„Frauen sichern eher Existenzrisiken ab als Männer“

Barbara Rojahn ist unabhängige Finanzberaterin und führt das Stuttgarter Beratungsunternehmen FrauenFinanzBeratung. Mit Cash. hat sie über Chancengleichheit in der Finanzbranche und die Bedürfnisse weiblicher Kunden gesprochen.

Barbara Rojahn: „Viele Männer sind einfach mutiger bei der Anlage ihres Geldes, deutlich renditeorientierter. Das Bedürfnis nach Sicherheit spiegelt sich auch in der Absicherung von Berufsunfähigkeit und Pflege wider.“

Cash.: Warum haben Sie sich für eine Tätigkeit in der Finanzbranche entschieden?

Rojahn: Nach dem Studium der Volkswirtschaft entschied ich mich für das Traineeprogramm bei einer deutschen Großbank, weil mir die Themen Geld und Währungspolitik sowie internationale wirtschaftliche Verflechtungen während des Studiums viel Spaß bereitet hatten. Nach dem Erlebnis als Quotenfrau im Investmentbanking unternahm ich einen mehrjährigen Ausflug ins Marketing und den Vertrieb in der Konsumgüterindustrie. Dabei habe ich sehr viel gelernt. Nach der Geburt von drei Kindern wollte ich wieder ins richtige Berufsleben zurückkehren und ließ mich 1992 als Finanzberaterin bei der IHK ausbilden. Anschließend startete ich sofort in die Selbstständigkeit. Meine damalige Mentorin Svea Kuschel motivierte mich, das Thema „Beratung von Frauen für Frauen“ in den Focus zu nehmen. Diese Entscheidung empfand ich als spannend und mutig, habe sie aber keinen Tag bereut. Im Gegenteil: mein Beruf bereitet mir jeden Tag große Freude.

[article_line]

Haben Männer und Frauen die gleichen Chancen, in der Branche Karriere zu machen?

Theoretisch ja. Aber praktisch sieht das anders aus und da unterscheidet sich unsere Branche nicht von anderen Branchen in Deutschland. Die entscheidenden Unterschiede liegen in der Bereitschaft zu Stress, Leistungsdruck sowie beim Spagat beziehungsweise Konflikt zwischen Familie und Beruf. Wenn sich eine Frau für Familie und Kinder entscheidet, geht die Karriere nur in seltenen Fällen reibungslos weiter. Karriere in Teilzeit ist in Deutschland kaum möglich, und beim späteren Einstieg in die Vollzeit ist der Zug oft abgefahren, weil viele Männer in der gleichen Zeit mehr Berufserfahrung gesammelt haben und ihre Karriere vorbereiten beziehungsweise fortsetzen konnten. Elternzeit und Teilzeit sind für Angestellte „Karrierekiller“. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen. Ich kann nur jeder Frau, die einmal „weiterkommen“ möchte, raten, keine großen Kinderpausen einzulegen. Der Weg in die Selbstständigkeit und der Aufbau eines eigenen Unternehmens ist eine gute Alternative, die einerseits mehr Flexibilität bietet, aber andererseits ein Höchstmaß an Enthusiasmus und Disziplin erfordert, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Frauen sind bereit, sich voll einzubringen und viel zu leisten, aber eben zu ihren Bedingungen.

Seite zwei: Beraten Frauen anders als Männer?

1 2Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments