„Zusatzbeitragsjahre sind verlorene Jahre“

Gesundheitsökonom Professor Dr. Volker Ulrich, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre III – Finanzwissenschaft an der Universität Bayreuth, kritisiert im Cash.-Interview das Gesundheitssystem in seiner bestehenden Form und nennt Alternativen zur Praxisgebühr.

UlrichCash.: In der Politik hat erstmals auch die Union die private Krankenversicherung (PKV) in ihrer heutigen Form infrage gestellt. Werden wir eines Tages eine einheitliche gesetzliche Grundversorgung haben, die um private Zusatzversicherungen ergänzt werden kann?

Ulrich: Viele Ökonomen können sich einen einheitlichen Krankenversicherungsmarkt durchaus vorstellen – allerdings in einer mittel- bis langfristigen Perspektive, in der bestimmte Übergangsfristen eingehalten werden. Dies bedeutet ja zunächst, dass alle Bürger eines Landes einer Versicherungspflicht unterliegen für einen definierten Leistungskatalog. Davon zu trennen ist die Art der Finanzieurng: Hier plädieren viele Ökonomen für eine stärker lohneinkommensunabhängige Finanzierung, das heißt für eine Form von Prämienmodell. Durch Gesundheitsprämien mit zwingend erforderlichem Sozialausgleich könnte auch der Wettbewerb im Gesundheitswesen angeregt werden. Allerdings sollte man darauf achten, dass nicht wieder die gleichen Fehler wie beim Zusatzbeitrag begangen werden.

Cash.: Welche Fehler hat die Politik beim Zusatzbeitrag begangen?

Ulrich: Der Zusatzbeitrag war politisch verbrämt. Die Krankenkassen wollen ihn unter allen Umständen vermeiden, da er als Hinweis für eine unwirtschaftliche Krankenkasse angesehen wird. Unter Versorgungsaspekten sind die Zusatzbeitragsjahre daher verlorene Jahre – die Krankenkassen nehmen kein Geld für ein gutes Versorgungsmanagement in die Hände, da sie keine Planungssicherheit über ihre Einnahmensituation haben.

Cash.: Wie sehen Sie die Bürgerversicherung?

Ulrich: Die Variante der Bürgerversicherung, die auch alle Einkommensarten einbezieht, gibt zwar auf die Beteiligungsfrage die richtige Antwort – es sind dann ja alle „drin“. Auf die Beitragsfrage liefert die Bürgerversicherung jedoch eher die falsche Antwort, da von den anderen Einkommensarten keine nennenswerten Beiträge zu generieren sind. Somit werden lediglich Einmaleffekte bei der Ausdehnung des Umlageverfahrens auftreten. Zudem sollte berücksichtigt werden, dass das umlagefinanzierte GKV-Modell nicht nachhaltig ist, da gerade das Umlageverfahren Nachteile gegenüber dem Kapitaldeckungsverfahren der PKV hat. Ein einheitlicher Krankenversicherungsmarkt ist sicherlich eine Option für die Zukunft, wenn, dann aber eher in einer Form, dass gesetzliche Krankenkassen beispielsweise auch Kapitaldeckung und private Versicherer Verträge im Umlageverfahren anbieten können.

Seite 2: „PKV-Kapitalstock ist ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit“

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