Ebenso bedenklich ist, dass Prospektnachträge den Versicherern unbekannt zu sein scheinen. Jedenfalls finden sie in den Versicherungsbedingungen keinerlei Erwähnung. Daneben sind weitere Begriffe auslegungsbedürftig. Der Versicherungsmakler Torsten Rehfeldt, der den Stein zum Thema Nachträge bei dem VGF-Summit im Februar ins Rollen gebracht hat, diskutiert nach eigenem Bekunden derzeit zum Beispiel mit einem Versicherer über die genaue Definition von „beanstandungsfreien“ Prospektgutachten, die für eine VSHV-Deckung Voraussetzung sind. Schließlich soll der Versicherungsschutz nicht schon dann gefährdet sein, wenn der WP einen Zahlendreher bei einer Handelsregisternummer oder ähnlich geringfügige Fehler im Prospekt festgestellt hat. Hinweise auf solche Mini-Mängel enthält nämlich fast jedes Prospektgutachten – mit entsprechenden Risiken für den Versicherungsschutz.
Rehfeldt wünscht sich eine Pflichtversicherung für Vermittler inklusive einer gesetzlich vorgeschriebenen Mindestdeckung. Dazu aber gehört Sachverstand sowie die Berücksichtigung der Besonderheiten geschlossener Fonds und ihres Vertriebs – nicht nur bei den Versicherungsgesellschaften, sondern auch in der Politik.
Die Einstufung der Fondsanteile per Federstrich als Finanzinstrumente, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jüngst angekündigt hat, hilft da nicht weiter. Schließlich resultiert der politische Druck nach mehr Anlegerschutz derzeit hauptsächlich aus der öffentlich zur Schau gestellten und von Verbraucherschützern sowie Anlegeranwälten geschickt inszenierten Entrüstung über angeblich massenhafte Fehlberatungen von Banken bei den Zertifikaten der US-Bank Lehman Brothers.
Die von Verbraucherministerin Ilse Aigner Ende 2008 vorgestellte „Studie“ zum Finanzvertrieb, die ursprünglich der Anlass für ihre Forderungen nach schärferen Gesetzen für den freien Vertrieb war, spielt in der öffentlichen politischen Diskussion dagegen kaum noch eine Rolle. Zu offensichtlich ist, dass die Autoren ihre gesamte Arbeit dadurch disqualifizierten, dass sie insbesondere bei dem plakativ herausgestellten angeblichen Schaden durch Falschberatung ungeprüft mit einer Summe hantierten, die völlig aus der Luft gegriffen war.
Auch Schäuble wird wissen: Bei den Lehman-Zertifikaten handelte es sich um den Vertrieb von Bafin-geprüften Produkten durch Bafin-überwachte Institute. Der freie Vertrieb hatte damit nichts zu tun. Die Ausweitung der Aufsicht der offenbar ohnehin überforderten Behörde auf den Vertrieb geschlossener Fonds, die mit der Neuregelung verbunden wäre, verbessert weder die Produkte, noch nützt sie den Anlegern. Sachgerechte und lückenlose Versicherungen für den Vertrieb hingegen schützen mittelbar auch die Anleger wirksam vor den Folgen von Falschberatung.
Stefan Löwer ist Chefanalyst der G.U.B., Deutschlands ältester Ratingagentur für geschlossene Fonds, und begleitet den Themenbereich geschlossene Fonds in der gesamten Cash.-Unternehmensgruppe. Als Cash.-Redakteur und G.U.B.-Analyst beobachtet Löwer die Branche und ihre Produkte insgesamt bereits seit mehr als 15 Jahren.
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