„Menschen für unternehmerische Tätigkeit begeistern“

Michael Rentmeister ist seit Januar 2012 Vorstandsvorsitzender des Finanzdienstleisters OVB. Mit Cash. sprach er über das erste Jahr in dieser Position, erzielte Geschäftsergebnisse und die künftige Strategie.

Michael Rentmeister, OVB

Cash.: Seit Januar 2012 sind Sie Vorstandschef der OVB. Wie fällt ihr Zwischenfazit aus?

Rentmeister: Bevor ich OVB übernommen habe, glaubte ich das Unternehmen durch meine knapp dreißigjährige Branchenerfahrung bereits zu kennen. Doch dann habe ich erkannt, dass bei OVB viel mehr gut ist, als ich als Brancheninsider angenommen hatte. OVB ist seit dem Börsengang beispielsweise beim Risikomanagement und den Compliance-Standards marktführend. Ich habe auch in der internen Unternehmensführung und im Vertrieb viel mehr Qualität vorgefunden, als ich es vermutet hätte. OVB ist aus meiner Sicht ein echter Qualitätsvertrieb.

Die positive Geschäftsentwicklung der letzten Monate verdanken wir unserer europäischen Diversifizierung. Wir sind in 14 Ländern tätig und haben Strukturen, die quer durch Europa über Ländergrenzen hinweg verteilt sind. Das ist eine besondere Stärke unseres Konzerns und bietet Stabilität. Das OVB-Geschäftsmodell ist abgesehen von den ländereigenen Regulierungen überall gleich. Den Kern bilden hierbei unser internationaler Karriereplan, unsere Zusatzverträge für Führungskräfte, Betreuungsprovisionen etc.. Damit stützen wir Unternehmertum und daran hat OVB in den letzten 40 Jahren so gut wie nichts verändert. Dieser Verlässlichkeit verdanken wir unseren Erfolg.

 

Sie haben auch Veränderungen angekündigt. An welchen Schrauben wollen Sie konkret drehen?

Wir haben 2012 das Unternehmensentwicklungsprogramm „OVB Systemvertrieb“ gestartet, dessen Fokus darauf liegt, vorhandene Stärken zu stärken. Im Unternehmensbereich Vertrieb liegen hierbei die größten Hebel. Das sind konkret die drei Teilprojekte „OVB Teamwork“, „Premium-Select-Strategie“ und „Boost“ (best of OVB success teams). Bis 1990 hatten wir relativ einheitlich gearbeitet. Danach hat sich ein individuelleres Prozedere durchgesetzt, das langfristig jedoch zu einer Schwächung des Einzelnen geführt hat.

Aktuell sichten wir im Rahmen von „Boost“ die europaweit „best practices“, um dann Mitte 2013 ein Programm einzuführen und die erfolgreichsten handwerklichen Techniken als Standards zu etablieren. Diesen Wechsel zur Einheitlichkeit wollen wir behutsam einleiten. Wir machen nur Veränderungen, wenn wir überzeugt sind, dass sie uns weiterbringen.

 

In Ihrer Produktauswahl setzen Sie im Rahmen der „Premium-Select“-Strategie auf wenige ausgesuchte Produktpartner. Nach welchen Kriterien wählen Sie aus?

Wir legen keinen Wert darauf, statt 100 Produktpartnern 500 zu haben, nur um “window dressing” zu betreiben. Denn damit zerfasert man seine Vertriebskraft, indem man keinem wirklich etwas zuliefert. Die Auswahl ist eine Frage der Produktqualität. Grundsätzlich setzen wir bei Premiumpartnerschaften auf Langfristigkeit. Insbesondere im Kompositbereich und bei biometrischen Risiken lebt ein Produkt davon, dass tatsächich geleistet wird, wenn der Schadensfall eintritt.

Wir setzen daher auf Produkte, die preislich vielleicht nicht die günstigsten sind, aber dem Kunden gute Leistungen bieten. Der Allfinanzberater ist Generalist und muss Produkte anbieten, die sich nicht über den Preis, sondern die Leistung definieren. Bei der Produktauswahl zählt gute Deckung. Wichtig ist, dass wir nicht behaupten die günstigsten Preise zu haben. Das wird es mit mir auch nicht geben.

Die Tatsache, dass wir themenübergreifend beraten ist viel wichtiger, als die besten Renditechancen oder die billigste Versicherung bieten zu können. Unser „Best-Select“-Ansatz entspricht also nicht den Vorstellungen eines Preisvergleichsportals. Generell schätzen wir international aufgestellte Versicherungen als Produktpartner, da so eine Konzeptübertragung vom einen ins andere Land unkomplizierter ist. Aber auch starke regionale Partner im jeweiligen nationalen Markt sind für uns wichtig.

 

Sind Sie denn grundsätzlich an neuen Produktpartnern interessiert? Oder ist der Auswahlprozess abgeschlossen?

Wir werden bei der Produktauswahl auch weiterhin eine offene Architektur haben. Es muss aber immer gute Gründe dafür geben, einen neuen Partner ins Programm zu nehmen. Denn klar ist: Wenn man einen neuen Partner aufnimmt, muss man auch allen anderen sagen, dass sie weniger erhalten. Und das ist aus meiner Sicht kein sinnhaftes Geschäftsmodell.

