Klar ist bisher vor allem eines: es wird zu deutlichen Verschiebungen bei den Volumina kommen: Die relativen Verlierer stellen dabei die offenen Immobilienpublikumsfonds dar – gemessen an den „Assets under Management“. Doch das „shrink to fit“ bietet auch die Chance, sich als Marktsegment zu professionalisieren. Soweit die heutigen „Problemfonds“ komplett liquidiert werden, werden aus dem Anlagesegment der offenen Immobilienpublikumsfonds bis zu 25 Milliarden Euro abfließen: Zum einen werden die institutionellen Anleger aufgrund der Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes und von Solvency II einen wesentlichen Teil ihrer investierten Mittel zugunsten von Immobilienspezialfonds sowie zu Instrumenten der Fremdkapitalvergabe umschichten.
Zum anderen ist das „Frustrationspotenzial“ vieler Privatanleger der betroffenen Fonds aufgrund der enttäuschten Erwartungen mittlerweile so hoch, dass sie ihre Anlagestrategie überdenken und sich nach Alternativen am Immobilien- beziehungsweise Investmentmarkt umschauen werden. Das konservative Anlegerprofil dieser Investoren verleitet uns zu der Einschätzung, dass dieses Kapital zu großen Teilen in die direkte Immobilienanlage fließen wird („Flucht ins Betongold“) oder aber in vermeintlich risikolose Anlagen wie Bundesanleihen beziehungsweise Festgeldkonten. Kurzfristig sehen wir kein überzeugendes Motiv, um diese Anleger für die „alte Produktklasse“ zurückzugewinnen.
Grundsätzlich bietet diese Abkehr von den offenen Immobilienpublikumsfonds aber Chancen für die Anbieter von indirekten Immobilienanlagealternativen. Doch diesbezüglich hängt es maßgeblich an den Vertriebsstrukturen und Kommunikationsbemühungen der Anbieter, das breite Spektrum an indirekten Immobilienanlageprodukten in das Entscheidungsuniversum der Anleger einzubringen. Dabei sehen wir in Deutschland definitiv Raum für neue Produkte, die das Rendite-Risiko-Profil offener Immobilienpublikumsfonds reproduzieren können. Wir erwarten daher, dass es in der Hierarchie der indirekten Immobilienanlagen in Zukunft Verschiebungen geben wird. Das Zeitfenster, um die jeweiligen Vor- und Nachteile aufzuzeigen und daraus Schlüsse abzuleiten, ist besser denn je. Die neuen Pfade aufzuzeigen ist gleichwohl Verantwortung der gesamten Branche.
Der Autor Dr. Thomas Beyerle leitet den Bereich “Corporate Social Responsibility & Research” im Managementteam der Bonner Immobilien-AG IVG. Bis Anfang 2011 war er Head of Global Research bei der schottischen Aberdeen-Property-Investors-Gruppe. Der studierte Geograph und Real Estate Portfolio Manager analysiert die internationalen Immobilienmärkte seit mehr als 15 Jahren. Beyerle doziert an der BA Stuttgart/Leipzig, ADI Stuttgart/Hamburg, EBS European Business School, IREBS International Real Estate Business School sowie an der Fachhochschule Biberach und der Fachhochschule Kaiserslautern.
Fotos: Christian Daitche/IVG