Unternehmen, die in der Lage sind, die technischen und regulatorischen Herausforderungen im Sinne des unabhängigen Plattform-Modells umzusetzen und die für ihre Kunden somit ein zuverlässiger Partner sind.“ Die aktuellen Investoren seien Private-Equity-Fonds, die Geschäftsmodelle suchen, die wiederkehrende Erträge erwirtschaften. „Das ist in unserer Branche der Fall.“ Doch Steinmeyer warnt: „Diese Investoren haben einen überschaubaren Investitionshorizont und verfolgen ein Exit-Szenario. Das sollte allen bewusst sein.“
Eine Monopolisierung erwarte er zwar nicht, sagt auch Dr. Sebastian Grabmaier, Vorstandschef von Jung, DMS & Cie. „Es wird immer Pools oder Plattformen geben, die unterschiedliche Service- oder Technologie-Schwerpunkte setzen, um damit den individuellen Bedürfnissen von Beratern und Vermittlern gerecht werden zu können. Aber ich denke schon, dass sich kleinere Mitbewerber und Spezialpools an die Großen anlehnen oder mit ihnen fusionieren werden. Es macht einfach keinen Sinn, sämtliche Entwicklungen in IT und bei Prozessen oder auch die tägliche Daten- und Dokumentenversorgung für ein relativ geringeres Geschäftsvolumen vorzuhalten.“ Arbeitsteilige Wertschöpfung entspreche der Industrielogik. „Es entsteht also eine Handvoll von Großpools, die als Vollsortiment-Digitalplattformen den Markt beherrschen werden“, erwartet Grabmaier.
Oligopol statt Monopol
Auch PMA-Chef Dr. Bernward Maasjost glaubt nicht an eine Monopolisierung, da mehrere Investoren wie Hg oder Warburg Pincus auf Einkaufstour sind. „Und ich kann mir nicht vorstellen, dass alle ihre unternehmerische Eigenständigkeit für den Traum vom internationalen Wachstum aufgeben werden.“ Der Ansatz bei dieser Marktbereinigung durch externe Investoren sei schlichtweg die Hoffnung, Konsolidierungsgewinner zu sein. Und tatsächlich biete die Zersplitterung des Marktes auch Synergiepotenzial. „Nur muss am Ende – zumal bei den kleinen Margen – die Rechnung für die Aufkäufer auch aufgehen.“ Ob das der Fall sein wird, die Pools also die Erwartungen ihrer Investoren erfüllen können, hält Maasjost für fraglich. „Da die Geschäftsmodelle der Investoren und Aufkäufer auf Skalierung beruhen, wird das kein einfaches Unterfangen, insbesondere wenn mehrere Große den Kuchen haben wollen.“ Grabmaier ist allerdings der Meinung, dass ein Pool nicht in erster Linie die Erwartungshaltung seiner Investoren im Blick haben sollte, sondern die Bedürfnisse seiner Kunden – egal, ob Einzelvermittler, Verbünde oder Großkunden. „Denn nur, wenn die Kunden der Plattformdienstleister mit dem Service zufrieden sind, kann damit Wachstum und Rendite generiert werden – und dann sind auch die Investoren zufrieden.“
Oligopol statt Monopol, so sehen es also Marktteilnehmer. Für Norman Wirth hingegen, Rechtsanwalt und geschäftsführender Vorstand des Vermittlerverbands AfW, ist auch ein Oligopol nicht in Sicht. „Wir haben viele starke Player am Markt, die sich über die Jahre auch alle ihre Fangemeinde zugelegt haben. Und da schließe ich neben den klassischen Pools auch die Verbünde mit ein. Alle haben in den letzten Jahren stark zugelegt. Eine wirkliche Marktkonzentration auf einzelne Player ist derzeit nicht in Sicht. Vergessen wir auch nicht, dass es neben den Pools und Verbünden im Maklermarkt schließlich auch noch weitere extrem starke Vertriebskanäle gibt, wie zum Beispiel die Strukturvertriebe.“ Gerade der Einstieg von mehreren Investoren in den Poolmarkt zeige ja die bleibende Vielfalt, so Wirth. „Dass gerade das Thema Digitalisierung – IT-Unterstützung der kooperierenden Maklerinnen und Makler durch Vergleichsplattformen, digitale Beratungsstrecken und Maklerverwaltungsprogramme – immer relevanter wird, ist evident. Aber noch haben wir eine eher konservative, leider sogar etwas überalterte und daher eben auch nicht übermäßig digital-affine Branchenmehrheit. Für viele zählt da mehr die Verbundenheit in einer miteinander gewachsenen Gemeinschaft als die neuesten IT-Features. Auch die Pools und Verbünde, die daher aktuell noch nicht mit den IT-Angeboten ganz vorne mitspielen, haben noch hinreichend Zeit und Gelegenheit, den Anschluss zu finden. Das schließt natürlich Kooperationen mit Vorreitern nicht aus.“
Doch welche Perspektiven haben die kleineren Pools, die bei den hohen Technologiekosten nicht mehr mithalten können, langfristig? Gibt es für sie nur noch Chancen in der Nische? „Immer wieder ist zu hören, dass es die kleineren Pools irgendwann vom Markt fegt oder sie von den Big Playern geschluckt werden. Wir glauben das nicht“, betont Wirth. Den Abgesang auf den Einzelmakler gebe es auch schon ewig. „Das ist wie bei meiner eigenen Branche, dem Anwaltsmarkt. Auch da heißt es schon ewig, dass man nur in größeren Einheiten tätig sein kann oder dass nur noch Spezialisten oder Fachanwälte bestehen können. Die Realität sieht anders aus. Und so auch im Makler- und im Poolmarkt. Natürlich spielt die teure IT eine riesige Rolle. Aber auch ohne High-End-IT-Services wird es zukünftig sicher Pools und Verbünde geben, die ganz bestimmte Zielgruppen – manchmal auch nur Mentalitäten – ansprechen, welche mit den Dickschiffen eben nicht klarkommen.“ Der Markt sei groß genug für eine erhebliche Bandbreite von Anbietern.
Marktteilnehmer, die sich durchaus unter den Begriff „Dickschiffe“ subsumieren lassen, sind da deutlich pessimistischer. Nach Einschätzung von Grabmaier werden nur die Geschäftsmodelle überleben, die sich schnell an die Marktveränderungen anpassen und immer effizienter werden. „Was früher Automatisierung der Prozesse hieß, ist heute Digitalisierung: Immer mehr Arbeitsabläufe sollen kosteneffizient ohne manuellen Aufwand erledigt werden. Dies gilt nicht nur für das Backoffice, sondern auch für die immer wichtiger werdenden Kundenportale und Online-Beratungsstrecken. Diese Herausforderungen werden in ihrer Gesamtheit nur von den großen Plattformen beherrscht werden können, womit für kleinere Pools – so sympathisch sie auch sein mögen – nur kleinere Nischen übrigbleiben.“ Auch Maasjost hält die Chancen der kleineren Pools für minimal: „Klar ist doch, dass es im Markt keine 30 bis 40 Plattformen braucht, um die 40.000 deutschen Makler zu organisieren.“ Deshalb konsolidiert sich der Markt in einem immer höheren Tempo – oder wie es der PMA-Chef formuliert: „In der Größenordnung von unter 30 Millionen Euro Jahresumsatz laufen auch nicht mehr viele frei herum.“
Kim Brodtmann, Cash.