Daher begründen diese aufsichtsrechtlichen Regelungen des WpHG keine eigenen einzuhaltenden Vertragspflichten des Beraters:
„Schutzgesetzcharakter im Sinne des Paragraf 823 Abs. 2 BGB können die Paragrafen 31 ff. WpHG nur haben, soweit sie nicht lediglich aufsichtsrechtlicher Natur sind, sondern ihnen auch anlegerschützende Funktion zukommt. Ist dies der Fall, so können sie zwar für Inhalt und Reichweite (vor-)vertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten von Bedeutung sein. Ihr zivilrechtlicher Schutzbereich geht aber nicht über diese (vor-)vertraglichen Pflichten hinaus. Daraus folgt, dass ihnen keine eigenständige, über die zivilrechtlichen Aufklärungs- und Beratungspflichten hinausgehende schadensersatzrechtliche Bedeutung zukommt (BGHZ 170, 226, 232, Tz. 18 m.w.Nachw.)“ (BGH, Urteil vom 19. Februar 2008 – XI ZR 170/07 –, BGHZ 175, 276-286, Rn. 14).
Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit weiter auch die Schutzgesetzeigenschaft von Paragraf 34a Abs. 1 WpHG verneint (BGH, Urteil vom 22.06.2010 – VI ZR 212/09). Auch Paragraf 20 a WpHG ist nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart kein Schutzgesetz im Sinne des Paragrafen 823 Abs. 2 BGB und begründet bei dessen Verletzung keine deliktische Haftung (OLG Stuttgart, Urteil vom 26.03.2015 – 2 U 102/14)
Aufklärungspflichten können weit gefasst aber auch enger ausfallen
Dies bedeutet Inhalt und Umfang von Aufklärungspflichten bestimmen sich jeweils individuell nach dem konkret mit einem Kunden geschlossenen Vertrag. Das gilt für Anlage- und Versicherungsvermittler gleichermaßen. Hierbei ist die Rechtsprechung bezüglich der Bestimmung von Aufklärungspflichten nicht an aufsichtsrechtliche Vorgaben gebunden. Aufklärungspflichten können im Vergleich zu aufsichtsrechtlichen Vorgaben weit gefasst aber auch enger ausfallen.
Ein Beispiel dafür, dass aus der Verletzung von aufsichtsrechtlichen Vorgaben nicht zwingend eine zivilrechtliche Haftung begründet liefert ein aktuelles Urteil des Landgerichts Köln: „Der klägerische Vorwurf, die Beklagte zu 1) habe ihm entgegen Paragraf 18 Abs. 1 S. 2 FinVermV keine Abschrift des Finanzanlageberatungsprotokolls überlassen, geht ins Leere. Es ist schon nicht ersichtlich, inwiefern eine solche Pflichtverletzung – so sie denn überhaupt vorliegt – für die Anlageentscheidung des Klägers von Relevanz gewesen sein könnte“ (Landgericht Köln, Urteil vom 12. Januar 2017 – 30 O 197/15 -).
Aufsichtsrecht begründet nicht den zivilrechtlichen Haftungsumfang
Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben sind selbstverständlich einzuhalten. Ein Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Regelungen begründet aber nicht per se eine zivilrechtliche Haftung. Das Aufsichtsrecht kann zur Bestimmung von Aufklärungspflichten bedeutend sein, muss es aber nicht zwingend. Zivilrechtliche Aufklärungspflichten können je nach konkret geschlossenem Vertrag aber auch weiter reichen als aufsichtsrechtliche Vorgaben.
Dies bedeutet: Die tägliche Beratungspraxis muss den aufsichtsrechtlichen Vorgaben genügen. Sie sollte aber auch gleichzeitig eine zivilrechtliche Haftung weitgehend minimieren. Die dahingehende Prüfung hat daher auf diesen zwei Ebenen zu erfolgen, die sich aber nur teilweise überschneiden. Eine ganzheitliche Prüfung ist daher zwingend anzuraten.
Oliver Renner ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker, Lehrbeauftragter der Hochschule Pforzheim und der Fachhochschule Schmalkalden für das weiterbildendende Studium zum Finanzfachwirt; stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses ”Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht” der Rechtsanwaltskammer Stuttgart. Zudem ist er Netzwerkpartner in der Vereinigung zum Schutz von Anlage- und Versicherungsvermittlern (VSAV).
Foto: Oliver Renner
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