Corona-Krise: „Akutes Krisenmanagement“

Foto: Wirtschaftskanzlei FPS
Rechtsanwalt Daniel Herper

Viele Unternehmen sind in Bezug auf ihre Geschäftsprozesse und zum Teil auch in ihrer Existenz gefährdet. Cash. sprach mit Rechtsanwalt Daniel Herper von der Wirtschaftskanzlei FPS über die derzeitige Corona-Lage und was jetzt für Unternehmen wichtig ist.

Herr Herper, ursprünglich waren ja vor allem Unternehmen aus dem Gastronomie- und Veranstaltungsbereich von den Einnahmeverlusten betroffen. Mittlerweile hört man auch von anderen großen Unternehmen, vor allem aus dem Einzelhandel, dass sie sich gezwungen sehen, auf die Krise zu reagieren. Wird das Problem also flächendeckend und nehmen Sie diese Verschiebung auch in Ihrer täglichen Praxis so wahr?

Herper: Die aktuelle Situation hat zweifelsohne flächendeckende Auswirkungen hervorgehoben. Die behördlichen Auflagen und Restriktionen betreffen nahezu sämtliche Branchen. So ist unter anderem die Tourismusbranche nahezu zum Erliegen gekommen. Dies trifft unmittelbar zahlreiche Unternehmen und Dienstleister, wie schon ein Blick hoch zum Flugzeug leeren Himmel verrät. Hinzu kommen die gestiegenen Krankheitstage der Arbeitnehmer. Natürlich sind auch die Branchen betroffen, die – wie z.B. die Automobilindustrie – bereits vor Corona als krisenbefangen galten. In unsere Restrukturierungs- und Insolvenzpraxis häufen sich die Anfragen, jedoch ganz branchenunabhängig.

Wenn ein Unternehmer feststellt, dass seine Einnahmen in kurzer Zeit signifikant zurückgehen – auf welche staatlichen Unterstützungen kann er, neben Kurzarbeit, zurückgreifen? Was raten Sie in solchen Fällen?

Herper: Zunächst einmal raten wir zu einer umfassenden Analyse und Dokumentation der derzeitigen Entwicklungen. Eine ausführliche und lückenlose Dokumentation ist für vielerlei „Corona-Maßnahmen“ ausschlaggebend. Kurzarbeit ist ein probates Mittel zur Entlastung der Liquiditätslage, wobei der Effekt aufgrund der erforderlichen Vorfinanzierung erst verzögert eintritt. Ebenfalls geprüft werden sollten Fördermaßnahmen von Bund und Länder für Unternehmen. Hier gibt es mittlerweile zahlreiche Programme, unterstützt durch die KfW und andere Institute. Hinzukommen die Möglichkeiten der Stundung von Steuerverbindlichkeiten gegenüber den Finanzbehörden, wie z.B. Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Neben den staatlichen Maßnahmen prüfen und initiieren wir zudem parallel Sanierungsmöglichkeiten im privatwirtschaftlichen Bereich. Mit einzelnen Vertrags- und Geschäftspartner der betroffen Unternehmen lassen sich oftmals zügig erste Lösungen finden.

Wenn Liquiditätsengpässe drohen – welche Forderungen sind unbedingt zu bedienen?

Herper: Grundsätzlich sind sämtliche Forderungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu bedienen. Eine Kategorisierung oder gar Bevorzugung einzelner Gläubiger sollte nicht stattfinden. Besonderes Augenmerk sollte die Geschäftsleitung jedoch auf solche Forderung legen, bei denen eine Strafbarkeit droht, wenn nicht pünktlich gezahlt wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitgeber die Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung nicht begleicht. Aber auch mit Vertrags- und Geschäftspartnern können erhebliche Probleme entstehen, wenn fällige Forderungen nicht bedient werden. Allerdings finden lassen sich hier oft effiziente Lösungen im Hinblick auf Stundungen und dergleichen finden.

Welche Schritte kann man als Inhaber eines Unternehmens gehen, um sich mit Forderungsinhabern zu einigen und welche Beobachtungen machen Sie in der Praxis?

