Die Löwer-Kolumne
Das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Prospekthaftung macht einmal mehr deutlich: Die Initiatoren können in den Prospekten nicht vorsichtig und akkurat genug sein. Sie müssen jedes Wort, jede Zahl, jedes Komma auf die Goldwaage legen.
Denn genau das machen Anleger und ihre Anwälte dann, wenn ein Fonds in Schieflage gerät. Sie haben offenbar keinerlei Hemmungen, nachträglich die abstrusesten Begründungen anzuführen, um die Verluste aus Problemfonds auf andere abzuwälzen. Und sie kommen damit – jedenfalls in dem entschiedenen Fall – sogar durch. Die Rechtsprechung ist unberechenbar.
Es ist kaum ernsthaft anzunehmen, dass der Anleger den betreffenden Fonds wirklich nicht gezeichnet hätte, wenn der Prospekt in den Erläuterungen zur Prognose statt auf „Erfahrungswerte der Vergangenheit“ zum Beispiel einfach auf die Annahme verwiesen hätte, dass die Mieten analog der prognostizierten Inflationsrate steigen (zumal der Anleger – ein Zahnarzt – wohl hauptsächlich steuerliche Motive hatte). Das Ergebnis der Berechnung wäre das gleiche gewesen und die Prognose selbst sowie der restliche Prospekt waren anscheinend einwandfrei, denn sonst hätte der Kläger wohl kaum eine solch verwegene Begründung dafür angeführt, dass der Prospekt ihn in die Irre geführt habe.
Für die Beklagte – die Komplementärin des Fonds – macht die scheinbar geringfügige Formulierungsschwäche elf Jahre später immerhin die Kleinigkeit von rund 46.000 Euro zuzüglich vier Prozent Zinsen seit Juni 2006 aus, die sie nun an den Kläger zahlen muss. Zudem trägt sie die Kosten des Rechtsstreits.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH „entspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist“. Die Richter machen es sich damit sehr einfach, weil sie nicht bewerten müssen, ob diese pauschale Annahme im Einzelfall tatsächlich zutrifft. In dem aktuellen Fall jedoch passt statt Lebenserfahrung eher ein anderer Begriff: Weltfremd.
Doch Richterschelte hilft nicht weiter. Die Branche muss sich mit der Rechtsprechung auseinandersetzen und sich darauf einstellen. Auch wenn – anders als die Gerichte unterstellen – kaum ein Anleger den Prospekt vor einer Beteiligung wirklich liest, heißt das für die Initiatoren: Sie müssen ihn vor der Veröffentlichung immer und immer wieder auf Ungenauigkeiten, Fehler und Widersprüche untersuchen.