Es bleibt die Frage, ob unbedingt eine Frau das Gespräch mit einer Kundin führen sollte oder das Geschlecht des Beraters letztlich gar keine Rolle spielt. Der Vorteil sei, dass Frauen die gleichen Erfahrungen teilen, sie kennen Wünsche und Probleme, findet Hintze. Dennoch sei nicht jede Frau automatisch auch eine gute Beraterin. „Nur Frau sein ist keine Qualitätsgarantie“, sagt sie. Anne-Katrin Heger, Vorstand beim Finanzdienstleister Telis Finanz, hingegen findet, dass die Mandanten von den Beratern überzeugende Dienstleistungen und kompetente, qualifizierte Ansprache erwarten und das sei nicht davon abhängig, ob der Berater männlich oder weiblich sei.
Beraterin Wilmsen sieht das ebenso und fügt hinzu, dass es sicher die eine oder andere Frau gibt, die lieber bei einer Frau sitzt, „aber es gibt auch diejenigen die sagen, ich berede das lieber mit einem Mann“. Fakt ist, dass in der Finanzbranche überwiegend Männer arbeiten. Laut Cash.-Recherchen hat das folgende Gründe:
a) schlechter Ruf der Branche: Wulf ist der Meinung, dass es „nach wie vor sehr viele Strukturvertriebe gibt, die in erster Linie funktionieren, weil Männer es gut finden, dass vorne einer steht, der ihnen das vorturnt, was sie nachher zu tun haben“. Mit Frauen sei so etwas in den meisten Fällen nicht machbar.
b) schwankende Einkommen und Arbeitszeiten: Die Selbstständigkeit dominiert die Branche. „Dies ist für viele Frauen nicht mit ihrer Lebenswirklichkeit vereinbar. Die wenigsten Frauen haben einen Partner an ihrer Seite, der abends selbstverständlich die Kinder beaufsichtigt, während sie als Beraterin im Termin sitzt“, sagt Upgang.
c) falsche Bescheidenheit: „Frauen haben sich an die Finanzthemen lange Zeit nicht herangetraut“, glaubt Heger.
d) es geht nicht wirklich nur ums Beraten, sondern um Verkaufen. „Wenn ich versucht habe, Frauen für diese Branche zu gewinnen, hieß es immer, ich will niemanden überreden, niemandem etwas verkaufen“, berichtet Wulf von ihren Erfahrungen.
e) der hohe Druck: „Das Bild des soliden Bankers ist dem des ,Verkaufsprofis’ gewichen. Die Mitarbeiter von Banken stehen seit der Finanzkrise erst recht unter großem Ertragsdruck. Viele Frauen wollen sich diesem nicht aussetzen“, sagt Hintze.
Derzeit sind in den Top Ten der deutschen Finanzvertriebe im Schnitt 22 Prozent Frauen beschäftigt. Hier besteht durchaus noch Potenzial. Die Bonner Postbank Finanzberatung betont, dass für sie die fachliche und vertriebliche Qualität im Vordergrund stehe und allein dies bei der Auswahl neuer Vertriebspartner das Kriterium sei. Finanzdienstleister Infinus will unterdessen seine Frauenquote steigern. Bewusst räumen die Dresdner Frauen die Möglichkeit ein, auch im Angestelltenverhältnis als Vermittler tätig zu sein können. Telis hat die Quote bereits gesteigert.
Die Regensburger setzen dabei auf das Konzept der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – offenbar mit Erfolg: „Unsere Förderprogramme, die Unterstützung bei der Organisation der Kinderbetreuung, die finanziellen Hilfen bei der Familiengründung, all das überzeugt immer mehr Frauen“, berichtet Heger.
Für Wulf steht fest, dass Frauen eigentlich die besseren Verkäuferinnen sind, weil sie von Grund auf viel mehr darauf ausgerichtet seien, intensiver hinzuhören und hinzuschauen. Bleibt zu hoffen, dass nicht nur die Beraterinnen genau hinhören, sondern auch die Frauen, bei denen sonst im Alter eine Versorgungslücke klaffen wird. Die Ausrede, keine Lust zu haben, sich damit zu beschäftigen, steht dann nämlich gar nicht mehr zur Debatte.
Fotos: Shutterstock; Tabelle: Cash. eigene Recherche