Frauen stellen den Großteil der Beschäftigten in der Finanzbranche. Im Vertrieb sind sie dennoch in der Minderheit. Cash. hat mit erfolgreichen Frauen über die Männerdomäne Finanzvertrieb gesprochen.
Nach langem Ringen innerhalb der EU-Kommission meldete Vize-Kommissionspräsidentin Viviane Reding am 14. November 2012 auf ihrem Twitterprofil gleich in mehreren Sprachen ihren Erfolg: „Geschafft. EU-Kommission hat meinen Vorschlag für ein EU-Gesetz verabschiedet, damit 40 Prozent der Aufsichtsräte bis 2020 mit Frauen besetzt sind.“ Damit die Quote EU-Gesetz wird, muss sie noch vom EU-Parlament und von den Mitgliedsstaaten angenommen werden.
Die Bundesregierung lehnt eine Frauenquote bislang ab. Auf Konfrontationskurs gehen die beiden zuständigen Ministerinnen. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) liegt auf Redings Linie und macht sich für eine verbindliche 30-Prozent-Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten stark.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) setzt dagegen auf freiwillige Selbstverpflichtungen. Laut Kommission sind derzeit europaweit nur 13,7 Prozent der Mitglieder in den Führungsgremien Frauen. In Deutschland sind demnach 15,6 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt, in den mächtigeren Vorständen gar nur 4,2 Prozent.
Frauen stellen Mehrheit
Im Finanzsektor stellen Frauen zwar die Mehrheit der Beschäftigten, an der Spitze stehen aber auch hier nach wie vor Männer. Bei einem Anteil von gut vier Prozent waren Frauen in den Vorständen der größten Banken und Sparkassen auch Ende 2012 noch immer die große Ausnahme, so die aktuelle Studie „Managerinnen-Barometer“ des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). In den Vorständen der großen Versicherungen sieht es demnach ähnlich aus.
Etwas anders stellt sich die Situation in den Aufsichtsräten dar: In den größten Banken und Sparkassen waren Frauen Ende 2012 demnach zu fast 18 Prozent repräsentiert, in den Versicherungen zu gut 15.
Im Versicherungsbereich, in dem knapp die Hälfte aller Beschäftigten weiblich ist, finden sich auf Vorstandsebene der 61 untersuchten Unternehmen laut DIW fast sechs Prozent Frauen. Der Frauenanteil markiert damit den Höchststand seit Untersuchungsbeginn im Jahr 2006. Auf den Posten eines Vorstandsvorsitzes der größten Versicherungen hat es 2012 eine Frau geschafft, die erste seit sechs Jahren: Dr. Birgit König ist seit 1. Januar 2012 Vorstandsvorsitzende der Allianz Private Krankenversicherung.
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Vertriebe gegen Frauenquote
Auch bei der Mehrheit der größten deutschen Finanzvertriebe stellen Frauen den Großteil der angestellten Mitarbeiter (siehe Tabelle). Auf der Vorstandsebene dieser Unternehmen ist jedoch keine einzige Frau zu finden. Ein nicht ganz so krasses Bild liefert ein Blick auf die Geschlechterverteilung in der Beraterschaft: Hier sind die Frauen laut Cash.-Recherche aber dennoch mit durchschnittlich rund 24 Prozent unterrepräsentiert.
Trotz der ungleichen Verteilung auf der Vorstandsebene und im direkten Vertrieb stehen die Unternehmen einer gesetzlich vorgeschriebenen Quote kritisch gegenüber. „Eine gesetzlich verpflichtende Frauenquote halten wir derzeit nicht für sinnvoll. Im Fokus sollten bei dieser Thematik die gleichberechtigte Behandlung und der entgegengebrachte Respekt stehen“, erklärt Götz Wenker, Vorsitzender der Geschäftsführung Swiss Life Select Deutschland GmbH. Eine Frauenquote wäre seiner Meinung nach nur störend, da sie ein reiner Formalismus wäre, der nicht auf die inhaltlichen Themen der Frauenförderung eingeht.
Qualifikation statt Quote
Auch Karl-Friedrich Bauer, Präsident der MLP Corporate University, spricht sich gegen eine Frauenquote aus. „Aus unserer Sicht sollte beim Einstellungsprozess nicht eine Quote im Vordergrund stehen, sondern vor allem die Qualifikation“, so Bauer. Um den Frauenanteil in der Branche zu erhöhen, seien gezielte Förderung sowie entsprechende Angebote und Rahmenbedingungen das Mittel zur Wahl.
