Ein Beispiel: Wer jetzt blauäugig auf die günstigeren Kurzzeitdarlehen setzt, spielt ein riskantes Spiel: „Steigt die Inflation weiter, muss die Europäische Zentralbank den Leitzins deutlich anheben. Dadurch werden auch Baufinanzierungen um einiges teurer werden. Wer nur einen kurzzeitigen Kredit abgeschlossen hat, wird dann möglicherweise sehr bald nur noch ein teures Anschlussdarlehen bekommen“, so Annabrunner. Besser sei darum, sich jetzt mit einem langfristigen Kredit die zwar gestiegenen, aber noch immer günstigen Zinsen so lange wie möglich zu sichern.
Bart Leurs, Bereichsleiter Vertrieb Immobilienfinanzierung bei der ING DiBa, rät zudem zu flexiblen Tilgungsmöglichkeiten: „Bei niedrigen Zinsen fehlen häufig Anlagealternativen. Da ist der Kunde besser beraten, wenn er tilgt.“ Und bei steigenden Zinsen ist eine schnelle Entschuldung ebenfalls vorteilhaft.
Darum rät Gawarecki auch dazu, trotz der leicht gestiegenen Baufinanzierungszinsen nicht den Tilgungssatz zu senken. Das machen jedoch viele Käufer oder Bauherren, bei denen das Geld etwas knapper sitzt. Die Folge: Die Restschuld ist zu Beginn der Anschlussfinanzierung noch sehr hoch. In Kombination mit bis dahin gestiegenen Zinsen kommen gegebenenfalls nicht mehr tragbare Kosten auf die Betreffenden zu und die Laufzeit verlängert sich um Jahre. Marcus Rex, Gründer und Vorstand der Baugeld-Spezialisten, empfiehlt Immobilienkäufern deswegen, mit mindestens zwei Prozent zu tilgen. „In guten Anlagezeiten könnte man alternativ auch mit einem Prozent tilgen und einen weiteren festen Betrag monatlich zurücklegen, um so eine Sondertilgung anzusparen.“ Wer nur mit einem Prozent tilgen könnte, sollte eine Immobilie suchen, die besser zur Lebenssituation passt, also gegebenenfalls kleiner bauen oder Ausschau nach einem günstigeren Objekt halten.
Was die kommenden Monate bringen werden, ist im Moment alles andere als klar. „Die politische und wirtschaftliche Situation Griechenlands wird zu einem eher schwankenden Zinsmarkt führen“, so Gawarecki. Dieser Einschätzung schließt sich Rex an: „Die unterschiedliche Konjunkturentwicklung einiger Euro-Länder und insbesondere die Situation in Griechenland führen zu volatilen Märkten.“ Beide Baufinanzierungsexperten gehen davon aus, dass die Zinsen aufgrund der leichten Inflation mittelfristig jedoch eher steigen werden.
Jens Wohlfahrt, Mitglied der Geschäftsleitung Baufinanzierung der Deutschen Bank, hingegen will im Moment lieber keine Prognose abgeben. „In den vergangenen Monaten gingen alle davon aus, dass die Zinsen weiter steigen werden. Seitdem sind sie jedoch leicht gefallen“, gibt er zu bedenken. „Vor einigen Monaten haben viele Kunden trotz der Gefahr der steigenden Zinsen variable Darlehen abgeschlossen. Sie sind bisher sehr gut damit gefahren. Was ihnen und uns allen die Zukunft bringen wird, kann jedoch meines Erachtens im Moment niemand absehen.“
Umso wichtiger sei es, die Kunden ganz individuell zur Baufinanzierung zu beraten und verschiedene Zinsszenarien zu berücksichtigen. „Die Kunden brauchen zunächst die passende Immobilie in der richtigen Lage. Und dann sollte man sicherheitsbedürftigen Bauherren eher zum Bausparvertrag raten, während chancenorientierte Immobilienkäufer, die es sich leisten können und das Risiko eingehen wollen, gegebenenfalls auch eine flexible oder variable Darlehenskomponente bekommen können.“