Als Hype gestartet, werden Fintechs zunehmend zur festen Wettbewerbsgröße im Finanzdienstleistungssektor. Welche Konsequenzen ergeben sich für Berater, wo sind neue Differenzierungspotenziale entstanden, welche traditionellen Geschäftsmodelle sind bedroht? Gastbeitrag von Prof. Dr. Rolf Tilmes, EBS Business School
Fintech bezeichnet den Einsatz moderner Technologien im Finanzdienstleistungssektor, wozu (Bank-) Dienstleistungen, wie Kontoführung, (mobile) Bezahlsysteme, digitale Währungen, Kreditvergabe und -vermittlung, Crowdfunding, Geldanlage, Wertpapiergeschäfte und Versicherungen gehören, wobei Letztere auch unter dem Begriff Insurtech subsumiert werden. Trotz sehr unterschiedlicher Anwendungsbereiche ist allen Fintechs gemein, dass sie bestimmte Elemente der Wertschöpfungskette digitalisieren und somit effizienter darstellen wollen.
Viele erfolgreiche Fintechs kaum bekannt
Während insbesondere in der Finanzdienstleistungsbranche sehr viel über das Thema Fintech gesprochen wird, nimmt es bei Verbrauchern je nach Dienstleistungsart deutlich langsamer Fahrt auf. So liegt selbst die gestützte Bekanntheit von Fintech-Vorreitern bei ca. ein Prozent, wobei das generelle Interesse an Fintechs bei Verbrauchern durchaus positiv ist und wächst.
Laut dem aktuellen „Fintech Adoption Index – Germany“ von Ernst & Young haben trotz Bekanntheit die wenigsten befragten Deutschen den Mehrwert von Fintechs erkannt und zwölf Prozent laut der Studie in den vergangenen sechs Monaten zumindest zwei Fintech-Produkte genutzt. Es zeigt sich daher, dass nicht unbedingt die bekannten Fintechs zugleich auch die bereits erfolgreichen und profitablen sind und umgekehrt, viele erfolgreiche Fintechs nicht unbedingt große Bekanntheit haben, da sie eher im B2B-Bereich angesiedelt sind und zum Beispiel etablierte Anbieter, wie Banken, mit selektiven Dienstleistungen unterstützen.
Fintechs fragmentieren Wertschöpfungskette
Die reine Digitalisierung des Front-Ends greift üblicherweise zu kurz, da sie zum einen eher „low tech“ ist und selten einen nennenswerten nachhaltigen Wettbewerbsvorteil aufweist. Den meisten Fintechs gemein ist die klare Fokussierung auf einzelne, aus ihrer Sicht profitable Teile der Wertschöpfungskette. Der Wettbewerbsvorteil besteht dabei häufig in den Dimensionen Preis/Konditionen, Schnelligkeit und Komfort in Kombination mit einem häufig anzutreffenden First Mover Advantage.
Durch den Eintritt immer neuer Anbieter mit ihrem fokussierten Ansatz wird die Wertschöpfungskette weiter fragmentiert. Etablierte Anbieter sehen sich zunehmend in der Position, ihre häufig sehr breit und integriert aufgestellte Wertschöpfungskette in verschiedenen Einzelbereichen gegen spezialisierte Fintechs verteidigen zu müssen. Aber auch kleinere Finanzdienstleister müssen sich die Frage stellen, wie sie sich zum Beispiel in den Bereichen Geldanlage, Wertpapiergeschäft und Versicherungen im Wettbewerb mit Fintechs (neu) aufstellen.
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