Erben: Pflichtteilsberechtigte dürfen Nachlassakte einsehen

Pflichtteilsberechtigte haben das Recht die Verfahrensakten des Erbscheinsverfahrens einzusehen. Darauf weist die Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V. (DVEV) unter Berufung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm hin.

Nach Ansicht des OLG Hamm haben Pflichtteilsberechtigte "ein berechtigtes Interesse", Kenntnis über den Umfang des Erbes und damit die Höhe des eigenen Pflichtteilsanspruchs zu erlangen.
Nach Ansicht des OLG Hamm haben Pflichtteilsberechtigte ein „berechtigtes Interesse“, Kenntnis über den Umfang des Erbes und damit die Höhe des eigenen Pflichtteilsanspruchs zu erlangen.

Das deutsche Erbrecht ermöglicht es Erblassern, ihre nächsten Angehörigen (also Ehefrau, beziehungswiese -mann, Kinder, Enkelkinder und wenn es diese nicht gibt, Eltern) durch ein Testament zu enterben.

Diese Personen haben dann zwar kein Mitbestimmungs- und Zugangsrecht und sind von der Rechtsnachfolge ausgeschlossen. Sie haben aber als  Pflichtteilsberechtigte dennoch einen Anspruch auf einen Teil des Nachlasses. Ihnen der sogenannte Pflichtteil – die Hälfte des gesetzlichen Erbteils – zu.

Pflichtteilsberechtigte am Erbscheinsverfahren beteiligen

Seine rechtliche Stellung erschwert es dem Pflichtteilsberechtigten jedoch erheblich, den Umfang des Nachlasses beziehungsweise dessen Wert zu erfahren, aus dem sich die Höhe des Pflichtteilsanspruchs ergibt. Ein strittiger Punkt war bisher, ob Pflichtteilsberechtigte mittels Akteneinsicht den Wert des Nachlasses erfahren dürfen.

Wie der DVEV berichtet hat das OLG Hamm in einer Entscheidung vom 26. August 2016 (Aktenzeichen: 15 W 73/16) klargestellt, dass am Erbscheinsverfahren alle zu beteiligen seien, denen durch ein Testament Rechte genommen wurden oder gewährt würden. Hier zu zählen demnach auch Pflichtteilsberechtigte, die vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen wurden.

Pflichtteilsberechtigte haben „berechtigtes Interesse“

Nach Ansicht des OLG Hamm haben Pflichtteilsberechtigte ein „berechtigtes Interesse“, Kenntnis über den Umfang des Erbes und damit die Höhe des eigenen Pflichtteilsanspruchs zu erlangen. Daher stünde ihnen Akteneinsicht in sämtliche schriftlichen Unterlagen zu, die zur Beurteilung des Verfahrensstoffs gehören.

Das umfasse auch den von den Erben ausgefüllte Wertfragebogen. Die Tatsache, dass Pflichtteilsberechtigte sich die Kenntnis auch aus anderen Quellen beschaffen können, stünden diesem Recht nicht entgegen, so das OLG. Es bestehe kein schutzwürdiges Interesse der übrigen Beteiligten, den Wertfragebogen von der Akteneinsicht auszunehmen.

„Da das Erbrecht kompliziert ist, kursieren häufig falsche Vorstellungen über die Rechte der enterbten Pflichtteilsberechtigten“, kommentiert DVEV-Geschäftsführer Jan Bittler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht aus Heidelberg. „Für diese bedeutet enterbt nicht, keine Rechte am Nachlass zu haben.“ Betroffenen sollten daher juristischen Rat einholen. (jb)

Foto: Shutterstock

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