Der Wieslocher Finanzvertrieb MLP hat mit 16 Prozent Frauen unter den Beratern den geringsten Frauenanteil unter den Top Five der Allfinanzdienstleister. Auch OVB, Postbank Finanzberatung und der Spitzenreiter beim Frauenanteil, die Deutsche Vermögensberatung (DVAG), halten eine gesetzliche Frauenquote nicht für sinnvoll.
Beraterinnen im Zwiespalt
Uneins bezüglich der Frauenquote sind hingegen die von Cash. befragten Beraterinnen. Dr. Mechthild Upgang, Finanzberaterin sowie Gründerin und Vorstand des Finanzdienstleistungsunternehmens Dr. Upgang AG, spricht sich für die Quote aus, um einen Anschub in die richtige Richtung zu geben. Jennifer Brockerhoff, Jungmaklerin des Jahres 2012 in der Kategorie „Neugründung“ und Inhaberin des Düsseldorfer Unternehmens Brockerhoff Finanzberatung, hält nichts von vorgeschriebenen Quoten: „Das Interesse für diese Branche muss sich von allein ergeben, sonst leidet schnell die Qualität.“
Unschlüssig zeigt sich Alexandra Kallmeier, Geschäftsführerin bei Morgenroth Versicherungsmakler und Mitgründerin des Frauennetzwerks des Verbands Deutscher Versicherungsmakler e.V. (VDVM). „Einerseits bleibt es für Frauen nach wie vor schwer, bestimmte Positionen in einem Unternehmen zu übernehmen.
Andererseits kann es auch nicht sein, dass aufgrund einer gesetzlichen Regelung einer Frau Vorzug gewährt werden muss“, kommentiert Kallmeier. „Oder muss die Frauenquote sein, damit was passiert?“ Sie gebe die Hoffnung nicht auf, dass man dies eventuell auch ohne Quoten schaffe.
Chancengleichheit im Vertrieb
Theoretisch hätten Frauen heute schon die gleichen Chancen, wie Männer in der Finanzbranche Karriere zu machen, erklärt Dr. Jutta Krienke, Vorstand des Maklerpools BCA. „Frauen müssen einerseits ihre Laufbahn besser planen und sie müssen bereit sein, für ihre Ziele einzutreten“, so Krienke weiter. „Andererseits müssen die Unternehmen den vielen gut ausgebildeten Frauen passende Angebote machen, damit Leistungswille und Kreativität auf fruchtbaren Boden fallen können.“ Das Potenzial dafür sei auf jeden Fall vorhanden.
Als Nachfolgerin von Vorstand Roland Roider für das Ressort Versicherungen wurde Krienke vom Aufsichtsrat der BCA zum 1. Oktober 2012 in den Vorstand des Maklerpools berufen.
Helma Sick, Gründerin der Finanzberatung Frau & Geld in München, glaubt indes, dass die Chancengleichheit von Frauen und Männern lediglich unter den selbstständigen Beratern herrscht. „Bei Banken und anderen Finanzinstitutionen sehe ich die gleichen Chancen nicht gegeben“, so Sick.
Finanzen immer noch Männerdomäne
Wenn jedoch tatsächlich die gleichen Chancen bestehen, warum ist der Frauenanteil immer noch so gering? Was hält Frauen vom Finanzvertrieb fern? „Das Thema Finanzen ist von der Historie her eher männlich geprägt“, erläutert Finanzberaterin Brockerhoff. Auch die Gesellschaft trage einiges zu diesem Bild bei. So fänden es selbst Bankkunden zum Teil ungewöhnlich, wenn eine Frau in der Finanzbranche Karriere mache.
„Schon während meiner Ausbildung habe ich erkennen können, dass Frauen innerhalb der Bank eher als Servicemitarbeiter angesehen werden“, so Brockerhoff weiter. „Eine ältere Neukundin verriet mir dieser Tage, dass sich das Bild des 50-jährigen, männlichen Vermögensberaters bei ihr manifestiert hätte und dass sie sich erst einmal daran gewöhnen müsste, eine junge Frau als Vermögensberaterin an ihrer Seite zu haben.“ (jb)
Den vollständigen Artikel lesen Sie in Cash.-Ausgabe 5/2013, die seit 18. April 2013 am Kiosk oder hier erhältlich ist.