 

Was werden Ihrer Meinung nach 2013 die wichtigsten Themen im Vertrieb sein?

Die Sicherung der Altersvorsorge ist das beherrschende Thema in allen Märkten Europas, in denen OVB präsent ist. Gesetzliche Rentenbezüge werden immer niedriger ausfallen. Wer Altersarmut vorbeugen will, muss selbst vorsorgen. Wir leisten erfolgreiche Überzeugungsarbeit für die private Vorsorge und Absicherung gegen Risiken. Mit themenübergreifender, kontinuierlicher und systematischer Beratungsdienstleitung ist es unser Ziel, der mittlerweile leider wieder zurückgehenden Vorsorgebereitschaft entgegenzuwirken.

Ausgangspunkt ist für uns immer die Aufnahme und die Analyse des jeweiligen „Kunden-Status quo“. Dabei ist neben der auskömmlichen Altersvorsorge mindestens genauso wichtig, die existenziellen Risiken hinreichend abzusichern.

 

Welches Wachstum erwarten Sie 2013 in den einzelnen Produktbereichen?

Nach unserer Erwartung werden die Produktbereiche Pflegeversicherung und Berufsunfähigkeit an Bedeutung zunehmen. Bausparen und die Immobilienfinanzierung sollen an Dynamik gewinnen, denn die eigene Immobilie ermöglicht mietfreies Wohnen im Alter und sorgt für eine beträchtliche Entlastung des Rentenkontos. Im Konzern erwarten wir eine Umsatzsteigerung gegenüber 2012 sowie eine Fortsetzung des positiven Trends bei der Ergebnisentwicklung. In Deutschland wollen wir bei Umsatz und Ergebnis zulegen.

 

Die Branche klagt über Nachwuchssorgen. Existieren in Ihrem Unternehmen spezielle Projekte zur Nachwuchsrekrutierung?

Wir setzen ganz systematisch auch weiterhin auf das Rekrutieren von Branchenfremden, die über einen zweitberuflichen Status erstmal für sich erkennen können, ob die Beratung etwas für sie ist. Damit sind keinerlei Qualitätsabstriche verbunden, weil wir nur Mitarbeiter mit 34d-Erlaubnis in die Beratung schicken. Auf ganz Europa bezogen heißt das, wir bilden Menschen nach dem jeweiligen im Land geforderten Standard aus, bevor sie beraten dürfen.

Die Zweitberufler als Einstiegsmodell in Frage zu stellen, halte ich für fahrlässig. Wir müssen alles tun, um auf Dauer kompetenten Nachwuchs zu generieren. Klar ist aber, dass es uns gelingen muss die Menschen für eine unternehmerische Tätigkeit zu begeistern.

 

Insbesondere im Kontext des Nachwuchsmangels rücken auch Frauen verstärkt in den Fokus. Wie hoch ist der Frauenanteil bei OVB? Gibt es auf Frauen zugeschnittene Rekrutierungsprogramme?

Wir streben keine bestimmten Frauenquoten an. Dennoch denke ich, dass die Beratertätigkeit bei OVB durch unser Geschäftsmodell für Frauen besonders interessant ist. Wenn eine Frau beispielsweise mit 22 Jahren einsteigt und sich ihr Unternehmen im Unternehmen, ihre Agentur bei OVB aufbaut, hat sie – wenn sie dann Kinder bekommt – beispielsweise variablere Arbeitszeiten und muss sich keine Sorgen machen, ihre Stelle zu verlieren.

OVB ist, was den Frauenanteil angeht, sehr unterschiedlich aufgestellt. In der Region Zentral- und Osteuropa liegt der Anteil bei 50 Prozent und in Deutschland sind wir noch bei 26 Prozent.

 

Welche Folgen auf den Beratermarkt wird die Einführung des neuen Paragrafen 34f Gewerbeordnung Ihrer Meinung nach haben?

Wir erwarten, dass die neuen klaren Rahmenbedingungen zu einer weiteren, qualitativen Verbesserung der Beratungsleistung in Deutschland beitragen und – vergleichbar wie dies bei der Regulierung der Versicherungsvermittlung geschehen ist – insgesamt zu einer Stärkung der professionell ausgebildeten und arbeitenden Berater führen werden.

 

Das Bundesministerium der Finanzen hat Anfang November einen ersten Referentenentwurf zur Honorar-Anlageberatung vorgelegt. Welche Folgen erwarten Sie für die Vermittlung von Finanzanlagen, wenn der Gesetzentwurf so umgesetzt werden sollte?

Niemand kann die Auswirkungen der möglichen Änderungen für die Branche zu diesem Zeitpunkt abschätzen. Wir sind für den Erhalt unterschiedlicher Vergütungsmodelle. Provisionsberatung stellt sicher, dass auch weniger zahlungskräftige Verbraucher eine qualitativ gute und vernünftige Vorsorgeberatung erhalten. Die Politik muss ein Interesse an einer flächendeckend guten Beratungsversorgung der Bevölkerung haben – nur so wird das Ziel einer verstärkten privaten Vorsorge erreicht und eine Zunahme der Altersarmut vermieden. Altersvorsorge ist kein Nachfrageprodukt.

 

Interview: Julia Böhne

Foto: OVB

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