Sofern der Anwendungsbereich des KAGB nicht eröffnet ist, ist zu bedenken, dass das Bürgerenergieprojekt einer Prospektierungspflicht nach dem Vermögensanlagengesetz unterliegen kann.
Sollte es nicht möglich sein, das Beteiligungsmodell als operativ tätiges Unternehmen zu konzipieren, besteht immer noch die Möglichkeit, den Ausnahmetatbestand des Paragrafen 2 Abs. 4 b KAGB in Anspruch zu nehmen, den der Gesetzgeber speziell für Bürgerenergieprojekte geschaffen hat. Unter den Voraussetzungen dieses Tatbestandes ist nur ein sehr reduzierter Anforderungskatalog des KAGB zu erfüllen.
Um in den Genuss der gesetzlichen Erleichterungen zu kommen, ist es zwingend erforderlich, das Anlagevehikel in der Rechtsform der Genossenschaft aufzusetzen, bei der satzungsgemäß Nachschusspflichten ausgeschlossen sind.
Vermögensgegenstände nicht mehr als 100 Millionen Euro
Zudem dürfen die im Rahmen des Bürgerenergieprojektes erworbenen Vermögensgegenstände insgesamt nicht den Wert von 100 Millionen Euro überschreiten. Schließlich muss das Investmentvermögen in einen Sachwert investiert sein, aus dessen Nutzung aufgrund gesetzlicher Regelungen ein Mindestertrag langfristig sichergestellt ist.
Bei dieser Tatbestandsvoraussetzung hatte der Gesetzgeber die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz garantierte Einspeisevergütung vor Augen, die auch Bürgerenergieprojekte regelmäßig nutzen können.
Unter den genannten Voraussetzungen kann sich die Genossenschaft bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) als Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) „registrieren“ lassen, ohne dabei die umfangreichen Voraussetzungen für eine förmliche Erlaubnis erfüllen zu müssen.
Nachweise fachlicher Eignung von KVG-Geschäftsleitern
Allerdings ist zu beachten, dass die Geschäftsleiter der KVG im Rahmen der Registrierung Nachweise über ihre Zuverlässigkeit und fachliche Eignung erbringen müssen. Abgesehen von einigen Berichtspflichten gegenüber der Bafin, müssen unter dem Ausnahmetatbestand des Paragrafen 2 Abs. 4 b KAGB keine weiteren aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllt werden.
Insgesamt betrachtet, stellt das KAGB für Bürgerenergieprojekte keine unüberwindbaren Hürden dar. Es kommt darauf an, die richtigen Weichen der Strukturierung zu stellen.
Dr. Dietrich Wagner ist als Rechtsanwalt im Hamburger Büro von Rödl & Partner tätig. Er hat sich auf die Beratung von Emissionshäusern bei der rechtlichen Konzeption geschlossener Fonds spezialisiert. Diese Tätigkeit betrifft Fondsprojekte aller Asset-Klassen im In- und Ausland. Außerdem berät er auf dem Gebiet des allgemeinen Handels- und Gesellschaftsrechts. www.roedl.de