In dieser Situation kommt häufig das Stichwort „Plausibilitätsprüfung“ ins Spiel. Entdeckt der Richter – manchmal aus späterer Kenntnis der schließlich tatsächlich eingetretenen Situation – doch einen Prospektfehler, führt dies in aller Regel zugleich auch zur Vertriebshaftung.
Weder der persönliche gute Glauben an den Inhalt des Prospektes noch ein IDW-S4-Gutachten entlasten den Vertrieb, wenn der Richter meint, dass bei der geschuldeten Überprüfung mit kritischem Sachverstand und gegebenenfalls ergänzender Recherche der Prospektmangel dem Vertrieb hätte auffallen müssen.
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Auch der Hinweis auf mangelndes Verschulden hilft hier nicht weiter, da grundsätzlich im Verhältnis zwischen Vertrieb und Anleger schon leichte Fahrlässigkeit seitens des Vertriebs ausreicht, um eine Haftung zu begründen. Diese wird nach Paragraf 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) überdies vermutet.
Vertriebsmitarbeiter muss kritisch hinterfragen
Das bedeutet, dass dann, wenn nach Meinung des Richters ein objektiver Prospektmangel vorliegt, letztendlich der Vertrieb nachzuweisen hat, dass er auch bei Anspannung äußerster Sorgfalt nicht in der Lage gewesen wäre, seinerzeit diesen Prospektfehler zu erkennen. Das dies selten gelingt, liegt auf der Hand.
Selbst bei hoch spezialisierten Fragen wie der steuerlichen Anerkennungsfähigkeit von sogenannten Defeasance-Strukturen etwa bei Medienfonds hat die Rechtsprechung bereits geurteilt, dass dies vom Vertriebsmitarbeiter „vor Ort“ hätte kritisch hinterfragt werden müssen und der Prospekt mangels ausreichender Risikohinweise an dieser Stelle durch zusätzliche Informationen gegenüber dem Anleger hätte korrigiert werden müssen.
Dass damit im Regelfall die Kurzformel lautet: „Gibt es Prospektfehler, haftet gegenüber dem Anleger (auch) der Vertrieb“, wird vielfach als überzogene Risikoverteilung zulasten von Vermittlern und Anlageberatern empfunden, die den eigentlichen Fehler bei anderen Beteiligten sehen und persönlich in gutem Glauben gehandelt haben.
Seite drei: Haftung nur bei Vorsatz