Zyperns Banken werden nicht gerettet. Warum es nun wahrscheinlich ist, dass das erste Land aus dem Euro ausscheiden wird.
Gastkommentar: Torsten Gellert, FXCM
„Ich glaube nicht, dass es bis Juni dauern wird, sondern es ist kritisch, ob sie die Banken überhaupt wieder öffnen können“, so der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble im ZDF heute journal auf die Frage von Moderator Klaus Kleber: „Was passiert, wenn jetzt nichts passiert?“ Die entscheidendste Frage an diesem Abend kurz nach der Ablehnung des EU-Rettungspaketes im zyprischen Parlament führte damit zu einer unerwartet konkreten und fast historischen Antwort von einem der wichtigsten Entscheidungsträger der europäischen Politik.
Am Staatsbankrott führt kein Weg mehr vorbei
Was den Zeitpunkt angeht, will auch ich mich nicht festlegen, aber ganz eindeutig für mich ist, an einem Staatsbankrott Zyperns führt nun kein Weg mehr vorbei. Jetzt geht es allein um die Frage, wie hoch die Systemrelevanz Zyperns und damit auch die Ansteckungsgefahr für andere Länder der Eurozone, allen voran Griechenlands, tatsächlich ist.
Hätte die Politik am Wochenende bei den Verhandlungen über die Ausgestaltung des Rettungspaketes genauso viel Weitsicht bewiesen, wie einer der Beteiligten im Fernsehinterview zwei Tage später, hätte das Schlimmste vielleicht noch verhindert werden können. Dass die Idee, auch alle Kleinsparer an der Rettungsaktion durch eine Zwangsabgabe zu beteiligen, zu einem Aufruhr auch über die Grenzen der kleinen Mittelmeerinsel hinaus führen würde, hätte man in Brüssel ahnen können. Auch kannte man zu diesem Zeitpunkt ganz bestimmt die äußerst knappen Mehrheitsverhältnisse im zyprischen Parlament und konnte ahnen, dass eine Zustimmung auf ganz wackligen Beinen stehen würde.
Dass nun ein modifiziertes und Kleinsparer bis 20.000 Euro ausnehmendes Paket nicht eine einzige Ja-Stimme hervorbrachte, ist beim aktuellen Blick auf Zyperns Straßen auch nicht wirklich verwunderlich. Keiner kann den Zyprern zum jetzigen Zeitpunkt versichern, dass die Krise mit genau den nun zur Verfügung gestellten 16 Milliarden Euro überwunden werden kann. Was passiert, wenn Monate später noch einmal genau in die Bücher geschaut und nachgerechnet werden muss, haben wir unter anderem in Griechenland, Irland und Spanien gesehen.
Sollten die Banken auf Zypern eines Tages wieder öffnen, rechne ich mit einem Ansturm der Kunden auf ihre Ersparnisse, die diese entweder vor einer drohenden Enteignung in welcher Höhe auch immer, aber auch vor einem totalen Bankrott ihrer Bank retten wollen. Eine dritte Alternative gibt es nicht. Bleibt die Troika aus EZB, IWF und EU bei ihrer Haltung, die Hilfe für Zypern auf zehn Milliarden Euro zu begrenzen und auch nur unter der Bedingung auszuzahlen, dass keine weiteren Kredite aufgenommen werden, um eine Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten, ist auch ein nun ins Gespräch gebrachter russischer Kredit kein gangbarer Weg. Ganz davon zu schweigen, dass die Troika wohl keinen erst nach dem Geld aus Moskau rangierenden Kredit jemals auszahlen würde.
Nur wie reagiert die EZB, wenn den zyprischen Banken nach Öffnung tatsächlich das Geld ausgeht? Notfall-Liquidität der EZB hin oder her, sie wird, selbst wenn sie weiter fließt, nicht ausreichen, alle Kunden der Bank auszuzahlen. Und fließt sie trotz einer Ablehnung des Hilfspaketes durch die Zyprer, macht sich die EZB zunehmend unglaubwürdig. Es könnte also tatsächlich sein, dass die Banken auf Zypern für immer geschlossen bleiben, was einer Staatspleite quasi gleich käme.
Zypern ist Russlands „Geld-Waschsalon“
Das kleine Land Zypern ist damit über das Wochenende zu einem großen Problem nicht nur für die Eurozone, sondern auch speziell für Deutschland geworden. Es belastet nicht nur die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Auch die Bundeskanzlerin steht nun in der Schusslinie der Opposition und besorgter selbst deutscher Kleinsparer, selbst wenn deren Sorgen momentan noch völlig unbegründet sind. Noch stärker als im Falle Griechenlands versteht kein deutscher und EU-Steuerzahler wirklich, warum der „Geld-Waschsalon“ unter anderem Russlands mit seinen gezahlten Steuern gerettet werden muss. Deshalb gehe ich davon aus, dass man in Sachen Zypern ein Exempel statuieren wird und wir die erste Insolvenz eines Staates innerhalb der Eurozone erleben werden.
Die nächste Frage sollte dann ein geordnetes Ausscheiden Zyperns aus der Gemeinschaftswährung betreffen. Über die Auswirkungen in beiden Fällen wage ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Prognose abzugeben. Alles hängt davon ab, welche Vorkehrungen die EZB tatsächlich getroffen hat, um den viel heraufbeschworenen Domino-Effekt zu verhindern. Zeit dazu hatte sie in den letzten Monaten genug, in den nächsten Wochen wird sie ihre Handlungsfähigkeit enorm unter Beweis stellen müssen.
Solange die Unsicherheit darüber anhält, erwarte ich weiterhin Druck auf den Euro. Da aktuell sämtliche Argumente gegen die Gemeinschaftswährung sprechen, andererseits wir schon heute Abend auf der Notenbanksitzung in den USA wieder Töne über eine sich erholende US-Wirtschaft und daraus resultierend weitergeführte Diskussionen über einen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik hören werden, ist nach dem Unterschreiten der Marke von 1,30 EUR/USD auch der Weg frei für noch niedrigere Kurse.
Autor Torsten Gellert ist Managing Director bei Forex Capital Markets, kurz FXCM.