Es ist kaum anzunehmen, dass die Prüfpflicht der Bafin im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch auf die Beipackzettel ausgedehnt wird. Schließlich müsste die Behörde in diesem Fall eine inhaltliche Bewertung und Gewichtung insbesondere der Risiken vornehmen, wogegen sie sich stets mit Händen und Füßen sträubt. Trotz der Erweiterung auf die Widerspruchsfreiheit und innere Schlüssigkeit („Kohärenz“) des Prospektes bleibt die Bafin-Prüfung formaler Natur. Die von Vertrieben und ihren Verbänden erhoffte Rechtssicherheit durch die Regulierung könnte sich damit als Trugschluss erweisen.
Einziger Trost für den freien Vertrieb: Künftig ist eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben, die bei Beratungsfehlern einspringt. Dem Vernehmen nach hat die Versicherungswirtschaft der Bundesregierung zugesagt, entsprechende Policen anzubieten. Ob diese angesichts der weiterhin sehr hohen Risiken der Berater allerdings tatsächlich für die von der Regierung veranschlagte Prämie von 800 bis 1.200 Euro pro Jahr zu haben sein werden, bleibt abzuwarten.
Offen ist auch noch die Frage, wie viele freie Vermittler sich wegen der Kosten, des hohen Aufwands für das Beratungsprotokoll und die Dokumentation sowie der bevorstehenden Sachkundeprüfung von geschlossenen Fonds verabschieden werden. Nicht auszuschließen ist, dass dem Markt durch die Regulierung nicht nur auf Kunden-, sondern auch auf Vertriebsseite zunächst eine Schrumpfkur bevorsteht.
Stefan Löwer ist Chefanalyst der G.U.B., Deutschlands ältester Ratingagentur für geschlossene Fonds, und begleitet den Themenbereich geschlossene Fonds in der gesamten Cash.-Unternehmensgruppe. Als Cash.-Redakteur und G.U.B.-Analyst beobachtet Löwer die Branche und ihre Produkte insgesamt bereits seit mehr als 15 Jahren.
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