Herr Sutor, wie ist das bei Ihrem Geschäftsmodell? Ist der Vermittler da überflüssig, weil der Kunde direkt zeichnen kann, oder gibt es auch eine Möglichkeit für den Vermittler, innerhalb dieses Zeichnungsprozesses aktiv zu werden?
Sutor: Vom Grundsatz her braucht man auch bei einem digitalen Wertpapier noch einen Vermittler. Technisch wird unser Angebot über eine App abgewickelt, jeder kann seine Wallet selbst einrichten, das ist auf unserer Website selbsterklärend. Aber meine Erkenntnisse der letzten Zeit sind, dass das eine oder andere erläutert werden muss. Der Security Token ist eine neue Assetklasse, und eine neue Assetklasse muss erklärt werden. Auf Dauer wird man den Vermittler aber nicht mehr brauchen, denn die Kunden, die jetzt zeichnen, sind von der Altersstruktur her webaffin, mit einer Wallet haben die kein Problem. Die Endkunden, die wir ansprechen, tippen auf ihrem Smartphone, und dann ist die Sache erledigt. Wer nicht digitalisiert, ist nicht mehr dabei. Auch der Berater, der nicht digitalisiert, wird auf Dauer ein Problem haben, das spiegelt sich hier wider.
Grabmaier: Natürlich braucht der Vermittler all die digitalen Tools, um beim Kunden besser zu sein. Aber die Punkte macht er in der persönlichen, langjährig gewachsenen Vertrauensbeziehung und in den Entscheidungshilfen, die er gibt. Das ist die entscheidende Wertschöpfung.
Sutor: Das ist richtig, Beratung brauchen Kunden nach wie vor, sonst funktioniert das ganze Geschäft nicht. Aber es gibt Teilbereiche, die einfach in die digitale Welt verschwinden. Und das sind immer mehr, je mehr jüngere Leute dahinkommen. Wir bewegen uns da in einer neuen Welt. Wer mitmacht, ist dabei. Wer nicht mitmacht, ist irgendwann nicht mehr dabei. Das trifft für alle zu.
Das alles setzt eine zeitgemäße technologische Infrastruktur voraus. Doch laut Google Deutschland sind die mobilen Landing Pages in der deutschen Finanzbranche sehr langsam. Im Durchschnitt dauere es 8,6 Sekunden, bis eine Seite geladen ist. Bei Google heißt es, eine Seite sollte nicht länger als drei Sekunden brauchen, bis sie geladen ist. Danach sei die Abbruchrate sehr hoch. Hinkt die deutsche Finanzbranche der technologischen Entwicklung zu weit hinterher?
Neumann: Auf jeden Fall. Kunden informieren sich sehr viel über ihr Smartphone, doch die meisten Websites sind nicht darauf ausgelegt, auch mobil Übersicht zu verschaffen. Google wird das in seinen Suchalgorithmus integrieren: Wie lange dauert es, die Seite aufzurufen? Wenn man zu langsam ist, wird man nicht mehr auf den ersten Seiten gerankt, also benötigt es Maßnahmen, um gegensteuern zu können. Unsere Branche muss sich darauf konzentrieren, ihr Angebot mobilfähig zu machen. Nur Desktop funktioniert nicht mehr.
Gentz: Google wird sogar noch einen Schritt weitergehen. Sie haben angekündigt, dass sie im Browser anzeigen, wie lange eine Seite zum Laden braucht. Wenn wir also bald in Grün, Orange oder Rot irgendwelche Kennzeichnungen bei den Suchergebnissen haben, dann klicken die Nutzer da, wo es schnell geht, gerade wenn man mobil unterwegs ist. Deshalb müssen unsere Seiten immer wieder optimiert werden. Neue Technologien, die auf den Markt kommen, müssen wir nutzen. Es ist und bleibt ein kontinuierlicher Prozess.
Sind die Versicherer und Vertriebe in Deutschland bei der Umsetzung der Digitalisierung auf das Know-how von Fintechs und Insurtechs angewiesen?
Rex: Definitiv. Die Branche braucht Insurtechs. Sie zeigen, dass man Versicherungen einfach denken kann und zwingen die Akteure, kundenorientierter zu sein und simple, verständliche Produkte zu kreieren. Insurtechs tun dem Markt gut, indem sie die Digitalisierung vorantreiben und helfen, schneller und effizienter zu werden. Finanzdienstleister brauchen Insurtechs, da diese mit ihren digitalen Services Teile der Wertschöpfungskette besetzen und so die Schwächen der IT-Legacy mit smarten Lösungen überbrücken. Die Schwäche der Insurtechs ist jedoch, dass sie keine ganzheitliche Lösung schaffen. Sie konzentrieren sich auf ein bestimmtes Produkt oder ein bestimmtes Thema, beispielsweise die Kundenschnittstelle. Dort, wo sie ansetzen, leisten sie gute Impulse. Allerdings treiben sie Digitalisierung nicht ganzheitlich voran. An dieser Stelle setzen Plattformen an: Durch ihre vollumfängliche Aufstellung decken sie die gesamte Customer Journey ab und stellen eine ganzheitliche technologisch standardisierte Lösung bereit.
Neumann: Die Fintechs sind jedenfalls nicht nur Konkurrenz, sondern sie sind auch Partner oder sollten es sein. Viele bieten bereits „White Label“-Lösungen an, die im Hintergrund arbeiten, ohne dass der Kunde etwas davon mitbekommt.
Seite sechs: „Wir haben noch einen Vertrauensvorsprung“