Und was soll gelten, wenn sich die Prognose als nicht richtig herausstellt? Soll dann in das Gesetz ein Anpassungsanspruch der Finanzverwaltung einerseits und des Steuerbürger andererseits eingebaut werden? Betrachtet man die Möglichkeiten im Detail, so werden die Komplikationen immer größer.
Viertens kommt hinzu: Ist die Prognoseunsicherheit schon schlimm genug, so gibt es als weitere Unsicherheit die Wertungsfrage: Hat man alle erforderlichen Daten erhoben, so stellt sich die Abgrenzungsfrage, wieviel an Steuern dem Unternehmer zugemutet werden können und für wieviel Verschonung gewährt werden soll. Wieviel bei einem ertragsstarken Unternehmen, also einerseits für die Erbschaftsteuer abfließen kann und andererseits für Investitionen dem Unternehmer belassen werden soll. Intensive Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung wären hier geradezu vorprogrammiert. Der Unternehmenserbe wüsste auf Jahre hinaus nicht, wieviel an Erbschaftsteuer auf ihn zukommt.
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Dieses neue Verschonungsmodell nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts würde also bedeuten:
– enormer Personalaufwand für Unternehmen und Finanzverwaltung,
– entsprechende Kosten,
– Planungsunsicherheit.
Die Reaktion betroffener Unternehmerfamilien ist klar. Auf sie würde ein solches Modell einen enormen Steuervermeidungsdruck ausüben: Flucht ins Ausland (Österreich kennt bekanntlich keine Erbschaftsteuer mehr), Ausweichkonstruktionen über ausländische Holdingstrukturen oder Ähnliches. Damit wäre niemandem gedient, weder dem deutschen Fiskus noch der deutschen Volkswirtschaft.
Lesen Sie Morgen auf Cash.Online, wie der Gesetzgeber das Erbschaftsteuerrecht grundlegend reformieren könnte.
Dr. Anton Steiner ist Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht e.V.(www.erbrechtsforum.de) und Fachanwalt für Erbrecht in München. Er ist Gründungspartner der Kanzlei Groll, Gross & Steiner (www.groll-gross-steiner.de).
Foto: Deutsches Forum für Erbrecht e.V.