Italien vor der Bewährungsprobe

Ein wesentlicher Grund dafür liegt in der Dominanz von Kleinstbetrieben mit weniger als 10 Mitarbeitern und der großen Bedeutung von Branchen wie Textilien, Bekleidung und Möbelherstellung, für die ein besonders harter Preiswettbewerb auf den globalen Märkten charakteristisch ist.

Die Regierung Renzi versucht wie vor ihr bereits die Regierung Monti, die strukturellen Defizite zu bekämpfen. Die Durchsetzung eines späteren Renteneintrittsalters, Lockerungen des Kündigungsschutzes, Steuersenkungen und die Liberalisierung etlicher Dienstleistungsbranchen sind richtige Schritte. Doch diese Maßnahmen allein werden nicht ausreichen.

Von überragender Bedeutung ist weiterhin die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, die Vereinfachung des komplizierten Steuersystems, die weitere Liberalisierung des Dienstleistungssektors, die Schaffung von Ausnahmen zu den bislang national einheitlichen Tarifverträgen, Maßnahmen zur Gesundung des fragilen Bankensektors und die Steigerung der Erwerbsbeteiligung (vor allem unter den Frauen), die eine der niedrigsten in ganz Europa ist.

Vorbild Spanien

Renzi hätte also allen Grund, sein ganzes politisches Gewicht für einen Erfolg des anstehenden Referendums in die Waagschale zu werfen. Dabei könnte er auf die Erfolge Spaniens verweisen: Die spanische Produktivität ist in den vergangenen zehn Jahren um 12 Prozent gestiegen (nach einem Rückgang um 5 Prozent in den zehn Jahren davor), und die spanische Wirtschaft ist nunmehr zwölf Quartale in Folge um insgesamt fast 8 Prozent gewachsen. Auch Italien muss alles daran setzen, seine Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen.

Nur so kann die Wirtschaft wachsen und die viel zu hohe Staatsverschuldung von inzwischen mehr als 130 Prozent des BIP abgebaut werden. Staatliche Ausgaben, die dem Abbau von Strukturschwächen dienen (etwa für Bildung) sollten deshalb nicht einer letztlich falsch betriebenen Haushaltskonsolidierung zum Opfer fallen. Dies sollten auch die Tugendwächter der Haushaltsdisziplin verstehen: Für Europa wäre es nach dem Brexit-Votum der Briten die zweite Katastrophe dieses Jahres, wenn die Regierung Renzi über eine Niederlage im Referendum stürzen und der eingeleitete Reformprozess gestoppt würde.

Axel D. Angermann ist Chef-Volkswirt bei Feri, Bad Homburg

Foto: Feri

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