Doch selbst diese Vorschriftenflut reicht wohl nicht aus. So schreibt die deutsche Finanzaufsicht in der Juni-Ausgabe ihres „BaFin-Journals“ zu dem Thema: „Trotz ihrer Detailliertheit werden auch die europäischen Durchführungsbestimmungen noch zahlreiche Fragen aufwerfen, welche die BaFin und die ESMA zu klären haben“.
Es ist für die Branche also wieder einiges abzuarbeiten. Das WpHG gilt im Wesentlichen nur für Unternehmen, die der Aufsicht der BaFin unterliegen, also vor allem Banken und Finanzdienstleistungsinstitute mit Zulassung nach dem Kreditwesengesetz (KWG).
Die Umsetzung für den freien Vertrieb mit Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung durch eine entsprechende Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) steht noch aus – ein erwarteter Entwurf dafür lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
IDD hat Vorrang
Vorrangig werde im zuständigen Wirtschaftsministerium wohl an der Umsetzung der Versicherungsvermittlungsrichtlinie IDD gearbeitet, berichtet Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des Vertriebsverbands AfW.
Wann die Neufassung der FinVermV veröffentlicht wird und ob die Änderungen dann ebenfalls zum 3. Januar in Kraft treten, sei noch offen. „Ein Zwang hierfür besteht nicht“, so Wirth.
Dass für den freien Vertrieb alles beim Alten bleibt, ist jedoch ausgeschlossen. „Im 2. FiMaNoG ist vorgesehen, dass durch die FinVermV hinsichtlich der Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten ein dem entsprechenden Abschnitt des neuen WpHG vergleichbares Anlegerschutzniveau herzustellen ist und dass das Beratungsprotokoll durch die Geeignetheitserklärung ersetzt wird“, erläutert Martina Hertwig.
Taping von Kundengesprächen
Auch der freie Vertrieb wird unter anderem um die Aufzeichnung von Kundengesprächen („Taping“) nicht herumkommen.
„Neben der technischen Realisierbarkeit etwa bei der Aufzeichnung auch von Mobilgesprächen wäre aus unserer Sicht klar zu definieren, ab wann der Small Talk – der hoffentlich nicht aufgezeichnet werden muss – vorbei ist und ab wann die zu dokumentierende Beratung startet“, so AfW-Chef Wirth.
So oder so: Die Mifid/Mifir-Regulierung wird für die Finanzbranche eine gewaltige Herausforderung, zumal gleichzeitig die IDD-Umsetzung umfangreiche Veränderungen im Versicherungsvertrieb mit sich bringt. Finanzdienstleister, die in beiden Branchen unterwegs sind, sind also doppelt mit neuen Vorschriften belastet.
Emissionen, deren Vertriebsunterlagen und sonstigen Bedingungen nicht den neuen Vorschriften entsprechen, fliegen zum Jahreswechsel aus dem Vertrieb. Umso erstaunlicher ist, dass nicht wenige Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) und Emissionshäuser sich bislang offenbar noch überhaupt nicht ernsthaft mit dem Thema beschäftigt haben oder sogar weiterhin glauben, die Mifid II sei ausschließlich für den Vertrieb relevant und sie müssten sich nicht kümmern. (sl)
Lesen Sie den vollständigen Artikel in der aktuellen Cash.-Ausgabe 8/2017.
Foto: Baker Tilly
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