Seit die Kanzlerin eine Entscheidung über die Absenkung der Einspeisevergütung für Erneuerbare-Energien-Anlagen vertagt hat, hängen die Investoren in Deutschland in der Luft.
Am Nachmittag des 20. April 2013 erklärte das Kanzleramt die Verhandlungen zu der von Bundesumweltminister Peter Altmaier vorgeschlagenen „Strompreisbremse“ für gescheitert. Eine Einigung zwischen Bund und Ländern sei vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 nicht möglich. Ohne die Zustimmung des rot-grün-dominierten Bundesrats kann der CDU-Minister seine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) allerdings nicht durchsetzen.
Altmaier wollte die über den Strompreis zu zahlende Ökostromumlage für zwei Jahre auf ihrem derzeitigen Niveau von 5,27 Cent je Kilowattstunde einfrieren. Anschließend sollte sie nur noch um bis zu 2,5 Prozent pro Jahr steigen. Dadurch sollten Mittelständler und Privathaushalte entlastet werden, die derzeit knapp 28 Cent pro Kilowattstunde Strom bezahlen und den Löwenanteil der Subventionierung erneuerbarer Energieträger schultern. In einem deutschen Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden schlägt die Ökostromförderung mit 185 Euro pro Jahr zu Buche.
Der Minister fühlt sich wohl auch deshalb unter Zugzwang, weil in die Regierungszeit von Union und FDP ein Rekord-anstieg fällt: In 2010 lag die Umlage noch bei 2,05 Cent. Grund ist der enorme Zubau der Solar-, Wind- und Wasserkraftanlagen in Deutschland in den letzten Jahren, der über die Einspeisevergütung gefördert und für Investoren attraktiv gemacht wurde. Zudem hat das zusätzliche Angebot aus regenerativen Energiequellen dazu geführt, dass die Preise für Strom an den Börsen drastisch gesunken sind.
Private zahlen 28 Cent pro KWh, der Börsenstrompreis liegt bei vier Cent
Wie das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) in Münster mitteilt, wurde am 10. April 2013 erstmals die Marke von vier Cent pro Kilowattstunde unterschritten. „Im Jahr 2012 sind hierzulande 110 Milliarden Kilowattstunden aus erneuerbaren Quellen eingespeist worden. Die sinkenden Börsenstrompreise führen paradoxerweise dazu, dass die Strompreise für die Verbraucher weiter steigen. Letztendlich fördern die Stromverbraucher indirekt die niedrigen Strompreise an der Börse für die Großabnehmer über eine höhere EEG-Umlage“, sagt IWR-Direktor Dr. Norbert Allnoch.
Denn anders als der Bürger sind energieintensive Industriebetriebe nicht nur von der Abgabe befreit, sondern sogar Nutznießer der Förderung und können sich das gegenwärtige Niedrigpreisniveau sogar bis Ende 2015 sichern. „Dadurch realisieren Großabnehmer Mitnahmeeffekte in mehrfacher Milliardenhöhe“, kritisiert der IWR-Direktor. An diesen Wettbewerbsvorteilen zu rütteln und die Industrie stärker einzubeziehen, traut sich der Minister aus Sicht der Oppositionsparteien nicht. Ihren Vorschlag zur Absenkung der Stromsteuer um bis zu 25 Prozent lehnten die Regierungsparteien dagegen ab und wollten stattdessen die Einspeisevergütungssätze senken. Die Betreiber von bestehenden Solar- und Windkraftanlagen sollten über einen „Energie-Soli“ befristet auf 1,5 Prozent ihrer Einnahmen verzichten, die Förderung neuer Anlagen solle vorübergehend ausgesetzt werden, so die Idee des Bundesumweltministers.
Verfassungsrechtlich bedenkliche Pläne des Bundesumweltministers
Es hagelte Kritik, nicht nur von den Ökostrom-Lobbyisten. Altmaiers Vorschläge sind auch verfassungsrechtlich zweifelhaft: Im EEG ist klar geregelt, dass die Energieversorger zur Abnahme des eingespeisten Stroms zu den festgelegten Sätzen verpflichtet sind und das über einen Zeitraum von 20 Jahren zuzüglich des Jahrs der Inbetriebnahme.
Eine Regelung, die eine generelle Kürzung des Einspeisetarifs für Bestandsanlagen für das Jahr 2014 vorsieht, dürfte gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen. Sie scheint nach dem Energiegipfel Ende März 2013 beerdigt worden zu sein. Die ebenfalls bedenkliche Idee, den Auszahlungsbeginn für neu errichtete Anlagen flexibel zu gestalten, ist es nicht.
Unabhängig davon, wann, wie oder ob überhaupt die Regelung umgesetzt wird, hat sie schon jetzt für Verunsicherung bei (potenziellen) Investoren aus dem In- und Ausland gesorgt, die darauf gesetzt haben, dass die Energiewende in Deutschland in den angekündigten großen Schritten umgesetzt werden soll.
Die Banken geben ihre Finanzierungszusagen nur dann, wenn sie die Einnahmen des Projektvorhabens genau einschätzen können. Im gegenwärtigen Schwebezustand ist das nicht möglich, so dass die Planungen für manch einen Wind- oder Solarpark auf Eis liegen. Für die Initiatoren geschlossener Fonds, die im vergleichsweise schwachen Jahr 2012 immerhin noch 1,5 Milliarden Euro in Ökostromanlagen investiert haben, kommt hinzu, dass sie neben Zins- und Tilgungszahlungen auch die Ausschüttungen an die Anleger kalkulieren müssen. Hinzu kommt die zeitintensive Prospektierung der Beteiligungsangebote. Ähnliches gilt für die Emittenten festverzinslicher Wertpapiere wie Anleihen oder Genussrechte.
Zahlreiche Investoren haben Deutschland bereits den Rücken gekehrt. (af)
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