Der aktuelle Gleichlauf einer ausgeprägt expansiven Geld- und Fiskalpolitik bereitet den Boden für eine massive Ausweitung der Inflationsraten. Die auch in diesem Jahr wiederum erfolgten Preisaufschläge nicht beliebig vermehrbarer Güter sind erste Vorboten einer neuen Ära, die viele jüngere Kollegen allenfalls aus Lehrbüchern kennen.
Zu nennen ist anteiliger Besitz an substantiellem Produktivvermögen wie zukunftsfähigen, gleichsam jedoch unverändert tief bewerteten Qualitätsaktien, Immobilien (insbesondere auch liquide Anlageformen wie Immobilienaktien und REITs), Rohstoffe und Edelmetalle. Gold befindet sich derzeit in einer Sondersituation und durchläuft eine Korrekturphase. Wirtschaftliche Erholungstendenzen, etwas weniger negative Realzinsen und die Alternativen von Bitcoin & Co. wirken momentan als Hemmschuh, ehe die Goldnotierung perspektivisch wieder zu einer stetig wachsenden Zentralbankgeldmenge aufschließen sollte.
Substanzwerte: alternativlos und vielschichtig
Die Leserschaft unserer kontinuierlichen Publikationen zur unbedingten Berücksichtigung realer Werte innerhalb der Vermögensstruktur wird ein solches Plädoyer wenig überraschen. Beginnend mit dieser Kolumne weiten wir nun den Blick und beziehen einige exotischere Spezifikationen von Substanzwerten ein. Den Auftakt bilden Diamanten. Oldtimer, Weine und Briefmarken können folgen. Antiquitäten und Kunstwerke sind beinahe schon als gängige Wertanlage anzusehen und wurden unsererseits teilweise auch bereits besprochen.
Diamanten in der Vermögensallokation
Für einen professionellen Finanzportfolioverwalter gemäß §32 KWG (BaFin-Lizenz) wird es kaum möglich sein, investierbare und seriöse Finanzinstrumente mit unmittelbarem Bezug zu Diamanten zu ermitteln, die zudem von den jeweiligen Depotbanken auch gebucht werden können. Ausreichend liquide Bergbaukonzerne mit einem Mindestmaß an explorationsfähigen
Diamanten-Minen unterliegen in erster Linie aktientypischen Einflüssen. Mandanten, die dennoch außerhalb ihres Vermögensverwaltungsvertrages über Diamanten zusätzlich diversifizieren möchten, sollten sich über folgende Aspekte Klarheit verschaffen.
Bedeutung der vier „Cs“
Grundsätzlich determinieren die „vier Cs“ die Wertigkeit von Anlagediamanten. Es sind dies „Carat“ (das Gewicht), „Clarity“ (der Reinheitsgrad), „Colour“ (die Farbgebung) sowie „Cut“ (der Schliff). Freilich bieten Diamanten einen veritablen Schutz gegen inflationäre Tendenzen oder gar Währungsreformen und sind zudem als Ersatzwährung global anerkannt. Diese Edelsteine weisen eine hohe Wertbeständigkeit auf, eventuelle Wertsteigerungen unterliegen keiner Besteuerung und sie verhalten sich unkorreliert zur Entwicklung an den Aktienbörsen. Diamanten unterliegen keinem Zinsänderungs- und Adressenausfallrisiko und stellen vor allem einen hervorragenden Wertspeicher dar.
In einem einzigen Kubikzentimeter kann ggf. der Gegenwert von mehreren Hunderttausend Euro repräsentiert sein. Leicht zu transportieren und unauffällig einzulösen. Vergleichbares ist derzeit nur mit Kryptowährungen und in Verbindung mit der Blockchain-Technologie realisierbar. Für das Extrem-Szenario einer eskalierenden politischen Situation ein adäquates Vehikel, sollten Kartoffeln eines Tages wieder einmal mit sprichwörtlichem Gold aufgewogen werden.
Letztlich können disruptive Tendenzen oder fortschreitender Wettbewerb den gegenwärtigen Wert von Unternehmen angreifen oder gar zerstören. Demgegenüber sind Diamanten in ihrem Wert auch langfristig aufgrund ihrer Materialeigenschaften kaum angreifbar.
Wertsteigerung ist kein Selbstläufer
Allerdings ist eine häufig kolportierte Wertsteigerung im Zeitablauf durchaus kein Selbstläufer. So unterliegt z.B. der „Diamond Price Index“ ausgeprägten Schwankungen, da geopolitische Effekte oder eine temporär nachlassende Nachfrage der Schmuckindustrie Preisaufschläge limitieren. Futures-Märkte zur Glättung von Volatilitäten existieren in Bezug auf Diamanten nicht.
Aber auch Effizienzsteigerungen in der Bevorratung durch Online-Handel seitens professioneller Marktteilnehmer und sich wandelnde Lieferketten wirken preishemmend. Beim direkten Erwerb werden Verarbeitungskosten der Rohdiamanten nebst einer Handelsspanne aktiviert. Es entsteht ein „spread“, der zunächst durch Wertsteigerungen wieder wettgemacht werden muss.
Insofern sind Diamanten nicht uneingeschränkt fungibel, wenngleich Schmuckdiamanten meistbietend über Juweliere auch kurzfristig veräußert werden können. Anders als Gold unterliegt ein Diamantenkauf der Mehrwertsteuer. Zusätzlich können Spesen für Schließfachverwahrung oder Prämien für Versicherungen anfallen. Ein Investment in
Diamanten ist zudem nicht zinstragend und somit mit Opportunitätskosten verbunden. Der private Interessent möge sich hinsichtlich einer unabdingbaren fachlichen Expertise nichts vormachen. Allzu leicht erwirbt man sonst synthetisch gefertigte Falsifikate. Allgemein anerkannte Zertifizierungen und der Erwerb über renommierten Händlern bieten einen gewissen Schutz.
Schließlich strahlt die Debatte um die Sinnhaftigkeit von Nachhaltigkeitsaspekten auch auf die Anlagekategorie Diamanten aus. Gemeint sind so genannte „Blutdiamanten“, die meist in Krisengebieten illegal gefördert und exportiert werden. Ihre Erlöse werden vielfach eingesetzt, um Militäreinsätze gegen die Zivilbevölkerung zu finanzieren. Auch nach Beilegung der Konflikte werden in den Abbaugebieten häufig noch Menschen- und Arbeitsrechte verletzt.
Fazit
Etablierte Substanzwerte wie Aktien, Immobilien, Rohstoffe und Edelmetalle unter Hinzunahme ausgewählter Anleihen (Inflation Linked Bonds, Unternehmensanleihen erster Güte und Lokalwährungsanleihen einwandfreier Emittenten) eröffnen für den liquiden Teil des Vermögens eine vollkommen ausreichende Struktur.
Die Hinzunahme neuer Risiken der mit Diamanten als Anlageobjekt verbundenen Nachteile für die Gesamtallokation ist somit nicht erforderlich. Es ist schön, dass es Diamanten gibt, aber sie eignen sich vielleicht doch am allerbesten als kleine Aufmerksamkeit und sollten von der Beschenkten einfach mit Freude getragen werden können.