Immer wieder erweisen sich Fondskonzepte als nicht tragfähig und es kommt zur Insolvenz der Fondsgesellschaft und zum (drohenden) Totalverlust für die Anleger. Ist vom Fondsinitiator kein Geld mehr zu holen, so stellen viele Anleger schnell die Frage nach der Verantwortlichkeit des Anlageberaters.
Gastbeitrag von Jens Reichow, Kanzlei Michaelis
Nach anwaltlicher Beratung werden dann oftmals standardisiert die gleichen Aufklärungspflichtverletzungen gerügt: Keine Aufklärung über das Totalverlustrisiko und über das Risiko des Widerauflebens der Kommanditistenhaftung, sowie mangelnde Belehrung über das Zweitmarktrisiko.
Emissionsprospekt zur Risikoaufklärung des Anlageinteressenten
Inwieweit einzelne Risiken im Rahmen des Beratungsgespräches thematisiert worden sind, ist im Nachhinein meist schwer zu ermitteln. Meistens stellen Anlageberater die Nichterwähnung einzelner Risiken im Beratungsgespräch, wie beispielsweise die Gefahr des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung, auch unstrittig.
Als Mittel der Aufklärung bleibt in solchen Situationen daher nur der Emissionsprospekt, welcher für gewöhnlich entsprechende Ausführungen enthält und der – soweit die Ausführungen richtig sind – sich zur Risikoaufklärung des Anlageinteressenten ebenso eignet wie mündliche Erklärungen des Beraters (vergleiche Urteil vom Bundesgerichtshof (BGH) vom 08. Mai 2012 – Az.: XI ZR 262/10 – Rn. 20f.).
Aus Vermittlersicht kommt es im Haftungsprozess daher darauf an, ob und wann der Emissionsprospekt übergeben worden ist.
Emissionsprospekt: Übergabe zum Unterschriftstermin nicht ausreichend
Was viele Anlageberater dabei übersehen, ist jedoch, dass der Emissionsprospekt auch so rechtzeitig übergeben werden muss, dass der Anlageinteressent von dessen Inhalt noch vor seiner Anlageentscheidung Kenntnis nehmen kann.
Eine Übergabe im Unterschriftstermin reicht hierfür nicht aus (BGH Urteil vom 08. Mai 2012 – Az.: XI ZR 262/10 – Rz. 21). Auch die Übergabe einen Tag vor der Unterzeichnung reicht in der Regel nicht aus (BGH Urteil vom 19.07.2011 – Az.: XI ZR 191/10 – Rz. 18). Eine Übergabe zwei Wochen vor der Zeichnung war hingegen ausreichend (BGH Urteil vom 12. Juli 2007 – Az.: III ZR 145/06 – Rz. 9).
Rechtzeitige Übergabe: Anleger trägt Beweispflicht
Für den Umstand, dass der Emissionsprospekt nicht rechtzeitig übergeben worden ist, ist zwar der Anleger beweispflichtig, oftmals bestätigt der Anleger jedoch im Rahmen der Zeichnungserklärung den Emissionsprospekt erhalten zu haben.
Diese gesonderte Erklärung trägt meistens dasselbe Datum wie die Zeichnungserklärung selbst. Gleichwohl kann damit der Anleger nicht beweisen, dass er den Emissionsprospekt erst am Tag der Zeichnung erhalten hat (BGH Urteil vom 06. Dezember 2012 – Az.: III ZR 66/12 – Rz. 17).
Übergabe des Prospektes mindestens sieben Tage vor Produktzeichnung
Der Anlageberater tut trotzdem gut daran, das Datum der Prospektübergabe im Beratungsprotokoll zu dokumentieren und sich durch Unterschrift des Anlegers unter dem Beratungsprotokoll bestätigen zu lassen.
Die Übergabe des Prospektes sollte dabei mindestens sieben Tage vor Zeichnung des Produktes erfolgt sein. Gerade jedoch, wenn der Anleger mehrere unterschiedliche Beteiligungen zeichnen will, sollten die Prospekte dem Anlageinteressenten noch früher übergeben worden sein.
Autor Jens Reichow ist Rechtsanwalt in der Hamburger Kanzlei Michaelis und Spezialist für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Foto: Kanzlei Michaelis