Herper: Für Unternehmensinhaber und Geschäftsleitung gibt es verschiedene Möglichkeiten mit Gläubigern in Verhandlungen zu treten und Einigungen zu erzielen. Dies hängt jedoch stark vom Einzelfall und der wirtschaftlichen Situation des betroffenen Unternehmens, aber auch der Verhandlungspartner ab. In jedem Fall empfiehlt es sich, ein ganzheitliches Sanierungskonzept aufzustellen und nicht einfach drauf los zu verhandeln. Oftmals orientieren sich einzelne Gläubiger an dem Verhalten der anderen und wollen wissen, welche Sanierungsbeiträge die anderen Beteiligten leisten. Wesentlich ist, dass entsprechende Verhandlungen auf einer soliden Informationsgrundlage geführt werden. Dadurch entsteht Vertrauen in den Sanierungsprozess und die Bereitschaft zur Beteiligung wächst. Zu den aktuell häufig umgesetzten Maßnahmen zählen sicherlich Stundungs- und Stillhaltevereinbarungen, Verzicht auf Kündigungsgründe, Fresh-Money-Beiträge, Anpassung der Zahlungsziele etc. Der Fokus liegt zur Zeit ganz klar auf liquiditätswirksamen Maßnahmen.

Kann man bei den Banken auf Nachsicht bei der Rückzahlung von Krediten hoffen?

Herper: Das Prinzip Hoffnung kann hier nicht weiterhelfen. Bei den aktuell ausgegebenen Kredite der Banken handelt es sich zunächst um typische Verbindlichkeiten. Die Kredite werden durch Banken ausgegeben, die weiterhin der gewohnten – und in den letzten Jahren verschärften – Regulatorik unterliegen. Auch in Corona Zeiten kann eine Bank nicht beliebig Kredite vergeben oder bei der Rückzahlung ein Auge zudrücken. Je nach Ausgestaltung kommen jedoch auch sogenante Nachrangdarlehen in Betracht, die gegenüber anderen Verbindlichkeiten des Kreditnehmers erst nachrangig zu bedienen sind. Allen Beteiligten muss jedoch klar sein, dass die Verbindlichkeiten irgendwann auch zurückgeführt werden müssen. Nicht zu Unrecht warnen diesbezüglich bereits viele Experten vor steigenden Verschuldungsquoten und nachgelagerten Auswirkungen, wie enormen Forderungsausfällen oder Insolvenzwellen.

Es wurden umfangreiche Hilfspakete beschlossen. Wie schnell greifen nach Ihrer Beobachtung die staatlichen Maßnahmen – wissen Sie von Unternehmen, die bereits gefördert werden oder solche Maßnahmen schon aktiv nutzen?

Herper: Es ist zunächst einmal bemerkenswert, mit welcher Geschwindigkeit und in welchem Umfang die Hilfspakete aufgestellt worden sind. Der Anwendungsbereich ist weit gefasst und stellt für viele Unternehmen existenzielle Unterstützungsmaßnahmen dar. In der Praxis erleben wir jedoch erhebliche Schwierigkeiten in der tatsächlichen Umsetzung der Hilfspakete. Zuständig sind zunächst die Hausbanken, also die bestehenden Finanzierungspartner. Auch dort war man nachvollziehbar nicht auf diese besondere Situation vorbereitet. Die Flut von Anträgen verhindert daher teilweise die erforderliche Dynamik. Besonders schwierig ist es in den Fällen, in denen Unternehmen bereits vor Corona in einer wirtschaftlich angespannten Situation waren. Die Umsetzung bereits angelaufene Restrukturierungsprozesse wird durch Corona aktuell erschwert. Dies liegt zum einen an den mangelnden Kapazitäten der erforderlichen Ansprechpartner und Stakeholder. Hinzu kommt die Masse an Unternehmen. die nunmehr zusätzliche Liquidität benötigt.

Wie sind die Chancen für die Vergabe neuer Kredite? Gibt es möglicherweise sogar Anreize?

Herper: Für Unternehmen, die nicht bereits vor Corona in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren, sind die Chancen auf neue Kredite grundsätzlich sehr gut. Die Hilfsprogramme sind weit gefasst und decken viele Erforderlichkeiten ab. Entscheidend ist, dass sich die betroffenen Unternehmen frühzeitig mit den Hilfspaketen auseinandersetzen und Anträge stellen. In der Krise herrscht eine besondere Dynamik, bei der Zeit ein sehr entscheidender Faktor ist. Ich bin kein Banker, aber aus meiner Sicht gibt es sicherlich Anreize. Bei den Kreditnehmern handelt es sich teilweise um grundsätzlich kerngesunde Unternehmen, die ohne Corona-Pandemie nicht in dieser Art und Weise notleidend geworden wären. Für den überwiegenden Teil der Unternehmen ist davon auszugehen, dass in die Zukunft gerichtet ein fundierter und rentabler Business Case besteht. Das Ausfallrisiko sollte daher gering sein. Hinzu kommt die mitunter erhebliche Haftungsfreistellung und Besicherung durch die KfW.

Sollte ich als im Fall einer kritischen Liquiditätslage nicht besser vorsorglich einen Eröffnungsantrag auf Insolvenz stellen?

Herper: In jedem Fall ist es ratsam, einen Plan B anzudenken und auch vorzubereiten. Dahingehend geht auch unsere Tätigkeit. Allerdings ist bei einer vorschnellen Entscheidung über einen vorsorglichen Insolvenzantrag Vorsicht geboten. Um Haftungsrisiken zu vermeiden, sollten zunächst zwingend außergerichtliche Möglichkeiten einer Sanierung geprüft werden. Zudem muss im Falle eines Insolvenzantrages auch tatsächlich ein Insolvenzgrund vorliegen. Andernfalls entstehen Schäden bei Gläubigern und insbesondere den Gesellschaftern als Eigentümern, die hätten verhindert werden müssen. Sollte sich die Einleitung eines Insolvenzverfahrens nicht vermeiden lassen, bedeutet dies jedoch nicht das Scheitern der Sanierung. Insbesondere im Rahmen von gerichtlichen Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren können Unternehmen umfassend saniert werden. Eine Insolvenz bedeutet noch lange nicht, dass liquidiert und der Betrieb abgeschlossen wird.

Wann ist der Punkt erreicht, an dem man den Gang zum Insolvenzrichter, trotz der nun verlängerten Fristen, nicht mehr aufschieben kann?

Herper: Mit Wirkung zum 01.03.2020 wurde die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages durch den Gesetzgeber bis zum 30.09.2020 grundsätzlich ausgesetzt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf der Corona Pandemie beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Der Gesetzgeber wollte durch diese Regelungen verhindern, dass es zu einer Vielzahl von zeitgleichen Insolvenzverfahren kommt. Ein bisschen vergleichbar ist dies mit dem „flatten the curve“-Ansatz der vielzitierten Virologen. Wann und ob ein Ursächlichkeitszusammenhang zwischen der Corona-Pandemie und der Insolvenzreife besteht und wie konkret die Aussicht zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit sein muss, ist stets im Einzelfall zu prüfen. Entscheidend ist eine Mischung aus Dokumentation der tatsächlichen Ursachen und einer Prognose sowie eines Konzeptes in die Zukunft gerichtet. Viele Unternehmen können und werden von dem Anwendungsbereich der neuen Regelungen zulässig Gebrauch machen. Besondere Sorgfalt bei der Prüfung ist bei den Unternehmen geboten, die bereits vor Aussetzung der Insolvenzantragspflichten in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren. Ohne Zweifel ist eine laufende Überwachung der wirtschaftlichen Situation sowie eine ausführliche Dokumentation der Entwicklungen und Ereignisse zwingend erforderlich.

Daniel Herper verfügt über umfassende Erfahrungen im Rahmen von außergerichtlichen und gerichtlichen Restrukturierungen. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählt die Beratung von Organen krisenbehafteter Unternehmen. Dabei begleitet er Unternehmen und deren Organe im Rahmen einer Krise sowie im Rahmen von gerichtlichen Sanierungsverfahren (Eigenverwaltung / Schutzschirmverfahren). Zudem berät Daniel Herper Gesellschafter, Kaufinteressenten, Kreditgeber und Insolvenzverwalter bei der Erarbeitung und Umsetzung von Finanzierungs- und Transaktionsstrukturen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Beratung von Gläubigern im Zuge einer Krise oder Insolvenz ihrer Geschäfts- und Vertragspartner.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments